Hamburg. Trotz höherer Steuereinnahmen ist der neue Etat von großer Unsicherheit geprägt. Doch es gibt auch positive Überraschungen.
Das hat es auch noch nicht gegeben: Seit Jahrzehnten ist es Tradition, dass sich der Hamburger Senat vor dem Beschluss eines neuen Haushalts drei Tage in Folge zu Beratungen trifft, und naturgemäß ist dabei der jeweilige Finanzsenator eine ganz zentrale Figur.
Doch als die Spitzen der rot-grünen Koalition am Dienstag zur Eröffnung ihrer Haushaltsberatungen im Rathaus zusammenkamen, blieb ausgerechnet der Platz von Andreas Dressel (SPD) leer: Wie berichtet, hat sich der Finanzsenator mit Corona infiziert und musste daheim in Volksdorf bleiben.
Senat Hamburg berät über Haushalt – „schwierige Jahre“
Doch Dressel ließ es sich trotz Schnupfens und Hustens nicht nehmen, wenigstens virtuell dabei zu sein. Und so erklärte er den gut 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Runde über zwei große Flachbildschirme im Kaisersaal zunächst, wie die finanzielle Lage der Stadt ist. „Unsere Aufgabe ist es, in schwierigen Zeiten einen Haushalt aufzustellen, der die Handlungsfähigkeit der Stadt sichert und die Grundfunktionen für die Bürgerinnen und Bürgern gewährleistet“, teilte Dressel später auf Abendblatt-Anfrage mit – und so ähnlich dürfte er es auch auf Senatsebene gesagt haben. „Wir wollen und müssen die Corona-Notlage hinter uns lassen und Vorsorge treffen für weitere Auswirkungen des Ukraine-Krieges. Das werden weiter sehr schwierige Jahre.“
Wobei ein Hauptproblem ist, dass die Lage von einem entschiedenen Sowohl-als-auch geprägt ist. So konnte Dressel zwar kürzlich im Rahmen der Mai-Steuerschätzung verkünden, dass die Stadt bis 2026 insgesamt knapp vier Milliarden Euro mehr an Steuern einnehmen könnte als noch im November vorhergesagt. Doch selbst wenn das so kommen sollte – was der Finanzsenator für äußerst unsicher hält –, wären die Einnahmen immer noch unterdurchschnittlich niedrig.
18 Milliarden Euro Ausgaben – Behörden sollen sparen
Denn seit dem Regierungswechsel 2011 stellt der Senat Haushalte nicht mehr auf Basis von Steuerschätzungen auf, sondern er betrachtet die tatsächlichen Einnahmen der vergangenen 14 Jahre und schreibt diese Linie in die Zukunft fort – dieser „Steuertrend“ ist die Basis für die Etatplanung. Nach Abendblatt-Informationen plant der Senat daher für 2023 mit Ausgaben von gut 18 Milliarden Euro, nach 17,7 in diesem Jahr. 2024 steigt der „Gesamtaufwand“ noch einmal leicht, sodass der Doppelhaushalt ein Volumen von insgesamt rund 36,5 Milliarden Euro hat.
Das Problem: Für die kommenden Jahre klafft zwischen den prognostizierten Einnahmen und dem Trendwert eine stetig größer werdende Lücke: Sie wächst von 63 Millionen Euro im Jahr 2023 auf mehr als eine Milliarde Euro 2026. Und diese Lücke muss gefüllt werden, über Kredite oder über Sparmaßnahmen. Echte Kürzungen sind dabei kaum geplant, bei Kitas, Schulen, Polizei oder Justiz wird nicht gespart – das meint Dressel, wenn er von den „Grundfunktionen“ spricht, die nicht angetastet würden.
Gleichzeitig sind aber alle Behörden aufgefordert, pauschal drei Prozent ihres Etats nicht auszugeben – wie sie diese „globalen Minderkosten“ erbringen, ist ihre Sache und dürfte noch spannend werden. Ein gängiges Mittel ist es, Projekte zeitlich zu verschieben oder in abgespeckter Form umzusetzen.
Ukraine-Krieg und Corona bringen Unsicherheit
Für Unsicherheit sorgen vor allem der russische Angriff auf die Ukraine sowie die Corona-Pandemie. Beide lassen weltweit Lieferketten stocken und bringen ganze Wirtschaftszweige ins Wanken. Die Folgen für eine international ausgerichtete Handelsstadt wie Hamburg sind unabsehbar. Hinzu kommen neue Steuergesetze des Bundes, die noch gar nicht beschlossen sind, aber Hamburg mehr als 600 Millionen Euro kosten werden. Nicht zuletzt haben sich die 40.000 Hamburger Beamten mit ihrer Forderung nach „amtsangemessener Alimentation“ teilweise durchgesetzt, was die Stadt einmalig mindestens 230 Millionen Euro kostet.
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Doch es gibt auch positive Überraschungen. So wird die Reederei Hapag-Lloyd, an der Hamburg mit 13,9 Prozent beteiligt ist, der Stadt für 2021 eine Dividende von mehr als 800 Millionen Euro überweisen, und für 2022 sieht es ähnlich gut aus. Auch die Kredite für mehr als 250 Schiffe, die Hamburg und Schleswig-Holstein 2016 ihrer kriselnden HSH Nordbank abgenommen hatten, spülten kürzlich unerwartet einen dreistelligen Millionengewinn in die Kasse.
Daher gibt es auch Stimmen, die zumindest punktuell mehr Geld ausgeben möchten. Wie berichtet, hatte etwa Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) kürzlich zusätzliche Mittel gefordert, um den Bürgern angesichts steigender Energiekosten besser helfen zu können. „Das ist gelungen. Wir haben 14 Millionen mehr bekommen“, sagte Kerstan am Dienstag vor Beginn der Beratungen. „Die Situation im Haushalt ist schwierig – vor dem Hintergrund bin ich zufrieden.“
Senat Hamburg: Sitzung endet früher als erwartet
Auch die Bezirke sollen künftig deutlich mehr Geld bekommen, da ihre Mittel vor allem wegen der steigenden Anforderungen beim Wohnungsbau und bei der Corona-Bekämpfung zuletzt hinten und vorne nicht ausreichten. Großen Streit gab es um diese und andere Themen am Dienstag kaum. Die bis 19 Uhr angesetzten Beratungen waren schon am späten Nachmittag beendet. Am Donnerstag will Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) den Etatentwurf vorstellen – der Finanzsenator wird dann wohl wieder höchstens virtuell dabei sein.