Hamburg. Experte von Initiative: Präferiertes Modell könnte verfassungswidrig sein. Wohlhabende würden bevorteilt.
Die Entscheidung für ein neues Grundsteuer-Modell soll in Hamburg zwar erst nach der Bürgerschaftswahl im Februar fallen. Dennoch macht Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) keinen Hehl daraus, dass er das von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) vorgelegte, wertabhängige Modell sehr kritisch sieht und stattdessen das von Niedersachsen ins Spiel gebrachte Flächen-Lage-Modell präferiert. Die bundesweite Initiative „Grundsteuer: Zeitgemäß!“ warnt jetzt jedoch, dass dieses Modell vor allem Wohlhabende bevorteile und möglicherweise auch verfassungswidrig sein könnte.
Damit würde es dem Konzept ähnlich ergehen wie dem heutigen Grundsteuer-Modell, das vom Bundesverfassungsgericht gekippt wurde mit der Maßgabe, bis Ende des Jahres ein neues zu beschließen und dieses spätestens 2025 einzuführen.
Modell ignoriere die wahren Marktverhältnisse
In dem niedersächsischen Modell stecke jedoch „so manche Ungereimtheit“ analysiert Ulrich Kriese, einer der Mitgründer von „Grundsteuer: Zeitgemäß!“. Eine davon: In Hamburg würden die Bodenrichtwerte für Mehrfamilienhäuser „um den Faktor 80“ und für gewerbliche Nutzungen wie Büro- und Geschäftsgrundstücke „um den Faktor 100 auseinanderliegen“ – einige Immobilien in sehr guter Lage seien also das 80- oder gar 100-Fache solcher in einfachen Lagen wert.
Daher müssten in einem Flächen-Lage-Modell entsprechend viele Lagekategorien gebildet werden, „um auch nur halbwegs sicherzustellen, dass alle Grundstücke innerhalb einer Kategorie einigermaßen wertgleich sind“, so Kriese.
Grundsteuer muss reale Grundstückswerte widerspiegeln
Bei nur sieben Lage-Stufen von 0,4 bis 2,0, wie Niedersachsen es derzeit plant, entfiele aber auf ein Grundstück mit dem höchsten Lagefaktor nur eine fünfmal so hohe Grundsteuer wie auf ein Grundstück mit dem niedrigsten Lagefaktor. „Dies unverändert für Hamburg zu übernehmen hieße, die 80- bis 100-fache Spreizung der Bodenrichtwerte künstlich massiv zu stauchen, mithin über die wahren Verhältnisse auf dem Hamburger Grundstücksmarkts hinwegzusehen“, schreibt Kriese – wobei er noch außer Acht lässt, dass die Finanzbehörde in ihren gut 900 Modell-Rechnungen zunächst sogar nur mit drei Lagefaktoren gerechnet hat (1, 1,5 und 2,0).
Sein Fazit: „Von einer solchen Vorgehensweise würden vor allem Grundstücke in den guten und besten Lagen profitieren. Denn die auf sie erhobene Grundsteuer fiele nur höchstens fünfmal so hoch aus wie die auf jene in den schlechtesten Lagen, obwohl sie ein Vielfaches wert sind. Eine realitätsgerechte Bemessung der Grundsteuer würde dadurch klar verfehlt, der Verfassungsgrundsatz der Gleichbehandlung massiv verletzt.“
Grundsteuer muss die realen Grundstückswerte widerspiegeln. „Bei der dramatischen Bodenwertentwicklung in Hamburg ist eine Grundsteuer als reine Bodenwertsteuer sicher keine gute Idee“, sagte Finanzsenator Dressel dem Abendblatt. Der Senat wolle die Grundsteuer so ausgestalten, dass keine Menschen aus Quartieren verdrängt werden. „Die Grundsteuer darf die Segregation in Hamburg nicht befördern. Das verkennt die Kritik der Anhänger der Bodenwertsteuer“, sagte Dressel.