Hamburg. 450 Millionen Euro sind dafür im Doppelhaushalt eingeplant. Weitere Schwerpunkte: Verkehrsinfrastruktur, Digitalisierung und Schulbau.

Im Vorfeld wurde hart gerungen, doch nun ist klar: Der rot-grüne Senat will mit dem Doppelhaushalt 2021 /2022 seine Anstrengungen beim Klimaschutz massiv ausweiten. Rund 450 Millionen Euro – 227 Millionen pro Jahr – seien für Maßnahmen aus dem Klimaplan der Stadt vorgesehen, teilte Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) am Mittwoch mit und betonte: „Trotz Corona – der Klimaschutz bleibt für Hamburg und den Senat ein Schwerpunkt.“

Bürgermeister Peter Tschentscher und Finanzsenator Andreas Dressel (beide SPD) sprachen bei der Vorstellung des Haushaltsentwurfs sogar von mehr als einer Milliarde, die in den kommenden beiden Jahren für Klimaschutz und „klimagerechte Mobilität“ ausgegeben werden sollten. Der Unterschied ergibt sich vor allem daraus, dass die Sozialdemokraten auch die Zuführung zum Sondervermögen Schnellbahnausbau, eine Art Sparbuch vor allem für die künftige U 5, in Höhe von mehr als 550 Millionen Euro mitrechneten.

Umweltbehörde: künftig 36 Millionen Euro Etat

Kerstan ließ diese Summe in seiner Rechnung hingegen unberücksichtigt, da die U 5 wohl nicht vor 2030 in Betrieb gehen wird. Um wie viel die Klimaschutz-Ausgaben exakt gesteigert werden, konnte am Mittwoch zwar nicht beantwortet werden. Doch einig war man sich auf Senatsebene, dass die Steigerung enorm ist. Mindestens 50 Millionen Euro pro Jahr kämen on top.

So hat Kerstan künftig 36 Millionen Euro direkt im Etat seiner Behörde zur Verfügung – eine Versechsfachung der Mittel. Hinzu komme eine neue „Investitionsreserve“ bei der Finanzbehörde in Höhe von 14 Millionen Euro. Weitere 177 Millionen Euro würden jährlich in Klimaplanprojekte anderer Fachbehörden fließen, etwa Landstromanlagen für Schiffe im Hafen, den Radwegeausbau oder für den öffentlichen Nahverkehr.

Wie berichtet, hatte das Thema vergangenen Monat für heftigen Zwist im rot-grünen Senat gesorgt. Auf Druck der Grünen, die Sorge hatten, dass die Aus­finanzierung der Klimaplanmaßnahmen angesichts der Corona-Krise zu kurz kommen könnte, hatte es Ende September eine Art vorgezogene Haushaltsklausur gegeben. Danach zeigten sich beide Seiten einig in der Bedeutung des Themas. Tschentscher und Dressel betonten am Mittwoch erneut, dass aus ihrer Sicht der Klimaschutz nie zur Debatte gestanden habe. Er habe „sehr genau darauf geachtet“, dass hier ein Schwerpunkt gesetzt werde, sagte der Bürgermeister.

Investiert wird in Infrastruktur, Digitalisierung und Schulbau

Weitere Schwerpunkte seien Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur, die Digitalisierung und der Schulbau. Die Stärkung der Kindertagesbetreuung und der Wissenschaft werde fortgesetzt. Grundsätzlich sei der Senat bei der Haushaltsplanung „davon ausgegangen, dass die Krise nicht sehr bald beendet sein wird“, so Tschentscher. Es sei im Etat berücksichtigt, dass das Thema Hamburg noch einige Jahre begleiten werde. Der Finanzsenator betonte, dass sich die Corona-Situation im Laufe der Haushaltsaufstellung noch einmal „zugespitzt“ habe. So ist im Zuge der September-Steuerschätzung der vermutliche Steuerausfall bis 2024 noch einmal angewachsen, auf nunmehr mit fast fünf Milliarden Euro.

Und die Krise sei mitnichten beendet, so Dressel: „Sie dauert länger, ist härter und tiefgreifender.“ Dabei gelte weiterhin, dass der Senat nicht gegen die Krise ansparen wolle. Gleichwohl behalte man die Haushaltskonsolidierung im Blick und an der Schuldenbremse fest. Die Corona-Notkredite müssten von 2025 an getilgt werden. Und von 2022 an müssten die Behörden rund 250 Millionen Euro im Jahr einsparen. Wie und wo, hat der Senat noch nicht festgelegt. Der Haushalt wird Ende des Jahres in die Bürgerschaft eingebracht und vermutlich erst Mitte 2021 verabschiedet. In der Zwischenzeit gilt eine „vorläufige Haushaltsführung“ – die die Bürgerschaft dem Senat aber erst noch genehmigen muss.

Hochschulen mit ihrem Etat unzufrieden

Inwiefern die Wissenschaft mit diesem Etat wirklich gestärkt wird, sorgte umgehend für Streit. Die Landeshochschulkonferenz (LHK) Hamburg zeigte sich mit den Steigerungsraten für die Hochschulen unzufrieden. „Ein leistungsfähiges Wissenschafts- und Innovationssystem und gut ausgebildete Fachkräfte sind für Hamburgs Zukunft essentiell. Dies kann jedoch mit den vorliegenden Hochschulvereinbarungen für die Jahre 2021–2027 nicht erreicht werden“, teilte der LHK-Vorsitzende und Präsident der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW Hamburg), Professor Micha Teuscher, im Namen der Hochschulpräsidenten mit.

Den Hochschulen sei zwar bewusst, dass die aus der Pandemie resultierenden finanzpolitischen Herausforderungen enorm sind. Aber der zugesagte Ausgleich von Tarif- und Besoldungssteigerungen sowie Inflation in Höhe von insgesamt bis 1,5 Prozent reiche „bei Weitem nicht aus“, so die LHK. Um „eine Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit in Studium und Lehre genauso wie in Forschung und Transfer zu vermeiden“, sei angesichts fast aufgebrauchter Rücklagen auch „die Kompensation essenzieller Finanzdefizite dringend erforderlich“, so die LHK. Konkret sei „ein Ausgleich des strukturellen Defizits der Jahre 2016 bis 2020“ nötig, so Teuscher.

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Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) nannte auf Abendblatt-Anfrage hingegen ganz andere Zahlen und kam auch zu einer anderen Bewertung: „Wir haben in schwierigen Zeiten mit erwarteten Steuermindereinnahmen ein sehr gutes Ergebnis für die Finanzierung der Hochschulen in den Doppelhaushalt einbringen können. Gerade deshalb sind wir sehr froh, die Hochschulen sieben Jahre lang mit höheren Steigerungsraten – von mehr als drei Prozent jährlich – auf dem Wachstumspfad zu begleiten.“ Für die Zeit von 2021 bis 2027 sollten die Hochschulen kumuliert 750 Millionen Euro zusätzlich erhalten, sagte Fegebank. Ihr Anliegen sei es, mit den Hochschulen „rasch“ entsprechende Vereinbarungen abzuschließen.

Die Reaktionen aus Politik und Gesellschaft

Thilo Kleibauer (CDU): „Vor wenigen Monaten hat Rot-Grün erst noch einen Finanzierungsvorbehalt für den gesamten Koalitionsvertrag beschlossen. Davon ist jetzt keine Rede mehr. Offenbar sollen zahlreiche längerfristige Projekte und Ausgabewünsche jetzt mit den Notkrediten finanziert werden, deren Einsatz ausschließlich für Corona-Mehrbedarfe zulässig ist. Das ist fragwürdig. Gleichzeitig wird die vorhandene Konjunkturrücklage von über vier Milliarden Euro bis 2024 komplett aufgebraucht.“

David Stoop, Linkspartei: „Jetzt nicht gegen die Krise anzusparen, ist auch aus linker Sicht der richtige Weg. Wir brauchen zusätzliche und schnelle Investitionen und auch eine stärkere öffentliche Verwaltung. Die Maßnahmen des Senats greifen allerdings an vielen Stellen zu kurz. Die Rettungsmaßnahmen für Kleinunternehmen, Soloselbstständige und die Gastronomie sind weiterhin unzureichend.“

Thomas Reich (AfD): „Die Ausgaben der kommenden Jahre erreichen ein historisches Ausmaß. Es ist zu bezweifeln, ob die 80 Millionen Euro für den Ausbau des Radverkehrs oder Ausgaben im Bereich der Genderforschung zum jetzigen Zeitpunkt sinnvoll sind.“

Tjarks sieht Signal zur Mobilitätswende

Anna von Treuenfels (FDP): „Der Senat hätte angesichts der Pandemie die teure Agenda des Koalitionsvertrages mit überzogenen Projekten für Klima- und Mobilitätswende auf den Prüfstand stellen müssen.“

Lorenz Palte, Vorsitzender des Bundes der Steuerzahler: „Viel hilft viel ist nicht das richtige Motto, um durch die Krise zu kommen. Dass der Senat ohne mit der Wimper zu zucken bereit ist, viele Milliarden neuer Schulden aufzunehmen, ohne auch nur eine einzige relevante Sparanstrengung zu unternehmen, ist fatal. In den Jahren 2008 bis 2010 folgte auf eine Wirtschaftskrise eine Staatsschuldenkrise mit dramatischen Auswirkungen auf die Geldpolitik, die bis heute zu spüren sind. Auch der Hamburger Senat sollte aus dieser Zeit lernen und seine Hausaufgaben machen.“

Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne): „Der Doppelhaushalt 2021/2022 gibt ein klares Bekenntnis zur Mobilitätswende. Wir werden diese in Hamburg nicht trotz, sondern gerade auch wegen der aktuellen Corona-Entwicklung weiter forcieren. Mit insgesamt 1,2 Milliarden Euro in den kommenden beiden Jahren werden wir sehr viele sinnvolle Projekte für eine klimagerechte Mobilität anschieben.“