Alsterdorf. Am Morgen nach dem Anschlag tummelten sich am Tatort Polizisten und Journalisten. Die Menschen, die hier wohnen, sind schockiert.
Der Morgen nach dem Amoklauf in Alsterdorf: Trotz eisiger Temperaturen ist es menschenvoll auf dem Bürgersteig der Deelböge zwischen Jet-Tankstelle und Königreichssaal der Zeugen Jehovas. Das Gros der Anwesenden sind Polizeibeamte und Journalisten. Einige von ihnen reisten gar aus Dänemark an. Rund ein Dutzend Kameras steht herum, gut beschirmt, damit die unablässig fallenden Schneeflocken der Technik nicht zu nahe kommen.
Liveschalten vor dem Gemeindehaus der Religionsgemeinschaft – mit flatternden Absperrbändern und einer Handvoll Kleinbusse der Polizei im Hintergrund – gibt es im Zehnminutentakt, und Fotografen halten fest, wie ein paar schwarz gekleidete Männer die Särge mit den Opfern der Bluttat aus dem Gebäude tragen und in Leichenwagen hieven.
Amoklauf Hamburg: Am Tatort tummeln sich morgens Medien und Polizei
Reporter eilen derweil die Gehwege auf und ab und potenziellen Anwohnern hinterher, um Statements zu erheischen. Manche irren gar durch die Nebenstraßen auf der Suche nach Menschen aus der Nachbarschaft, die sich zu den Geschehnissen der vergangenen Nacht äußern wollen. Nur wenige Passanten geben den teils unsensiblen Anfragen der TV-Journalisten nach, viele ziehen schnellen Schrittes ab – sie wissen die Situation auch nicht einzuschätzen und gefilmt werden wollen sie schon gar nicht.
Eine junge Mutter mit zwei Kindern, die in der direkten Nachbarschaft wohnt, erzählt, was sie von der Tat mitbekommen hat. Am Donnerstagabend, kurz nach dem schrecklichen Anschlag, hätten Polizeibeamte bei ihr geklingelt. Sie seien auf der Suche nach Zeugen gewesen. Ob die Anwohnerin etwas mitbekommen hätte von der Tat? „Ja, ich habe etwas gehört. Aber was, das will ich jetzt hier vor den Kindern nicht sagen“, meint sie.
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Zeugen Jehovas blieben laut Zeugin immer unter sich
Von der örtlichen Gemeinde der Zeugen Jehovas habe sie vorher nur wenig mitbekommen. Klar, der Schriftzug am sogenannten Königreichssaal mache deutlich, dass die Religionsgemeinschaft sich hier aufhält. Doch die Mitglieder seien dem Empfinden der jungen Mutter nach stets unter sich geblieben. Letzteres bestätigen einige weitere Personen aus der Nachbarschaft. Keine von ihnen kennt auch nur ein einziges Gemeindeglied.
Wen auch immer man fragt aus der Gegend rund um den Tatort: Sie alle haben schlecht geschlafen. Viele von ihnen hatten am Vorabend eine Warnmeldung auf ihr Smartphone geschickt bekommen, die ihnen nahelegte, das Haus nicht zu verlassen. Andere erfuhren aus den Nachrichten von dem Massaker oder wurden von Freunden und Familie kontaktiert und nach ihrem Wohlbefinden befragt. Zudem seien die Hubschrauber über der Nachbarschaft am Donnerstagabend nicht zu überhören gewesen, berichten Anwohner.
Blumen werden am Tatort abgelegt
Erst gegen Mittag leert sich der Bürgersteig in der Deelböge wieder etwas. Die Einsatzkräfte und viele der Journalisten steigen zurück in ihre Fahrzeuge, parken aus und ziehen ab. Stattdessen finden sich immer mehr Trauernde in Alsterdorf ein – erste Rosen- und Tulpensträuße, abgelegt vor dem Gemeindehaus, verkünden ihre Kondolenzen.