Hamburg. Trotz Corona und massiver Mängel haben Gesundheitsämter Hygieneprüfungen zeitweise eingestellt – mit einer Ausnahme.
Es war der Bürgermeister selbst, der die Hamburgerinnen und Hamburger zu Beginn der Corona-Pandemie aufklärte, was jetzt zu tun ist: „Händewaschen und Abstand halten“, sagte Peter Tschentscher (SPD) im März 2020, das seien jetzt die wichtigsten Punkte. Später kam noch die Maskenpflicht in vielen Bereichen hinzu. Die Botschaft, die der gelernte Mediziner Tschentscher und andere offizielle Stellen fortwährend sendeten: Wenn ein ansteckendes Virus grassiert, ist Hygiene besonders wichtig.
Umso überraschender sind die Daten, die der Senat jetzt auf eine Kleine Anfrage des CDU-Bürgerschaftsabgeordneten André Trepoll herausgab: Demnach sind die staatlichen Hygienekontrollen in Krankenhäusern, Kitas und Pflegeheimen seit 2020 massiv heruntergefahren, teilweise sogar ganz ausgesetzt worden.
Hygiene-Kontrollen: 2020 nur noch 96 in Hamburg
Ausweislich der Senatsantwort haben die dafür zuständigen Gesundheitsämter der Bezirke im Jahr 2018 noch insgesamt 558 Kontrollen durchgeführt, darunter 140 in Krankenhäusern, 307 in Kindertagesstätten und 111 in Pflegeheimen. 2019 wurde das Niveau mit 541 Kontrollen annähernd gehalten. Im Jahr 2020 brach es jedoch auf weniger als ein Fünftel ein: Ganze 96 Besuche statteten die Hygieneexperten den Einrichtungen noch ab: 58 in Kitas, 26 in Pflegeheimen und zwölf in Krankenhäusern.
2021 wurden immerhin 272 Hygienekontrollen durchgeführt, was aber immer noch nur der Hälfte des Vor-Corona-Niveaus entsprach. Auch 2022 (bislang 153 Kontrollen) wird das frühere Intervall bei weitem nicht erreicht.
„Die geringe Anzahl der Prüfungen in Einrichtungen im Jahr 2020 resultiert daraus, dass die Regelprüfungen coronabedingt zeitweise ausgesetzt waren“, schreibt der Senat, ohne das näher zu erläutern. Hatten die Hygieneexperten Sorge, sich selbst anzustecken? Oder hatten sie schlicht zu viele andere Aufgaben? Dies dürfte die wahrscheinlichere Erklärung sein, denn bekanntermaßen waren die Gesundheitsämter seit Corona-Ausbruch massiv in die Kontaktnachverfolgung eingebunden.
Sechs Bezirke stellen Kontrollen fast vollständig ein
Aus noch einem Grund machen die Angaben stutzig. Denn während sechs von sieben Bezirken die Hygienekontrollen in Kitas im Jahr 2020 nahezu vollständig eingestellt haben, schaffte der Bezirk Hamburg-Nord immerhin noch 56 Inspektionen. 2021 gab es in Nord sogar 91 Kontrollen in Kitas, in allen anderen sechs Bezirken zusammen dagegen nur zwei.
Ähnlich sah es bei den Krankenhäusern aus: Während in Nord 2020 und 2021 insgesamt 32 Hygieneprüfungen in Kliniken stattfanden, waren es im Rest der Stadt ganze zehn. Dass mit dem UKE das größte Krankenhaus der Stadt in Nord liegt, kann diese Unwucht nicht allein erklären, denn auch fast alle anderen Bezirke haben große Kliniken. Und Kitas sind gleichmäßig über die Stadt verteilt.
Woher diese Diskrepanz kommt, ist auch für Nord-Bezirksamtsleiter Michael Werner-Boelz (Grüne) ein Rätsel. Aber mit Blick auf sein Gesundheitsamt sagt er: „Meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind sehr engagiert und versuchen, der hohen Zahl an Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen gerecht zu werden.“
Personalmangel in Gesundheitsämtern
Völlig im Gegensatz dazu steht die personelle Ausstattung der Gesundheitsämter: Denn die ist in Hamburg-Nord am schlechtesten. Von acht Stellen im Bereich Hygiene sind nur 3,3 besetzt. Auch in Hamburg-Mitte (7,9 von 10,5), Altona (5,3 von 7,6), Harburg (8,9 von 9,5), Bergedorf (10,8 von 11,6) und Wandsbek (19,0 von 19,8) gibt es Vakanzen.
Lediglich Eimsbüttel ist mit 12,4 Vollzeitkräften minimal überbesetzt. Für alle Gesundheitsämter gilt: Im Rahmen des von Bund und Ländern als Reaktion auf die Pandemie beschlossenen „Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst“ sind massiv Stellen aufgebaut worden. Laut Senat soll das fortgesetzt werden.
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Wie nötig das ist, zeigen die festgestellten Mängel, die in der Senatsantwort aufgelistet sind: So wurden in einem Altonaer Krankenhaus 2018 „signifikante Mängel an der Trinkwasserinstallation“, eine „defekte OP-Tischauflage“, „fehlende Spender für Händedesinfektionsmittel im Einleitungsraum Anästhesie“ sowie eine „Feuchtschaden mit Schimmelbildung“ an der Decke im Personal-WC bemängelt. Für eine Altonaer Kita notierten die Prüfer ebenfalls 2018: „Seifenspender fehlen auf der Personaltoilette“.
Diverse Hygienemängel in Kliniken und Kitas
Hygieneexperten des Bezirksamts Eimsbüttel listeten 2020 für ein Krankenhaus auf: „Diverse bauliche Mängel an Wänden, Fußböden, Fliesen, Mobiliar, Rammschutz.“ Zwei Jahre später bemängelten sie nach einer Klinik-Überprüfung: „Unsachgemäße Entsorgung von Blutentnahmesets“. Bergedorfer Prüfer notierten 2018 nach einer Kita-Kontrolle: „An den Wickelplätzen wurden keine Einmalunterlagen verwendet.“
Und zu einer Hygienekontrolle eines Krankenhauses im Bezirk Harburg schreibt der Senat: „Festgestellt wurden diverse Hygienemängel (eine detaillierte Aufzählung ist aus Platzgründen an dieser Stelle nicht möglich)“.
Für Andre Trepoll ein Unding: „Jedes Jahr sterben in Deutschland Tausende Patienten in Krankenhäusern an den Folgen einer Sepsis. Umso wichtiger ist es, dass Hygienevorschriften insbesondere in Einrichtungen, in denen sich ältere oder kranke Menschen aufhalten, auch eingehalten werden“, so der Bezirksexperte der CDU-Fraktion. „Die vor allem in den Jahren 2018 und 2019 festgestellten Mängel sind teils gravierend, und umso alarmierender und gefährlicher ist es, dass seit 2020 kaum noch entsprechende Kontrollen stattgefunden haben.“
Trepoll(CDU): "Der Senat muss hier dringend handeln"
Dabei wäre es gerade in Zeiten, in denen ein ansteckendes Corona-Virus grassiert, wichtig gewesen, solche Kontrollen durchzuführen, so Trepoll, der fordert: „Der Senat muss hier dringend handeln und dafür sorgen, dass die vakanten Stellen in diesen Bereichen an allen Bezirksämtern umgehend nachbesetzt und die Überprüfungen endlich wieder regelmäßig durchgeführt werden.“