Hamburg. Mit dem bundesweit einmaligen Pilotprojekt „Elf zu null“ wollen Hamburgs Museen zur Klimaneutralität beitragen. Die Maßnahmen.
Die Kulturstätten stehen vor herausfordernden Zeiten. Wieder mal. Nachdem Corona nun schon im dritten Jahr Spiel- und Ausstellungspläne durcheinanderwirbelt, Ensembles auseinandergepflückt und Besucher den Sälen fernbleiben, kommt nun die nächste Krise, die es zu bewältigen gilt. Gestiegene Energiepreise, Inflation, gedrückte Stimmung, Zukunftsangst.
Von „existenzieller Bedrohung“ sprach als erstes die ELBG, die Betriebsgesellschaft von Elbphilharmonie und Laeiszhalle. Doch betroffen sind natürlich alle Spielstätten. Konzerthäuser und Theater versuchen nun, an allen Ecken und Enden Strom zu sparen und Gegenmaßnahmen zu entwickeln, wobei jeder „seine eigene Suppe kocht“.
Energiekrise: So reagieren Hamburgs Museen
Museen gelten als Vordenker und Innovationstreiber, und so verwundert es kaum, dass dort schon länger ein „grünes Bewusstsein“ herrscht – schon vor Monaten hatte Deichtorhallen-Intendant Dirk Luckow über energie- und materialeffizientes Kuratieren philosophiert, hatte Tulga Beyerle vom Museum für Kunst und Gewerbe im Interview prognostiziert, man werde sich künftig an der Einhaltung von Klimazielen statt an Besucherzahlen messen lassen.
Wie schon zu Pandemiezeiten, als Hans-Jörg Czech, Vorstand der Stiftung Historische Museen Hamburg, sich und seine Kollegen mit einheitlichen Hygiene- und Abstandsregelungen durch die Krise manövrierte und so dafür sorgte, dass die Ausstellungen weiter laufen konnten, haben sich die Direktorinnen und Direktoren der Museen und Ausstellungshäuser nun erneut zusammengetan und gemeinsam ein Programm zu Nachhaltigkeit und Betriebsökologie aufgelegt.
In zwei Schritten werden Maßnahmen für die Museen erarbeitet
Mit dem bundesweit einmaligen Pilotprojekt „Elf zu null“ wollen Altonaer Museum, Archäologisches Museum Hamburg und Stadtmuseum Harburg, Bucerius Kunst Forum, Deichtorhallen, Deutsches Hafenmuseum, Hamburger Kunsthalle, die KZ-Gedenkstätte Neuengamme, Museum am Rothenbaum – Kulturen und Künste der Welt (MARKK), Museum der Arbeit, Museum für Hamburgische Geschichte sowie Museum für Kunst und Gewerbe (MK&G) einen konkreten Beitrag auf dem gesamtgesellschaftlichen Weg zur Klimaneutralität leisten.
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Alexander Stockinger, kaufmännischer Geschäftsführer des MK&G, ist bei der konzertierten Initiative federführend. „Jetzt geht es ums Handeln! Auch wir wollen unseren gesellschaftlichen Beitrag zu einer lebenswerten Zukunft leisten. Dass in diesem Projekt alle Häuser und die zuständige Behörde vom ersten Moment an engagiert an einem Strang ziehen, erfüllt mich mit Freude und Zuversicht. Die Herausforderungen der Klimakrise sind groß genug. Wenn wir sie als Museen wie auch als Gesellschaft geschlossen und unverzüglich anpacken, können wir sie bewältigen.“
Zusammen mit Kultursenator Carsten Brosda stellte er die wesentlichen Maßnahmen und Ziele bei der Landespressekonferenz im Rathaus vor. Die Kooperation mit dem bundesweiten Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit in Kultur und Medien sieht zwei Prozessphasen vor: Im ersten Schritt, der mit der Bekanntgabe startet, kommen Vertreterinnen und Vertreter der Häuser zusammen, um gemeinsam mit Expertinnen und Experten als Datengrundlage CO2-Bilanzen für die teilnehmenden Häuser zu erstellen.
Krieg und Energiekrise bringen zusätzliche Dynamik in die Sache
Im nächsten Schritt startet dann bereits im September die Weiterbildung von 20 Personen zu Transformationsmanagerinnen und -managern, um das Thema Nachhaltigkeit in den musealen Alltag zu integrieren. Ziel des kollektiven Projekts ist es, die Nachhaltigkeitstransformation in den Museen konsequent und langfristig voranzubringen.
Es gehe darum, „Kompetenzen und Kapazitäten für diese große Aufgabe bei den Akteurinnen und Akteuren aufzubauen“, sagt Jacob Sylvester Bilabel, Gründer und Geschäftsleiter des Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit in Kultur und Medien. „Der datenbasierte Blick auf die eigenen CO2-Emissionen und die Ursachen dafür schafft Transparenz und ermöglicht so einen strategischen Umgang mit steigenden Energiekosten.“
Dass nun beides – die ehrgeizigen Klimaziele des Senats und die zur Bewältigung der Energiekrise notwendigen Maßnahmen – zusammenfallen, erinnert an die im Zeitraffer vollzogene Digitalisierung in vielen Lebens- und Arbeitsbereichen, die durch Corona befeuert wurde. Es scheint, dass erst durch handfeste Krisen Schwung in die Sache kommt.
Kultur kann Vorbild sein für die ganze Stadtgesellschaft
Das sieht auch Carsten Brosda: „Die Klimakrise ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Seit Jahrzehnten ist bekannt, dass der Umgang mit den endlichen Ressourcen unseres Planeten nachhaltiger werden muss. Einiges ist geschehen, viel ist noch zu tun. Die Kultur kann Vorbild sein. Im Rahmen der Sanierung unserer Kulturimmobilien konnten wir in den letzten Jahren bereits zahlreiche Einsparmöglichkeiten umsetzen. Der russische Krieg gegen die Ukraine verschärft den ohnehin bestehenden Handlungsdruck. Wir wollen und wir werden den Energieverbrauch reduzieren und CO2 einsparen.“
Dabei gehe es nicht nur darum, „sich selber auf den Weg zu machen, sondern auch andere mitzunehmen“. „Als offene und lebendige Orte werden die konkreten Ideen der Museen, Ausstellungshäuser und Gedenkstätten sicherlich auch für mehr Nachhaltigkeit in die Stadtgesellschaft hineinwirken.“