Hamburg. Sie nehmen das Islamische Zentrum Hamburg in Schutz – und sprechen von einer “gravierenden Diffamierung“ der Blauen Moschee.
Der unter großem politischen Druck erfolgte Austritt des Islamischen Zentrums Hamburg (IZH) aus dem Rat der Islamischen Gemeinden Hamburg (Schura) schlägt neue Wellen. Als Reaktion darauf erklären nun fünf weitere Schiitsche Gemeinden der Stadt ihren Rückzug. Sie begründeten den Schritt mit angeblich "unfairer Berichterstattung" sowie der Forderung des Bundestags nach einer Schließung des IZH und der Blauen Moschee.
"Das IZH und damit verbunden die Imam-Ali-Moschee ist das Herz vieler Schiiten in der gesamten Bundesrepublik und in vielen Teilen Europas", ließen die Gemeinden am späten Freitagabend in einer gemeinsamen Mitteilung verlauten. "Unsere geliebte Moschee als ein 'Spionagenest', 'Terrorhaus“ oder 'extremistische Einrichtung' zu bezeichnen, stellt eine gravierende Diffamierung des wichtigsten europäischen Gotteshauses der Schiiten dar." Eine Schließung käme einem Einschnitt in die freie Religionsausübung gleich.
Unterzeichnet ist die Austrittserklärung von Vertretern der Islamischen Gemeinschaft, der Libanesischen kulturellen Wohlfahrtsgemeinschaft, des Vereins Afghanischer Muslime “Belal”, der Islamischen Akademie Deutschland und der Interkulturellen Dienste Kirchdorf.
IZH-Austritt: Schiitische Gemeinden verlassen die Schura
Die Hamburger Politik habe nie ein ernstgemeintes Gesprächsangebot in die Richtung der restlichen Schiiten gesendet, kritisieren sie weiter. "In den letzten Jahren der medialen Hetze gegen das IZH, des politischen Drucks und trotz zig Anschlägen auf ein Gotteshaus, wurde der Kontakt nicht nur mit dem IZH gemieden, sondern auch mit uns." Inzwischen wird das islamische Gotteshaus an der Alster intensiver von der Polizei bewacht.
Im vergangenen Jahr hatte der Hamburger Verfassungsschutz brisante Vorwürfe gegen das IZH dargelegt und die Blaue Moschee an der Alster als "Außenposten Teherans" in Europa bezeichnet. Das IZH werde direkt durch das islamistische Regime in Irans Hauptstadt gesteuert, erklärte der Verfassungsschutz im Sommer 2021. Zudem gebe es Verbindungen zur „Terrororganisation Hizb Allah“ (Hisbollah). Das IZH wird deshalb als extremistisch eingestuft und seit Jahren geheimdienstlich beobachtet.
Der ohnehin schon große politische Druck auf die Schura im Umgang mit dem IZH erreichte somit neue Dimensionen – auch, weil die Staatsverträge mit den muslimischen Verbänden insgesamt infrage gestellt wurden. Diese regeln die Anerkennung islamischer Feiertage und den gemeinsamen Religionsunterricht. Sie betonen außerdem die im Grundgesetz verankerten Werte. Bisher war das IZH als Teil der Schura also auch mittelbarer Vertragspartner der Stadt.
Schiitische Gemeinden nehmen das IZH in Schutz
Nachdem der Bundestag eine Schließung des IZH gefordert hatte, kam die Einrichtung mit ihrem Schura-Austritt wohl einem Ausschluss zuvor. Diesen Vorgang kritisieren die Schiitischen Gemeinden in Hamburg erneut – und nehmen das IZH explizit in Schutz.
"Das Zentrum an der Außenalster ist seit über sechs Jahrzehnten ein Wahrzeichen vieler Muslime in Deutschland, eine Stätte der muslimischen Einheit und hat auf vielen Gebieten die Schura positiv mitgeprägt und unterstützt", teilten die Schiitischen Gemeinden mit. Dennoch trete das IZH nun selbst zurück, um "seinen Geschwistern innerhalb der Schura den Druck abzunehmen und sie vor einem historischen Fehler zu bewahren".
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"Angesichts dieser Umstände sind wir nach längerer Beratung zu dem wehmütigen und dennoch erforderlichen Entschluss gekommen, aus der Schura auszutreten", erklärten die Schiitischen Gemeinden. Man fühle sich institutionell nicht mehr vertreten, zudem sei die "anfängliche Vielfalt" durch mehrere Austritte verblasst.
"Wir möchten trotz alledem bekräftigen, dass alle Muslime, ob innerhalb oder außerhalb der Schura, unsere Geschwister sind und wir uns auf unsere weiterhin geschwisterliche Zusammenarbeit freuen und hoffentlich noch ausweiten können. Wir wünschen der Schura und ihren Mitgliedern alles Gute."
Gwosdz: "Bedauerlich, dass die Gemeinden diesen Beschluss treffen"
„Es ist bedauerlich, dass die Gemeinden diesen Beschluss treffen und damit die Einheit zwischen Schiit*innen und Sunnit*innen in der Schura endet“, sagte Michael Gwosdz, religionspolitischer Sprecher der Grünenfraktion.
Die Weiterentwicklung der Verträge und das Einbeziehen der Perspektiven aller Gemeinden sei den Grünen grundsätzlich ein sehr wichtiges Anliegen, weshalb man seit Jahren mit verschiedenen Vertretern der Vertragspartner intensive Gespräche führe.
Auch die SPD-Fraktion bedauert die Entscheidung
Auch die SPD-Fraktion bedauert die Entscheidung: „Wir haben in den vergangenen Jahren immer wieder unsere kritische Haltung gegenüber dem IZH und seinen engen Beziehungen zum Regime im Iran deutlich gemacht. Wir haben dabei immer betont, dass es uns ausdrücklich um das IZH und die dort handelnden Personen geht und niemals um die Schiiten als Gesamtheit“, sagte der religionspolitische Sprecher Ekkehard Wysocki. Der Rückzug geschehe aus „falsch gemeinter Solidarität mit dem IZH“.
„Dass in Folge des Austritts des Islamischen Zentrum Hamburg nun fünf weitere schiitische Gemeinden die Schura in Hamburg verlassen haben, zeigt deren innere Zerrissenheit“, kommentierte Dennis Thering, Vorsitzender der CDU-Fraktion, den Vorgang. „Die Staatsverträge mit den muslimischen Verbänden haben offensichtlich auch nach zehn Jahren nicht dazu beigetragen, ein gemeinsames Miteinander auf Basis unseres Wertefundaments zu organisieren.“
AfD: Die Fakten sind erschreckender als bislang angenommen
AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann: „Nun treten die wahren Verhältnisse innerhalb der islamischen Gemeinschaften ans Tageslicht. Die Fakten sind erschreckender als bislang angenommen. Wer sich mit dem IZH solidarisiert und damit auch nachweislich terroristische Verbindungen toleriert, der hat in der Schura nichts zu suchen. Bestehen auch bei diesen Gemeinde Sympathien oder Verstrickungen zur Terrororganisation Hisbollah? Bei den Sicherheitsbehörden müssen nun alle Alarmglocken schrillen und diese Gemeinschaften unter die Lupe nehmen."
Der Verdacht liege nahe, dass auch diese fünf Gemeinden nicht auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen. Islamistische und terroristische Gefahren müssen frühzeitig erkannt und unterbunden werden.