Hamburg. Wie jeder Neubau in Hamburg künftig ausgestattet werden muss. Wohnungsverband hält Regelung für rechtswidrig.
Umweltsenator Jens Kerstan ist offenbar zufrieden mit seinem neuen Klimaschutzgesetz und der dazu gehörigen Klimaschutzverordnung. Die Anfang des Jahres in Kraft getretenen Regelungen zur Solardachpflicht und zu Heizungen seien „ein großer Schritt für den Klimaschutz, die Energie- und Wärmewende“, sagte der Grünen-Politiker am Montag bei einem Gespräch mit Experten und Journalisten zur neuen Verordnung. Hamburg sei hier „in manchen Punkten Vorreiter bundesweit“, deswegen werde genau hingesehen, was nun in der Stadt passiere.
Die neuen Regeln sehen im wesentlichen zwei große Änderungen für Hausbesitzer vor: neue Vorschriften beim Neueinbau oder Austausch von Heizungsanlagen ab Mitte 2021 – und eine Solardachpflicht für Neubauten ab 2023 und ältere Gebäude ab 2025 im Falle einer Dacherneuerung.
Vom 1. Juli 2021 muss demnach beim Heizungstausch ein Mindestanteil des Wärmeenergiebedarfs aus erneuerbaren Energien gedeckt werden. Diese Regelung gilt für alle Gebäude, die vor 2009 gebaut wurden, weil in diesem Jahr laut Behörde das „Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) in Kraft trat, dass Nutzung erneuerbaren Energien bei Neubauten bereits vorsah.
Was Hamburger beim Austausch der Heizungsanlage beachten müssen
Künftig muss „bei Austausch oder nachträglichem Einbau einer Heizungsanlage in Gebäuden“ ein „Mindestpflichtanteil“ von 15 Prozent aus erneuerbaren Energie bezogen werden. Erfüllt werden kann diese Pflicht durch unterschiedliche Maßnahmen, etwa den Anschluss an ein Wärmenetz, Nutzung von Erdwärme oder Biomasse, einen baulichen Wärmeschutz, einen Sanierungsfahrplan oder eine Quartierslösung.
Der Nachweis muss binnen 18 Monaten nach Inbetriebnahme der Heizung erbracht werden. Das von Kerstan zunächst angestrebte vollständige Verbot neuer Ölheizungen ab 2022 wurde durch eine liberalere und auch für Hamburg bindende Bundesgesetzgebung gekippt. Dessen Gebäudeenergiegesetz sieht vor, dass ab 2026 Ölheizungen nur noch in Mischsystemen eingebaut werden dürfen.
Solardachpflicht in Hamburg: Welche Ausnahmen gelten
Vorreiter ist Hamburg derweil laut Kerstan weiterhin bei der Solardachpflicht. Vom 1. Januar 2023 gilt in Hamburg nun eine Pflicht zum Einbau von Photovoltaik-Anlagen für alle Neubauten. Von 2025 an müssen auch „Bestandsbauten bei vollständiger Erneuerung der Dachhaut“ mit Solaranlagen ausgestattet werden. Ausnahmen von Verpflichtung gibt es nur für den Fall, dass der Einbau technisch nicht möglich, gefährlich oder wirtschaftlich nicht vertretbar ist.
Laut Senat ist die Installation einer Photovoltaik-Anlage wirtschaftlich vertretbar, wenn sie sich binnen 20 Jahren amortisiert. Nach Aussagen des für die Umweltbehörde tätigen Gutachters Gerhard Stryi-Hipp beträgt die Amortisationszeit „für alle untersuchten Fälle für alle Ausrichtungen bei geringer Verschattung weniger als 20 Jahre“.
Ausnahmen gibt es auch, wenn Hausbesitzern steuerliche Nachteile entstehen. Ausgenommen sind spezielle Dächer (Reet, Stroh oder Holz) oder Häuser, in denen es keine plane Dachfläche gibt. Insgesamt rechnet der Gutachter bei Neubauten mit nur rund fünf Prozent Ausnahmen. Insgesamt kalkuliert er mit jährlich 1800 neuen Anlagen auf Neubauten in Hamburg und rund 5000 auf Bestandsgebäuden, deren Dächer erneuert werden. Bis 2030 sollen die Anlagen insgesamt 203 Megawatt erbringen.
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Solardachpflicht: Steigen die Wohnkosten in Hamburg?
Der Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW) übte am Montag Kritik an der Regelung. „Wir haben erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Hamburgischen Klimaschutz Umsetzungspflichtverordnung. Wir halten eine Prüfung für erforderlich, ob Hamburg in dieser Frage eine Gesetzgebungskompetenz überhaupt hat“, sagte VNW-Direktor Andreas Breitner. „Es ist aus unserer Sicht ein massiver Eingriff in das Eigentumsrecht, wenn Anlagen auf den Dächern zur Pflicht werden. Die Unternehmen werden de facto enteignet.“
Es sei falsch, eine grundsätzliche Pflicht einzuführen, ohne jeweils zu prüfen, „ob das im Quartier sinnvoll ist oder es andere, effizientere und kostengünstigere Klimaschutzmaßnahmen gibt.“ Die vom Senat beschlossene Rechtsverordnung bedeute „für Hunderttausende Mieterinnen und Mieter höhere Wohnnebenkosten und sorgt bei Energieunternehmen für klingelnde Kassen“.
Umweltsenator Kerstan räumte am Montag ein, dass Vermieter die Kosten zwar auf Mieter umlegen könnten. „Die Mieter können aber durch geringere Stromrechnung profitieren“, so Kerstan. „Wir gehen nicht davon aus, dass es einen großen Druck auf die Mieten gibt.“