Hamburg. Der Senat entwickelt bei der Grundsteuerreform ein eigenes Modell, das eine „versteckte Erhöhung“ der Kosten verhindern soll.
Vor dieser Entscheidung bibbern Immobilienbesitzer und Mieter in ganz Deutschland gleichermaßen: Welchen Weg geht mein Bundesland bei der Reform der Grundsteuer und wie viel muss ich künftig zahlen? Für Hamburg hat Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) jetzt erstmals klar durchblicken lassen, dass der Senat nicht dem umstrittenen Vorschlag von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) folgen, sondern einen eigenen Weg gehen wird.
„Es spricht sehr vieles dafür und ich gehe stark davon aus, dass wir nicht das Bundesmodell in Hamburg umsetzen“, sagte Tschentscher bei einer Videokonferenz des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW).
Grundsteuerreform: Finanzbehörde hat eigenes Modell entwickelt
Stattdessen habe die Finanzbehörde ein eigenes Modell entwickelt, das jetzt „entscheidungsreif“ sei. Dabei handelt es sich nach Abendblatt-Informationen um das „Flächen-Lage-Modell“: Die Grundsteuer wird dabei nur anhand der Fläche einer Immobilie oder eines Grundstücks und der Lage berechnet.
Proberechnungen hatten vergangenes Jahr ergeben, dass die Ausschläge nach oben und unten deutlich geringer sind als im Scholz-Modell, das viele Faktoren miteinbezieht, im Kern aber eine Neubewertung aller Immobilien in Deutschland vorsieht. Das könnte vor allem in Großstädten wie Hamburg mit stark steigenden Immobilienpreisen teilweise zu einer 40-fach höheren Steuer führen.
Tschentscher: "Keine versteckte Grundsteuererhöhung"
Das lehnt der Senat entschieden ab: „Es soll keine versteckte Grundsteuererhöhung geben“, sagte Tschentscher. Allerdings wies er erneut darauf hin, dass die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Reform in jedem Fall dazu führen werde, dass einige Bürger weniger, andere aber mehr zahlen müssten: „Alles in allem soll es ja gerechter werden in dem Sinne, dass ein höherwertiges Grundstück auch zu mehr Grundsteuer führt als ein weniger wertiges, lagebegünstigtes Grundstück.“
Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) bestätigte, dass seine Behörde „mit Hochdruck“ an der Reform arbeite: „Wir wollen bis September die rechtliche, technische und politische Vorklärung soweit abgeschlossen haben, dass wir im Haushaltsausschuss schon einen konkreten Sachstand geben können“, sagte er dem Abendblatt. „Ein mögliches Gesetzgebungsverfahren wollen wir im Herbst starten.“
Grundsteuer: Bisherige Regelung wurde 2018 für verfassungswidrig erklärt
Die Grundsteuer betrifft alle Bürger in Deutschland, denn diese Abgabe zahlt jeder – entweder direkt als Immobilienbesitzer oder indirekt als Mieter. Wie berichtet, hat das Bundesverfassungsgericht die bisherige Regelung 2018 für verfassungswidrig erklärt, da sie zum Teil auf völlig veralteten Werten beruhte. Das hatte dazu geführt, dass mitunter vergleichbare Immobilien, die sich nur im Baualter unterschieden, völlig unterschiedlich besteuert wurden.
Lesen Sie auch:
- Grundsteuer könnte sich in Stormarn mehr als vervierfachen
- Hamburger Senat schreibt 10.000 Unternehmen an – wegen Daten
- Tschentscher gegen "Flickenteppich" bei Grundsteuer
Ende 2019 hatten Bundestag und Bundesrat einen Gesetzentwurf von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) beschlossen, wonach die Grundsteuer vor allem anhand des Bodenwerts berechnet werden soll. Konsens war dabei, dass das Grundsteueraufkommen von bundesweit 14 Milliarden Euro jährlich (davon knapp 500 Millionen Euro in Hamburg) nicht steigen soll. Auf Drängen von Ländern wie Hamburg wurde aber eine „Öffnungsklausel“ aufgenommen: Sie erlaubt es den Ländern, eigene Grundsteuerregelungen zu treffen.
So will Bayern ein reines Flächenmodell einführen. Baden-Württemberg hat sich für ein Modell entschieden, in dem die Grundsteuer anhand der Grundstücksfläche und des Bodenrichtwerts ermittelt wird. Hessen wiederum will das Flächen-Lage-Modell einführen, das ursprünglich von Niedersachsen vorgeschlagen worden war und zu dem jetzt auch Hamburg tendiert.
Hamburg rechnet probeweise mit drei Lagefaktoren
Dabei wird das reine Flächen-Modell schlicht um eine beliebige Anzahl an Lagefaktoren erweitert. Hamburg hatte probeweise mit drei gerechnet: einfach, mittel, gut. Denkbar wären aber auch fünf, sieben oder mehr Lagefaktoren – je höher die Zahl, desto stärker wird nach Lage differenziert. Das könnte schon aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten sein, denn Karlsruhe hat eine gerechtere Lösung gefordert. Das Einfamilienhaus in Niendorf ebenso in die Kategorie „gute Lage“ einzusortieren wie die Villa in Blankenese und beide gleich zu besteuern, könnte problematisch werden.
Zeit, den Gesetzentwurf von Finanzsenator Dressel zu diskutieren bleibt, genug: Das neue Grundsteuermodell muss auf Anordnung des Bundesverfassungsgerichts erst spätestens von 2025 an angewendet werden.
„Alles, was das Wohnen nicht teurer macht, ist sinnvoll“, sagte Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), dem Abendblatt. Dass Hamburg bei der Errichtung bezahlbarer Wohnungen seit mehreren Jahren bundesweit als Vorbild gelte und die Grundsteuer seit 2005 nicht mehr erhöht habe, dürfe nicht gefährdet werden. Die im VNW organisierten Wohnungsgenossenschaften und -gesellschaften lehnten das von Scholz vorgeschlagene Modell ab, weil dieses zu sehr den Grundstückswert berücksichtige, so Breitner. „Das würde in einigen Hamburger Stadtvierteln die von den Mieterinnen und Mietern zu zahlende Grundsteuer dramatisch erhöhen.“