Hamburg. Ankläger sagt vor Untersuchungsausschuss aus. Dabei hilft er Kanzler Olaf Scholz und Bürgermeister Peter Tschentscher.
Konnten oder mussten die Hamburger Finanzbehörden im Jahr 2016 davon ausgehen, dass die Warburg-Bank illegale Cum-ex-Geschäfte getätigt hatte? Und dass das Finanzamt daher berechtigt gewesen wäre, rund 47 Millionen Euro an erstatteten Kapitalertragsteuern zurückzufordern?
Nach Darstellung des Kölner Oberstaatsanwalts Alexander Fuchs konnten sie das nicht – jedenfalls nicht sicher. Er sei zwar auch damals schon der Meinung gewesen, dass Cum-ex-Deals illegal seien und dass es im Fall Warburg einen Anfangsverdacht gab, sagte Fuchs am Freitag im Parlamentarischen Untersuchungsschuss (PUA) der Bürgerschaft zu den Cum-ex-Geschäften.
Aber aus seiner Sicht sei der Sachverhalt nicht „ausermittelt“ gewesen. Dass die Hamburger Finanzbehörden, die das Geld zunächst zurückzufordern wollten, im Herbst 2016 schließlich doch darauf verzichtet hatten, damit sei er „absolut d’accord“ gewesen, so Fuchs.
Cum-Ex: Hätte Hamburg das Geld zurückfordern müssen?
Bei diesen Geschäften hatten Banken und andere Finanzakteure Aktienpakete rund um den Dividendenstichtag hin- und hergeschoben und sich Kapitalertragsteuern mehrfach erstatten lassen. Der Schaden für den Fiskus ging in die Milliarden. Die Staatsanwaltschaft Köln ermittelt bundesweit federführend bei dem Thema, 2016 und 2017 hatte Fuchs die Ermittlungen geleitet. Seitdem hat sich seine Kollegin Anne Brorhilker als Kämpferin gegen den Steuerraub profiliert.
Während Brorhilker im PUA klar die Auffassung vertreten hatte, dass die Hamburger Finanzbehörden das Geld von Warburg hätte zurückfordern können, bestätigte Staatsanwalt Fuchs die Haltung der zuständigen Finanzbeamtin Daniela P. Mit dieser habe er sich oft abgestimmt, sagte Fuchs.
Sein Ziel sei gewesen, dass beide Behörden den gleichen Sachverhalt zugrunde legen – das Finanzamt für die steuerliche und die Staatsanwaltschaft für die strafrechtliche Bewertung. Man habe damals auch „nicht nichts“ gehabt, sondern durchaus Indizien für illegale Geschäfte – etwa unüblich hohe Provisionen für Berater. Daher hätte man auch eine Rückforderung der Steuern begründen können, so Fuchs.
Cum-Ex: Warburg Bank musste sämtliche Steuern erstatten
Aber aus seiner Sicht und auch aus Sicht des Finanzamtes habe einiges dafür gesprochen, den Ausgang der strafrechtlichen Ermittlungen abzuwarten – denn im Falle einer Verurteilung hätte das Geld ohnehin eingezogen werden können. So war es am Ende auch gekommen: Der Bundesgerichtshof hat Cum-ex-Geschäfte höchstrichterlich als strafbar eingestuft, und Warburg hat sämtliche Steuern samt Zinsen erstattet.
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Mitarbeiter aus Finanzamt und Finanzbehörde hatten im PUA ihre Entscheidung unter anderem damit begründet, dass der Sachverhalt nicht klar gewesen sei, dass man es nicht auf einen unsicheren Rechtsstreit mit der Bank, der nach eigener Aussage die Insolvenz gedroht hatte, ankommen lassen wollte und dass das Geld ja auch auf dem strafrechtlichen Weg zurückgeholt werden konnte.
Fuchs hat diese Sichtweise noch ergänzt: Ihm sei es durchaus recht gewesen, dass es nicht auf Basis eines nicht ausermittelten Sachverhalts in Hamburg zu einem Verfahren vor dem Finanzgericht kam – denn im Falle einer Niederlage hätte ihm das die strafrechtliche Ermittlung erschweren können.
Cum-Ex: Fuchs entlastet Scholz und Tschentscher
Mit seiner Aussage hat Fuchs auch Bundeskanzler Olaf Scholz und Bürgermeister Peter Tschentscher (beide SPD) entlastet. Denn der PUA untersucht im Kern, inwiefern die Politiker in ihrer Zeit als Bürgermeister (Scholz) und Finanzsenator (Tschentscher) Einfluss auf das Steuerverfahren Warburg genommen haben. Beide bestreiten das.
Dass ihre Behörden seinerzeit die Rückendeckung der Staatsanwaltschaft hatten, unterstützt ihre Haltung. Dennoch hatte der bekannte Hamburger Anwalt Gerhard Strate kürzlich Strafanzeige gegen beide Politiker wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung gestellt. Auf Nachfrage hieß es, die Staatsanwaltschaft prüfe noch, ob sie Anlass für Ermittlungen sieht.