Hamburg. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz müsse am Freitag im PUA in Hamburg endlich „reinen Tisch machen“, so Gerhard Schick.

Einen Tag vor der mit Spannung erwarteten Aussage von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) in Hamburg zur Affäre um die "Cum-Ex"-Geschäfte der Warburg-Bank fordert die Bürgerbewegung Finanzwende in der Angelegenheit den Rücktritt von Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD). Die Einflussnahme des damaligen Finanzsenators auf das Steuerverfahren sei klar belegt, sagte Finanzwende-Vorstand Gerhard Schick am Donnerstag in einem Video-Pressegespräch.

Allein die Tatsache, dass Tschentscher im Sommer 2016 ein an ihn gerichtetes Schreiben des Warburg-Mitinhabers Christian Olearius mit der Bemerkung an die Steuerverwaltung weitergeleitet habe, er bitte um Informationen zum Sachstand, belege dies und zeige, dass der Finanzsenator den Fall „an sich gezogen habe“, so Schick.

Cum-Ex-Skandal – "Tschentscher hätte eingreifen müssen"

Normalerweise gebe es eine „Brandmauer“ zwischen der politisch geführten Behördenleitung und dem Finanzamt, so Schick: „Mit der Bitte um Informationen ist genau diese Brandmauer durchbrochen worden, Peter Tschentscher selbst hat sie durchbrochen.“ Er verwies dabei auch auf den früheren Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU), der kürzlich im PUA dargestellt habe, dass es absolut ungewöhnlich sei, dass sich ein Senator in einen Steuerfall einschalte. Auch für ihn sei die kurze Anmerkung Tschentschers auf dem Schriftstück „ein eindeutiges Signal“, sagte Schick.

Dass die Hamburger Steuerverwaltung 2017 eine weitere Forderung gegen Warburg über 43 Millionen Euro verjähren lassen wollte und sich zunächst sogar gegen eine Anweisung des Bundesfinanzministeriums, das Geld einzuziehen, gewehrt hatte, könne nach seiner Überzeugung ebenfalls nicht ohne Rückendeckung des Senators geschehen sein, so Schick. Tschentscher hätte damals eingreifen und dafür sorgen müssen, dass die Weisung befolgt wird.

Schick legte 2018 Mandat nieder und gründete den Verein Finanzwende

Als Widerspruch zu seiner Haltung, dass die Politik sich niemals in Steuerverfahren einmischen dürfe, sehe er das nicht, so Schick auf Nachfrage. Wenn der Senator schon eingreife, müsse er das auch dafür sorgen, dass die richtigen Entscheidungen getroffen werden. Das Geld nicht zurückzufordern, sei aber eine falsche Entscheidung gewesen.

Pikant: Der 50-Jährige aus Baden-Württemberg ist Mitglied der Grünen, saß für die Partei 15 Jahre lang im Bundestag und hat sich dort bundesweit einen Namen als Finanzexperte gemacht, unter anderem als Mitglied im damaligen Cum-Ex-Untersuchungsausschuss. 2018 hatte Schick sein Mandat niedergelegt und den Verein Finanzwende gegründet, der sich – auch als Reaktion auf den Cum-Ex-Skandal – für eine „nachhaltige Finanzwirtschaft“ einsetzt.

Schick fordert Hamburger Grüne auf, sich der Situation zu stellen

Auf die Frage, wie sich die Hamburger Grünen als Koalitionspartner der SPD verhalten sollten, sagte Schick: Seine Rücktrittsforderung an Tschentscher sei auch eine Aufforderung an die Hamburger Grünen, sich der Situation zu stellen. Zuvor hatte Schick seine Parteifreunde bereits schriftlich aufgefordert, „dass ohne freiwilligen Rückzug Tschentschers die Grünen die Zusammenarbeit aufkündigen müssten“.

Jenny Jasberg, Vorsitzende der Grünen Bürgerschaftsfraktion, lehnt das ab: „Wir regieren in Hamburg mit der SPD sehr gut und professionell zusammen“, sagte sie dem Abendblatt. „In der aktuellen politisch wie gesellschaftlich schwierigen Lage ist es aus unserer Sicht unverantwortlich, eine gut funktionierende Regierung auf Basis von Vermutungen in Frage zu stellen. Vorverurteilungen sind ebenso abzulehnen wie unprofessionelle Rücktrittsforderungen.“ Ihre Fraktion habe aber „ein Interesse daran, dass die im Raum stehenden Vorwürfe lückenlos aufgeklärt werden“. Sie empfehle, den Untersuchungsausschuss und die Ermittler in Ruhe ihre Arbeit machen zu lassen.

Mithilfe von Cum-Ex-Geschäften hatten sich Finanzinstitute Steuern erstatten lassen, die sie nie gezahlt hatten. Bundesweit beträgt der Schaden für den Fiskus mindestens zehn Milliarden Euro, so Schick. Der Hamburger PUA untersucht, warum die Finanzbehörden 2016 darauf verzichtet hatten, rund 47 Millionen Euro an Steuern von Warburg zurückzufordern und ob die Politik darauf Einfluss genommen hat.

Bundeskanzler Scholz sagt am Freitag zum zweiten Mal im PUA aus

Sowohl Scholz als auch Tschentscher bestreiten, dass sie in ihren damaligen Funktionen als Bürgermeister und Finanzsenator Einfluss auf das Verfahren genommen haben. Tschentscher hatte bei seiner Vernehmung im Mai ausgesagt, dass es die „Strategie“ gewesen sei, die strafrechtlichen Ermittlungen gegen die Bank abzuwarten und das Geld dann gegebenenfalls auf diesem Wege zurückzuholen. So ist es auch gekommen: Nach einem Urteil des Landgerichts Bonn musste Warburg sämtliche Forderungen begleichen.

Mit Blick auf Scholz‘ zweite Aussage im PUA am Freitag forderte Schick vom Bundeskanzler mehr Transparenz: „Wir sehen klare Belege, dass es eine erfolgreiche Einflussnahme durch reiche Banker auf die Politik gab. In anderen Ländern nennen wir so etwas Oligarchie. Es geht hier also um die Grundfeste unseres Rechtstaats.“ Dass Scholz sich nicht an drei Treffen mit Olearius genau im betreffenden Zeitraum 2016/2017 erinnere, glaube er ihm nicht: „Die Erinnerungslücken nehme ich ihm nicht ab. Olaf Scholz muss jetzt reinen Tisch machen, am besten gleich morgen im Untersuchungsausschuss.“