Hamburg. Michael Osterburg (53) war einer der bekanntesten Grünen-Politiker in Hamburg. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen ihn.
Die Grünen und Michael Osterburg – das gehörte lange einfach zusammen. Viele Jahre waren die Partei und der Vollblutpolitiker unzertrennlich: Fast zwei Jahrzehnte machte Osterburg für die Öko-Partei Politik, 15 Jahre davon als Fraktionschef in der Bezirksversammlung Mitte. Doch dann erklärte der heute 53-Jährige überraschend seinen Rückzug aus der Politik.
Das war im Januar 2019. Dem vorausgegangen war eine persönliche Niederlage. Der bekannte Parteifunktionär unterlag im Wahlkreis Hamm bei der Kandidatur um Platz 2 für die im Mai 2019 anstehenden Wahlen zur Bezirksversammlung mit 17:8 Stimmen einem Gegenkandidaten. Zuvor soll es zahlreiche Neueintritte bei den Grünen in Mitte gegeben haben. Dabei hatten offensichtlich Parteifreunde ihre Finger im Spiel, die Osterburg von der politischen Bühne verdrängen wollten.
Grüne erstatteten Strafanzeige gegen Michael Osterburg
Danach wurde es still um den einst so umtriebigen Politikprofi – bis zum 15. Mai dieses Jahres. Da kehrte er ins Rampenlicht zurück, wenn auch unfreiwillig. Auslöser war eine Pressemitteilung, in der seine politischen Erben verkündeten: „Die Grüne Bezirksfraktion Hamburg-Mitte hat am 21. April 2020 Strafanzeige gegen den ehemaligen Fraktionsvorsitzenden gestellt. Gegenstand der Strafanzeige sind Vorwürfe der Veruntreuung von Fraktionsgeldern.“ Inzwischen ist Michael Osterburg, wie das Abendblatt exklusiv berichtete, auch nicht mehr Mitglied der Grünen Hamburg.
Seit Mai ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Untreue. Es soll laut Staatsanwaltschaft um 67.900 Euro gehen, die aus Fraktionsgeldern stammen sollen. So soll Michael Osterburg von 2014 bis 2019 Bewirtungsbelege falsch abgerechnet und unter anderem technische Geräte aus Mitteln der Fraktion bestellt haben – darunter soll auch ein Rasenmäher sein.
Osterburgs Spesenabrechnungen – Kripo befragt Journalisten
Das Landeskriminalamt (LKA) hat Politiker und Journalisten befragt, die auf Spesenabrechnungen von Osterburg auftauchen. Dabei geht es um die Frage, ob sie tatsächlich von Osterburg bewirtet wurden. Insgesamt soll es dabei um rund 90 Bewirtungsbelege gehen. Dem Abendblatt sind zahlreiche Fälle bekannt, in denen die genannten Personen angeben, nicht von Osterburg eingeladen worden zu sein, beziehungsweise dass diese Treffen gar nicht stattgefunden haben (wir berichteten).
Das Medieninteresse an den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen Osterburg, die wohl noch Monate in Anspruch nehmen werden, ist groß. Das liegt zum einen sicherlich daran, dass er einer der profiliertesten Bezirkspolitiker der Stadt war, aber zum anderen auch an Anna Gallina.
Justizsenatorin Anna Gallina und Osterburg waren lange ein Paar
Die beiden haben eine gemeinsame kleine Tochter und waren viele Jahre ein Paar. Seit geraumer Zeit sind sie nach eigenen Angaben getrennt. Anna Gallina ist die Grünen-Landesvorsitzende und wurde im Juni zur Justizsenatorin der Hansestadt ernannt – als die Ermittlungen gegen Osterburg bereits bekannt waren.
Im Mittelpunkt der „Spesenaffäre“ steht das Rucola e Parma – ein eher schlichtes italienisches Restaurant an der Straße Beim Schlump. Von dort stammen die meisten der Bewirtungsbelege – auch mit Kindergerichten darauf. Das Lokal liegt nur wenige Minuten von der Wohnung in Eimsbüttel entfernt, in der Gallina und Osterburg einst gemeinsam gewohnt hatten.
Aus dieser Wohnung in Eimsbüttel soll Osterburg bereits seit Längerem ausgezogen sein. Aber zumindest Mitte Juni – so ging es aus einer Melderegisterauskunft hervor – war er dort noch gemeldet. Heute ist das nicht mehr der Fall, aber laut aktueller Auskunft hat Osterburg gleich drei Anschriften: In Hamm, in Ottensen – hier steht sein Name auch an der Klingel – und im Landkreis Cuxhaven.
Osterburg sei aufbrausend berichtet ein SPD-Politiker
Nach den Wahlen zur Bezirksversammlung 2014 bildeten SPD und Grüne für fünf Jahre in Hamburg-Mitte eine Koalition. An der Spitze der Grünen-Fraktion: Michael Osterburg. Das Abendblatt hat mit mehreren Abgeordneten der beiden Parteien gesprochen, die mit ihm zusammengearbeitet haben.
Ihre Namen möchten sie nicht in der Zeitung lesen, die Schilderungen sind aber ähnlich: Es habe immer wieder Spannungen gegeben, und mehrfach hätte ein Koalitionsausschuss einberufen werden müssen, weil es Unstimmigkeiten mit Osterburg gegeben habe, wenn es sich zum Beispiel um gemeinsame Anträge in der Bezirksversammlung gehandelt habe. Er habe aufbrausend sein können, berichtet ein SPD-Politiker.
Dass Osterburg seine Fraktion im Griff hatte, ergibt sich auch aus einem Abendblatt-Gespräch mit einer ehemaligen Grünen-Abgeordneten. „Michael Osterburg war als langjähriger Vorsitzender das Gesicht unserer Fraktion. Wohl damit begründet, wollte er generell über alles Kontrolle haben und auch bestimmen.“ Und wie kam es dazu, dass Osterburg über Jahre offensichtlich ohne Kontrolle Belege abrechnen konnte? „Es gab kein Vier-Augen-Prinzip in der Fraktion. Er schaltete und waltete, wie er wollte“, so die ehemalige Weggefährtin weiter.
Lukrativer Nebenverdienst für Osterburg als Jurymitglied
Allein von der Politik konnte Osterburg nicht leben: Als Fraktionsvorsitzender erhielt er eine monatliche Aufwandsentschädigung von rund 1233 Euro, dazu kam ein Sitzungsgeld von 30 Euro für die Teilnahme an jeder „Vollsitzung“. Es sei auch auffällig gewesen, dass Osterburg sämtliche Preisgerichte beziehungsweise Jurys für städtebauliche oder hochbauliche Wettbewerbe im Bezirk besetzt habe, sagt ein SPD-Politiker.
Wie viele es waren, ist kaum nachvollziehbar. Aber häufig ging es dabei um die HafenCity. Ein Sprecher der HafenCity Hamburg GmbH bestätigte auf Abendblatt-Anfrage. „Herr Osterburg hat als Bezirksabgeordneter an einer Vielzahl von städtebaulichen und architektonischen Verfahren zu Vorhaben in der HafenCity teilgenommen.“ Ein lukratives Geschäft: „Reguläre Jurymitglieder – Vorsitz ausgenommen – mit einer Anreise bis zu 200 Kilometern Entfernung erhalten 200 Euro bei einer Teilnahme bis zu drei Stunden Dauer. Ein ganzer Sitzungstag wird mit 800 Euro entschädigt“, so der Sprecher.
Von Haus aus ist Osterburg Wirtschaftsingenieur. Aber er war über weit mehr als ein Jahrzehnt vor allen Dingen als Mitarbeiter für Parteipolitiker der Grünen tätig. Viele Jahre zum Beispiel für den Bundestagsabgeordneten Manuel Sarazzin. Dieses Arbeitsverhältnis endete im März 2018. Von April bis Ende Dezember 2018 hat Michael Osterburg nach Abendblatt-Informationen für einen Grünen-Bürgerschaftsabgeordneten gearbeitet.
Weder Osterburg noch Gallina nehmen derzeit Stellung
Dieser Abgeordnete hatte einen anderen Mitarbeiter. Osterburg soll dann dafür gesorgt haben, dass dieser in der Grünen-Bezirksfraktion in Mitte angestellt wurde. Somit wurde der Weg frei für Osterburg, als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Grünen-Bürgerschaftsabgeordneten arbeiten zu können. Lange währte der neue Job allerdings nicht. Der Bürgerschaftsabgeordnete trennte sich schon im Dezember desselben Jahres wieder von Osterburg. Heute arbeitet dieser im Immobilien-Service-Zentrum der städtischen Sprinkenhof GmbH.
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Das Abendblatt hat Osterburg einen umfangreichen Fragenkatalog mit der Bitte um Stellungnahme geschickt. Seine Antwort: „Bitte haben Sie Verständnis, dass ich leider wegen des laufenden Ermittlungsverfahrens den Vorgang nicht kommentieren darf. Ich werde später darauf zurückkommen.“
Befragt zu dem Vorgang ließ Anna Gallina über einen Behördensprecher ausrichten: „Bitte haben Sie Verständnis, dass sich die Senatorin zu den Fragen nicht äußert, um das gegen Herrn Osterburg laufende Ermittlungsverfahren nicht zu gefährden. Die Senatorin ist sich sicher, dass Polizei und Staatsanwaltschaft den Vorwürfen mit der gebotenen Gründlichkeit nachgehen und alle notwendigen Zeugenbefragungen vornehmen.“