Hamburg. UKE und Hamburg Wasser wollen die Gewässer besser vor Schadstoffen aus Medikamentenresten schützen. Das ist geplant.
Das Wasser, das aus der Leitung kommt, wenn wir uns morgens die Zähne putzen oder den ersten Kaffee zubereiten, hat einen langen Weg hinter sich – und wird ihn auch wieder zurücklegen, nachdem es den Abfluss heruntergesickert ist. Über die Kanalisation gelangen am Tag bis zu einer Million Kubikmeter Abwasser in die Anlagen des Hamburger Klärwerks. Dort wird es in einem mehrstufigen Prozess gereinigt und anschließend in die Elbe geleitet. Aber: Obwohl die Klärwerke auf dem Stand der Technik sind, bleiben auch nach der Aufbereitung Schadstoffreste zurück, vor allem Mikroplastik, Keime und Arzneimittelrückstände. „Medikamentenspuren und andere Mikroschadstoffe belasten bereits heute unsere Gewässer“, sagt Ingo Hannemann, Geschäftsführer von Hamburg Wasser.
Hamburg Wasser und UKE wollen Krankenhaus-Abwasser erforschen
Welche Folgen das für Mensch und Umwelt hat, ist aus Sicht der Forschung noch unklar. Fest steht: Die Schadstoffbelastung wird künftig weiter steigen. „Das Thema wird drängender, da der Arzneimittelverbrauch in unserer alternden Gesellschaft Studien zufolge in den nächsten 20 Jahren um bis zu 70 Prozent zunehmen wird“, erklärt Hannemann. Demzufolge steige auch die Konzentration der Medikamentenrückstände in den Gewässern, die durch Ausscheidung oder unsachgemäße Entsorgung im Abwasser landen.
Viele Arzneimittelrückständeim Abwasser von Kliniken
Besonders viele Rückstände von Arzneimitteln und potenziell gefährliche Krankheitserreger finden sich im Abwasser von Kliniken und Krankenhäusern. Ein Hamburger Forschungsprojekt setzt nun genau dort an: Das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) und Hamburg Wasser untersuchen gemeinsam mit der Hochschule für angewandte Wissenschaften (HAW) Möglichkeiten, die Abwasseraufbereitung zu optimieren – und somit die Konzentration von Mikroschadstoffen in Gewässern nachhaltig zu senken. Das UKE verbraucht mit seinen jährlich 90.000 stationären und 360.000 ambulanten Patienten, seinen 14.000 Beschäftigten und 3500 Studierenden pro Jahr rund 343 Millionen Liter.
Auf dem Gelände des UKE steht eine besondere Forschungsanlage, die eigens für das Projekt entwickelt und vor Ort installiert wurde: „Der Forschungscontainer bildet die biologischen Reinigungsstufen des Klärwerks Hamburg im Miniaturformat nach“, erklärt Joachim Prölß, UKE-Vorstand. Am Freitag wurde das „Miniatur-Klärwerk“ in Betrieb genommen, mit dem Forschenden nun untersucht, wie sich zusätzliche Maßnahmen auf die Klärung des Abwassers auswirken können. Der Standort direkt am UKE ist dabei aus Sicht der Forschung besonders von Vorteil: „Im Gegensatz zum Abwasser, das an der Kläranlage ankommt, ist das Krankenhauswasser nicht durch Regenwasser oder anderes niedrig belastetes Wasser verdünnt. Zudem enthält es eine höhere Konzentration von sogenannten prioritären Stoffen wie zum Beispiel Medikamentenresten“, sagt Prölß.
Ein Teil des Klinikabwassers gelangt direkt in den Container, wo es wie im Hamburger Klärwerk aufbereitet wird. Anschließend können vor Ort weitere Reinigungsverfahren sowohl einzeln als auch in Kombination miteinander erprobt werden. Dazu gehören die Filtration des Wassers mittels spezieller Membranen, die Bindung und Filtration der Schadstoffe durch Aktivkohle sowie die Umwandlung und Entfernung potenziell gefährlicher Stoffe durch Oxidation.
Medikamentenrückstände und multiresistente Krankheitserreger
Im Laufe des Projekts können Wissenschaftler der HAW und des Instituts für Hygiene und Umwelt (HU) an verschiedenen Stellen Proben aus dem Versuchscontainer entnehmen und analysieren. „Mit dem neuen Forschungscontainer werden bereits heute Methoden und Verfahren erprobt, wie wir morgen die nachhaltige Trinkwasserversorgung in Hamburg sicherstellen können“, sagt Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank und lobt die gelungene Zusammenarbeit von Wissenschaft und öffentlichen Unternehmen.
Das UKE konzentriert sich bei den Untersuchungen neben den Medikamentenrückständen vor allem auf multiresistente Krankheitserreger im Abwasser: Welche Erreger landen überhaupt in der Kanalisation und wie viele werden im Laufe des Reinigungsverfahrens herausgefiltert? Die HAW forscht im Auftrag von Hamburg Wasser vorrangig im Bereich der Verfahrenstechnik: Wie kann zum Beispiel das bei der Filtration anfallende Konzentrat an Schadstoffen behandelt werden, um es unschädlich zu machen?
Das Projekt soll zunächst bis Ende 2023 laufen
Hamburg-Wasser-Geschäftsführer Hannemann betont bei all der Freude um das Projekt auch, dass das Schadstoffproblem dennoch in erster Linie an der Wurzel, nicht an der „Endstation“, angepackt werden müsse: „Wir wollen nicht der Reparaturbetrieb der Nation sein.“ Die Optimierung der Klärwerke verlange hohe Investitionen und sorge in der Regel zusätzlich für steigende Betriebskosten. Letztendlich liege es an den Medikamentenherstellern, ihre Produkte umweltfreundlicher zu gestalten, und am Gesetzgeber, Auflagen zu machen und eine Lösung zu finden, die alle – von der Industrie über das Gesundheitswesen bis zum Verbraucher – einschließt.
Das Projekt soll zunächst bis Ende 2023 laufen. Eine mögliche Verlängerung um ein Jahr, um weitere Maßnahmen zu untersuchen, ist bereits im Gespräch.