Hamburg. Rund 2000 weniger Ausbildungsanfänger als vor der Pandemie. Laut Behörde fehlen vor allem „Einpendler“ aus anderen Bundesländern.
Aus Sicht der Schulbehörde ist es eine bedrohliche Entwicklung, die sehr ernstgenommen werden sollte: In Hamburg haben 2022 fast elf Prozent weniger junge Menschen eine Berufsausbildung begonnen als vor der Corona-Pandemie 2019. Konkret starteten im vergangenen Jahr 17.370 Azubis in der Hansestadt, 2030 weniger als drei Jahre zuvor (19.400).
„Es macht mir große Sorgen, dass sich der Ausbildungsmarkt von seinem dramatischen Einbruch während der Corona-Pandemie bis heute nicht erholt hat“, sagte Hamburgs Bildungssenator Ties Rabe (SPD) am Dienstag im Rathaus. „Jetzt ist es unerlässlich, durch mehr Berufsausbildung den Fachkräftebedarf von morgen zu decken“, sagte Rabe. „Wir brauchen mehr Ausbildungsplätze – und eine größere Bereitschaft junger Menschen, eine Ausbildung zu beginnen.“ Was der Hansestadt droht, zeigt eine Schätzung aus dem Fachkräftemonitor der Hamburger Handelskammer von 2022: Setzte sich der Trend fort, könnten bis 2030 auch wegen des demographischen Wandels in Hamburg bis zu 67.000 beruflich Qualifizierte fehlen.
Um gegensteuern, sei allerdings noch mehr nötig, sagte Rabe auf Nachfrage. So gelte es in Hamburg etwa, den Übergang von der Schule in die Berufsausbildung zu verbessern und weitere Unterstützungsmaßnahmen für die mehr als zehn Prozent aller Schulabgänger anzubieten, die jahrelang kaum eine Perspektive hätten, einen Ausbildungsplatz zu finden, etwa weil ihre fachlichen Voraussetzungen nicht ausreichten oder aus sozialen Gründen.
Fachkräftemangel in Hamburg: Diese Bereiche trifft der Rückgang besonders stark
Rabe legte am Dienstag die jüngste Statistik der Hamburger Berufsschulen vor. Demnach betrifft der Rückgang der Ausbildungsanfänger vor allem die „klassische“ duale Berufsausbildung in Betrieb und Berufsschule: Im Jahr 2022 begannen in Hamburg 11.666 junge Leute eine solche Ausbildung – 1439 bzw. rund elf Prozent weniger als 2019 (13.105). Erheblich eingebrochen sei die duale Berufsausbildung durch die Corona-Pandemie insbesondere im Bereich der Kaufmännischen Dienstleistungen, im Warenhandel, Vertrieb, in der Hotellerie und im Tourismus.
Die zuständigen Berufsschulen in Hamburg hätten 2022 in diesen Ausbildungsberufen einen Rückgang der Anfängerinnen und Anfänger im Vergleich zu 2019 von 16,6 Prozent verzeichnet, erklärte die Schulbehörde. Besonders betroffen seien die Einkaufs-, Vertriebs- und Handelsberufe mit einem Rückgang von 19,3 Prozent (2019: 870 Anfängerinnen und Anfänger, 2022: 702) und die Tourismus-, Hotel- und Gaststättenberufe mit minus 18 Prozent (2019: 919 Anfängerinnen und Anfänger, 2022: 754 Anfänger).
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Erheblich weniger „Einpendler“ in den Hamburger Ausbildungsmarkt
Obwohl Hamburg über eine „herausragende Wirtschaftskraft“ verfüge und entsprechend viele Ausbildungsplätze anbiete, so Rabe, begannen zuletzt vor allem erheblich weniger junge Menschen aus den umliegenden Bundesländern eine Ausbildung bei uns: Im Jahr 2022 waren es 4.735, gegenüber 5812 im Jahr 2019 – ein Rückgang um 1.077 bzw. um 18,5 Prozent. Zwar ging auch die Zahl der Hamburger Ausbildungsanfänger zurück, aber deutlich geringer mit 3,6 Prozent von 7.827 im Jahr 2019 auf 7.546 im Jahr 2022.
Über die Ursachen des Rückgangs bei der Zahl der „Einpendler“ lasse sich nur spekulieren, sagte Rabe. Durch Corona habe sich die Arbeitswelt verändert; es sei eine größere Immobilität festzustellen, was sich womöglich auch im Ausbildungsmarkt zeige, sagte Sandra Garbade, Geschäftsführerin des Hamburger Instituts für Berufliche Bildung.
Die Hamburger Handelskammer meldet am Dienstag 1.176 freie Lehrstellen für 2023. "Dringend gesucht" sind demnach vor allem etwa angehende Kaufleute für Groß- und Außenhandelsmanagement, angehende Fluggerätmechaniker, Fachinformatiker und Elektroniker.
Rot-Grün müsse mehr Engagement für Ausbildungsberufe zeigen, sagte die CDU-Abgeordnete Birgit Stöver am Dienstag. "Insbesondere das Übergangsmanagement in Hamburg muss dringend verbessert werden, indem unter anderem Eltern besser informiert und stärker in die Berufsorientierung eingebunden werden." Zudem müsse das Ansehen von Ausbildungsberufen erhöht werden, etwa durch besseres Marketing und indem Studienabbrecher gemeinsam mit den Hamburger Hochschulen besser über die Möglichkeit einer dualen Ausbildung informiert werden, sagte Stöver.
Ähnlich äußerte sich die FDP-Abgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein. Sie forderte zudem, dass Hamburg als Ausbildungsstandort "gerade in den Nachbarbundesländern verstärkt beworben werden" sollte. "Die Perspektive einer guten Berufsausbildung sollten den Schülern nahegebracht und vermittelt werden."