Hamburg. CDU-Fraktionsvorsitzender macht den Weg frei für Marcus Weinberg. Er sieht seine Zukunft dennoch in Hamburg.

André Trepoll, seit 2015 Fraktionsvorsitzender der CDU in der Bürgerschaft, hat sich entschieden. Der 41 Jahre alte Christdemokrat erklärt im Gespräch mit dem Abendblatt erstmals, dass er nicht als Spitzenkandidat seiner Partei für die Bürgerschaftswahl am 23. Februar 2020 antreten wird. Trepoll, aktuell der profilierteste Kopf der Hamburger Union, war immer wieder als Herausforderer von Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) gehandelt worden. Mit seinem Verzicht macht der Unions-Fraktionschef wohl endgültig den Weg für die Spitzenkandidatur des Altonaer CDU-Bundestagsabgeordneten Marcus Weinberg frei.

Hamburger Abendblatt: Herr Trepoll, Sie haben sich entschieden, nicht als Spitzenkandidat für die Bürgerschaftswahl anzutreten. Warum?

André Trepoll: Es sind zwei Gründe: Der erste ist persönlich und betrifft meine familiäre Situation. Ich habe zwei kleine Kinder, die noch nicht schulpflichtig sind. Meine Frau ist auch berufstätig, und wir führen eine moderne Ehe. Das heißt, wir organisieren das Familien­leben gemeinsam. Eine Spitzenkandidatur würde für uns als Familie enorme Einschränkungen mit sich bringen.

Und der zweite Grund?

Der andere Grund ist politischer Natur: Es war immer klar, dass es meine Aufgabe ist, die CDU in Hamburg wieder zur streitbaren und gestalterischen Kraft zu entwickeln. Das war keine einfache Herausforderung bei einem so übermächtigen Gegenpart wie Olaf Scholz. Da liegt es ein wenig in der Natur der Sache, dass man als Oppositionsführer nicht immer nur in die persönliche Sympathiekasse einzahlt, sondern harte Auseinandersetzungen führen muss, wie zum Beispiel bei der Aufarbeitung der G-20-Ereignisse. Bei der Kandidatensuche war es für Parteichef Roland Heintze und mich daher auch nicht von Nachteil, dass potenzielle Kandidaten nicht direkt aus der Hamburger Tagespolitik kommen.

Dahinter steht ja: Die Menschen mögen diejenigen, die für Streit und Polarisierung in der Politik sorgen, nicht so gerne. Ist das dann ein sehr hoher Preis, den Sie zahlen müssen?

Ja, aber mir war von vornherein bewusst, dass das bei der Beurteilung meiner Person durchaus eine Rolle spielen kann.

Ist Ihnen die Entscheidung schwergefallen?

Der Abwägungsprozess hat ein bisschen länger gedauert, das stimmt schon. Nachdem Aygül Özkan, die wir als Spitzenkandidatin vorschlagen wollten, aus bekannten Gründen leider absagen musste, habe ich mir die Frage, ob ich antreten soll, natürlich erneut gestellt. Es bleibt dabei: Grundsätzlich traue ich mir das zu. Politik macht mir Spaß, und ich übernehme gern Verantwortung. Ich war überrascht und gleichzeitig auch stolz, dass mir meine Fraktionsmitglieder im Alter von nur 37 Jahren die Führungsaufgabe als Fraktionsvorsitzender anvertraut haben.

Andererseits bin ich lange genug im politischen Geschäft, um die Mechanismen zu kennen, deswegen war es am Ende eine konsequente Entscheidung, mit der ich gut leben kann. Im Übrigen: Ich bleibe ja Fraktionsvorsitzender, und die Arbeit geht ja jetzt, je näher die Bürgerschaftswahl rückt, erst richtig los.

Sie sind derzeit der wohl profilierteste Hamburger CDU-Politiker, andererseits müssen Sie auch die schlechten Umfragewerte von 15 bis 17 Prozent mitverantworten. Ist das auch ein Grund?

Von Umfragen habe ich mich nie verrückt machen lassen. Angst ist nicht mein ständiger Begleiter in der Politik. Im Übrigen: Für uns ist bis zur Bürgerschaftswahl noch eine Menge zu holen. Rot-Grün hat laut der letzten Umfrage nur eine knappe Mehrheit von drei Prozentpunkten. Wenn die Opposition die wegknabbert, sind alle Optionen offen.

Viele in der CDU wollten, dass Sie als Spitzenkandidat antreten. Die enttäuschen Sie jetzt.

Ein Stück weit ist das so. Ich habe mich aber in die Verantwortung genommen und trage mit dazu bei, dass wir einen guten Kandidatenvorschlag machen.

Der lautet: Marcus Weinberg, Altonaer CDU-Bundestagsabgeordneter und früherer Landesvorsitzender.

Wir werden es so machen, wie wir es vor einem halben Jahr gesagt haben: Roland Heintze und ich werden zunächst den Landesvorstand über unseren Vorschlag informieren, das wird in den nächsten Tagen der Fall sein. Und dann wird natürlich auch die Öffentlichkeit informiert werden.

Es heißt aus Ihrer Partei immer wieder, dass der Mann oder die Frau an der Spitze anschlussfähig sein muss in Richtung Grüne. Nur so habe die CDU angesichts der schlechten Umfragewerte überhaupt eine Machtperspektive.

Das spielt natürlich eine Rolle, weil ohne Machtperspektive ein Wahlkampf für uns als Union schwieriger wird. Ich finde allerdings die Vorwürfe mancher Grünen in unsere Richtung, wir würden uns von grüner Politik zu sehr abgrenzen, etwas merkwürdig. In der Opposition machen wir CDU pur, das ist doch klar. Ich sehe auch nicht, dass wir uns bei den Grünen besonders anbiedern sollten. Ganz im Gegenteil.

Und was ist mit der SPD? Gibt es mit den Sozialdemokraten nicht sogar mehr Übereinstimmungen?

Geht es um die Herausforderungen der kommenden Jahre, dann ist leider bereits absehbar, dass es eine stärkere konjunkturelle Eintrübung geben wird. Hamburg muss sich daher wieder stärker um die Themen Wirtschaft, Arbeitsplätze und damit auch um die Grundlage unseres sozialen Friedens kümmern. Ich persönlich glaube, dass das mit den Sozialdemokraten einfacher für uns zu lösen wäre als mit den Grünen. Auch bei Themen wie der inneren Sicherheit sind die Schnittmengen mit der SPD sicherlich größer.

Ist es ein Irrweg für die CDU, den Grünen hinterherzulaufen?

Ich glaube, dass wir das nicht nötig haben. Die CDU ist und bleibt Volkspartei der Mitte. Wir werden auf keinen Fall das machen, was Bürgermeister Peter Tschentscher jetzt macht: beim Klimaschutz die Grünen noch überholen zu wollen. Wenn die SPD den Platz in der politischen Mitte räumt, kann uns das nur recht sein.

Es muss im Wahlkampf eine vernünftige Auseinandersetzung um die Zukunftsthemen Hamburgs geben. Das bedeutet aber nicht, dass man hinterher nicht auch vernünftige Kompromisse finden kann. Das gilt auch für eine mögliche Zusammenarbeit mit den Grünen. Was in Baden-Württemberg geht, was in Hessen geht, das ist grundsätzlich auch in Hamburg möglich. Es ist mehr politische Strategie der Grünen, uns in eine Schublade stecken zu wollen, als dass das Substanz hätte.

Es gab den einen bösen Satz der Grünen-Spitzenkandidatin Katharina Fegebank, die mit Blick auf ein mögliches Jamaika-Bündnis über Sie gesagt hat: „Ich finde in André Trepoll dafür keinen geeigneten Gesprächspartner.“ Dahinter steht ja die Einschätzung, die CDU-Fraktion habe sich unter Ihrer Führung weg von alten schwarz-grünen Positionen nach rechts bewegt. Ist das völlig falsch?

Das ist falsch. Die CDU hat gerade jetzt, wo es Konkurrenz am rechten Rand gibt, die grundsätzliche Aufgabe, klare bürgerliche Positionen zu vertreten. Das war zum Beispiel so auch nach den schlimmen Krawallen bei G 20 mit Hunderten verletzten Polizeibeamten. Wir fordern klare Konsequenzen gegen Extremisten. Das hat nichts damit zu tun, in irgend­eine Richtung zu rücken.

Hat Sie die Einschätzung von Katharina Fegebank­ getroffen?

Das ist eben Teil einer politischen Strategie. Wir haben persönlich ein gutes Verhältnis, aber wir sind halt auch unterschiedliche Menschen. Ich bin nicht der Typ, der sich mit seinen Kindern vor die Senatslaube setzt und sich fotografieren lässt, wie sie es kürzlich gemacht hat. Ich verurteile das nicht, aber mein Stil ist das nicht.

Was heißt Ihr Verzicht für die Überlegung, zum längeren Weg zum Abitur am Gymnasium (G9) zurückzukehren? Sie haben die Diskussion darüber in der CDU angestoßen.

Meine Position ist klar: Das ist ein Angebot, das die CDU den Hamburgerinnen und Hamburgern machen sollte. Für mich ist das eine qualitative Stärkung des Hamburger Bildungssystems. Ich habe viel Unterstützung dafür bekommen. Deswegen ist mein Ratschlag an meine Partei, diesen Wunsch der Hamburger nach mehr Zeit für Bildung nicht zu ignorieren. Aber letztlich wird das bei der Diskussion zu unserem Wahlprogramm entschieden.

Sind Sie für eine flächendeckende Rückkehr aller Gymnasien zu G 9?

Wenn man das macht, dann sollte man das mit einem klaren Kompass machen, kein Wischiwaschi. Dass die flächen­deckende Umstellung funktioniert, sehen wir in Schleswig-Holstein, wo es zum Teil eine mit Hamburg vergleich­bare Schulstruktur gibt. Und da ist der hier unterstellte Run auf die Gymnasien ausgeblieben. Es hat nur minimale Verschiebungen gegeben.

Ist der Verzicht auf die Spitzenkandidatur eigentlich eine endgültige Entscheidung?

Für die kommende Bürgerschaftswahl ist die Entscheidung endgültig.

Sie schließen also nicht mit Ihrer politischen Karriere ab?

Das auf keinen Fall. Ich habe mittlerweile eine Menge Erfahrung gesammelt und möchte meiner Partei weiterhin helfen.

Wie geht es nach der Bürgerschaftswahl mit Ihnen weiter?

Das muss man mal abwarten. Ich gehöre zu den jüngeren profilierten Köpfen der Hamburger CDU und werde mich weiter einbringen.

Zieht es Sie in den Bundestag?

Ich habe den Mitgliedern meines Ortsverbands Neugraben/Süderelbe gesagt, dass ich im Wahlkreis wieder für die nächste Bürgerschaftswahl kandidieren möchte. Das ist sehr zustimmend aufgenommen worden. Ich sehe meine politische Tätigkeit weiterhin in der Landespolitik.