Hamburg. Linken-Anfrage: Nur 16 Prozent der Schüler aus Flüchtlingsklassen wechseln aufs Gymnasium. Wie sie in Hamburg verteilt sind.
Aktuell werden mehr als 7160 Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine an Hamburger Schulen unterrichtet. Das hat die letzte Abfrage der Schulbehörde vor den Märzferien ergeben. Rund 4800 Kinder und Jugendliche lernen in den Basis- und Internationalen Vorbereitungsklassen (IVK), wo es vor allem um den deutschen Spracherwerb geht.
An den beruflichen Schulen wurden 763 junge Menschen aus der Ukraine aufgenommen. Weitere 1600 Kinder und Jugendliche nehmen gemeinsam mit allen anderen Schülerinnen und Schülern am Unterricht in den Regelklassen teil.
Grundsätzlich sieht die Schulorganisation vor, dass die Schülerinnen und Schüler der Basis- und IVK-Klassen nach einem Jahr in die Regelklassen der allgemeinbildenden Schulen aufgenommen werden. Das bedeutet, dass für die große Zahl ukrainischer Schüler, die seit Beginn des russischen Angriffskrieges vor einem Jahr nach Hamburg geflohen sind, in den kommenden Monaten der Übergang in das Regelsystem bevorsteht.
Schule Hamburg: Ungleiche Verteilung junger Geflüchteter auf die Stadtteile
Ein Großteil der älteren Schüler aus dem osteuropäischen Staat wird seine Schullaufbahn auf einer Stadtteilschule fortsetzen. Aktuell besuchen bereits 656 Jungen und Mädchen – 84 Prozent der Altersgruppe – nach dem Wechsel aus einer IVK-Klasse eine Stadtteilschule. Lediglich 122 ehemalige IVK-Schüler gehen auf ein Gymnasium (16 Prozent). Das hat eine Kleine Anfrage der Linken-Bürgerschaftsfraktionschefin und Schulpolitikerin Sabine Boeddinghaus ergeben.
Die Antwort des Senats auf die Parlamentsanfrage zeigt außerdem, dass die zugewanderten jungen Menschen ungleich auf die Stadtteile und Quartiere verteilt sind. Danach besuchen 74 Prozent der ehemaligen IVK-Schüler Regelklassen an Schulen, die in eher sozial belasteten Vierteln liegen (Sozialindex 1 bis 3), während nur 26 Prozent auf Schulen mit den höheren Sozialindexen 4 bis 6 gehen. Bezogen auf die Einwohnerzahl gehen überproportional viele geflüchtete Schülerinnen und Schüler auf eine Schule in den Bezirken Mitte, Harburg oder Bergedorf.
Die Stadtteilschulen erhielten zusätzliche Lehrkräfte
„Dieser krassen Ungleichheit muss die Schulbehörde sofort entgegenwirken. Integration ist eine Aufgabe aller Schulen, und ihre Umsetzung darf nicht die Zwei-Klassen-Spaltung im Schulsystem verschärfen“, sagte Boeddinghaus, die für nur eine einheitliche Schulform von Klasse fünf an eintritt.
Allerdings gibt es beim Übergang von Klasse sechs nach sieben eine Notenschwelle am Gymnasium. „Es ist gut, dass Hamburgs Gymnasien sehr viele Flüchtlingsklassen aufgenommen haben. Beim Übergang in die Regelklassen müssen allerdings viele Flüchtlingskinder von den Gymnasien an die Stadtteilschulen wechseln, weil sie den Leistungsanspruch des Gymnasiums nicht schaffen. Hier kann es für Flüchtlinge keine Sonderrechte geben“, sagte Schulsenator Ties Rabe (SPD) dem Abendblatt. Die Stadtteilschulen erhielten zusätzliche Lehrkräfte für die Aufnahme der ehemaligen IVK-Schüler in die Regelklassen.
Schülerzahl in den IVK-Klassen hat sich verdreifacht
Vor welche große Herausforderung die Geflüchteten aus der Ukraine das Schulsystem stellen, zeigt diese Zahl: Seit Beginn des Schuljahres 2021/22, als 1589 Schülerinnen und Schüler in Basis- und IVK-Klassen unterrichtet wurden, hat sich deren Zahl infolge des Ukrainekrieges verdreifacht. Selbst während der starken Flüchtlingszuwanderung in den Jahren 2015/16 lag die Zahl der IVK-Schüler mit 3200 bis 3500 Jungen und Mädchen deutlich darunter.
Eine weitere Boeddinghaus-Anfrage aus dem November 2022 hatte ergeben, dass damals 1355 Schülerinnen und Schüler Basis- und IVK-Klassen an Grundschulen besuchten. An den Stadtteilschulen wurden 1959 Schüler gezählt, an den Gymnasien waren es 1538, was einem Verteilungsverhältnis von 56 zu 44 Prozent entspricht. Eine Schule mit einem Sozialindex von 1 bis 3 besuchten 57 Prozent der IVK-Schüler, während 43 Prozent an Standorten mit den drei höherem Sozialindexen unterrichtet wurden.
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Schule Hamburg: Rabe kritisiert geringe Beteiligung von Privatschulen
Werden die Schulen in drei Gruppen gegliedert, ergibt sich folgendes Bild: Jeweils 29,3 Prozent der Geflüchteten werden in Schulen der sozial benachteiligten Gebiete (Sozialindex 1 und 2) und der wohlhabenderen Quartiere (Sozialindex 5 und 6) unterrichtet, während auf das mittlere Segment 41,4 Prozent der IVK-Schülerinnen und Schüler entfallen.
„Wir bemühen uns auch weiterhin um eine möglichst gleichmäßige Verteilung der Flüchtlingsklassen“, hatte Rabe Anfang Februar bei der Vorstellung der Schulstatistik gesagt. „Allerdings wohnen die Geflüchteten nicht gleichmäßig verteilt über die Stadt. Deswegen kann es sein, dass wir Schülerinnen und Schülern in den weiterführenden Schulen künftig einen längeren Schulweg als 2000 Meter zumuten müssen“, sagte der Schulsenator. Aus der Behörde hieß es, dass derzeit noch nicht absehbar sei, wie viele Schüler von einem längeren Schulweg betroffen seien, da der Übergang in die Regelklassen und die Schulorganisation der fünften Klassen noch bevorstehe.
Rabe hatte in dem Zusammenhang Anfang Februar kritisch angemerkt, dass sich nur eine Privatschule an dem Unterricht geflüchteter Kinder und Jugendlicher beteilige. Nach Angabe der Schulbehörde laufen derzeit „intensive Gespräche“ mit den Privatschulträgern zur Einrichtung von IVK- und Basisklassen, ohne dass es schon einen neuen Sachstand gebe.