Hamburg. Jeder sechste Lehrer hat sich abgemeldet, die Leitungen richten sich an die Eltern. Diese Schulform ist am stärksten betroffen.

Corona, Grippe und schwere Erkältungskrankheiten: Viele Schulen in Hamburg melden wegen der Infektionswelle inzwischen landunter, weil der Krankenstand von Lehrern und Schülern so hoch ist. Zum Teil werden Klassen den ganzen Tag oder stundenweise nach Hause geschickt, weil der reguläre Unterricht nicht mehr aufrechterhalten werden kann.

E-Mails wie die folgenden bekommen derzeit viele Eltern mit schulpflichtigen Kindern. Wegen der Infektionswelle, die über die Stadt schwappt, herrscht auch an vielen Schulen personell mittlerweile landunter.

Schule Hamburg: Viele Kinder sollen zu Hause bleiben

„Liebe Eltern der Jahrgangsstufen 2,3,4, nun ist es so weit, wir können den laufenden Unterricht aufgrund von Personalmangel derzeit nicht entsprechend versorgen. Wir bitten Sie daher, … Ihr Kind morgen, Dienstag, den 13.12. 22, und Mittwoch, den 14.12.22, zu Hause zu lassen“, heißt es in der E-Mail der Schulleitung der Westerschule auf Finkenwerder. Für Familien, die ihre Kinder nicht tagsüber zu Hause betreuen können, wird eine Notbetreuung in der Schule organisiert.

„Da auch an unserer Schule zurzeit sehr viele Lehrkräfte erkrankt sind und nicht jeder Unterricht mehr vertreten werden kann, muss der Unterricht in der Klasse 7e in der 1./2. Stunde am Mittwoch leider ausnahmsweise ausfallen“, heißt es in der E-Mail eines Gymnasiums im Westen an die Eltern.

Schule: In Hamburg sind 3335 Lehrerinnen und Lehrer krank

Wie dramatisch die Lage insgesamt ist, zeigt die Übersicht, die in der Schulbehörde auf der Basis der einlaufenden Krankmeldungen der einzelnen Schulen wöchentlich erstellt wird. Danach sind derzeit exakt 3335 Lehrerinnen und Lehrer an staatlichen Schulen erkrankt – das sind 16,3 Prozent aller Lehrkräfte.

Üblich ist nach Angaben der Behörde zu dieser Jahreszeit eine Krankenquote von zehn bis zwölf Prozent. Aktuell fallen also rund 50 Prozent mehr Pädagogen aus als im langjährigen Durchschnitt. Der Befund ist umso bedrohlicher, als die Krankenquote von 16,3 Prozent bereits in der zweiten aufeinanderfolgenden Woche erreicht wird.

Am stärksten sind die Sonderschulen von der Infektionswelle betroffen: Hier fallen aktuell 19,7 Prozent der Lehrkräfte aus – jeder fünfte und jede fünfte. Ähnlich hoch ist die Krankenquote mit 18,3 Prozent an den Stadtteilschulen – der mit 6312 Lehrkräften personell gesehen größten Schulform. An den Grundschulen sind aktuell 17,7 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer erkrankt, an den Gymnasien 13,2 Prozent und an den berufsbildenden Schulen 12,5 Prozent.

Vertretungen an Schulen reichen nicht mehr aus

Grundsätzlich organisieren die Schulen eigenständig den Vertretungsunterricht, wenn Kolleginnen oder Kollegen erkrankt sind oder aus anderen Gründen ausfallen. Zumindest rechnerisch hat jede Schule eine Personalreserve von vier Prozent. Weitere vier Prozent ergeben sich daraus, dass jeder Lehrer eine Vertretungsstunde pro Woche geben muss. Zusätzlich verfügen alle Schulen über ein gesondertes Budget, mit dem unter anderem Ver­tretungslehrer – etwa pensionierte Kollegen – befristet beschäftigt werden können.

Angesichts eines durchschnittlichen Krankenstands von 16,3 Prozent – und an einigen Schulen folglich erheblich höher –, noch dazu über einen längeren Zeitraum, reichen die beschriebenen Wege häufig nicht aus. In der Regel wird dann als Erstes auf Doppelbesetzungen im Unterricht verzichtet, wenn es sie denn an einer Schule gibt.

In einem weiteren Schritt können die Klassen, deren Lehrer erkrankt sind, geteilt und auf andere Klassen verteilt werden. Erst wenn die Kapazitäten auch dafür nicht mehr ausreichen, können ganze Klassen nach Hause geschickt werden. Dieser sehr weitreichende Schritt muss von den Schulleitungen mit der jeweiligen Schulaufsicht abgestimmt werden.

Schüler von 20 Klassen in Hamburg müssen zu Hause bleiben

Nach Angaben der Schulbehörde müssen derzeit die Kinder von bis zu 20 Klassen den ganzen Tag oder stundenweise zu Hause bleiben. Das sind 0,2 Prozent der 8500 Schulklassen. Auch in diesen Fällen soll für eine Notbetreuung in der Schule für diejenigen Kinder gesorgt werden, deren Eltern sich nicht um sie kümmern können.

Verbreiteter ist offensichtlich eine weitere Variante, bei der die Schulleitungen die Eltern bitten, gewissermaßen freiwillig ihr Kind zu Hause zu lassen. In einer E-Mail an die Eltern der Grundschule Döhrnstraße in Lokstedt wird darauf hingewiesen, dass „eine befürchtete Zuspitzung“ des Krankenstandes nun eingetreten sei. Zuletzt hätten sich sogar 25 Prozent des Kollegiums abgemeldet.

„Das ist ein Bereich, ab dem die Aufrechterhaltung des Unterrichts an Grenzen stößt“, schreibt das Schulleitungsteam. Die Aufteilung mehrerer Klassen auf andere sei „unvermeidbar“. Dann folgt eine Bitte: „Ist die Klassenlehrerin Ihres Kindes krank und Sie haben die Möglichkeit, Ihr Kind selbst zu betreuen, wäre dieses sehr hilfreich und würde die Situation vor Ort deutlich entspannen.“

Schüler, die infolge Personalmangels nach Hause geschickt werden, erhalten in der Regel Arbeitsaufträge, die sie am Tablet oder Laptop erledigen müssen. Ein typisches Homeschooling, wie es zu Zeiten des coronabedingten Lockdowns üblich war, gibt es jedoch nicht, weil die Lehrerinnen und Lehrer fehlen, die den Videounterricht geben könnten.