Hamburg. Hamburger Mietern wurden 20 Millionen Euro zu viel berechnet. Was man zu Nebenkosten wissen muss.

Viele Hamburger Mieter zahlen offenbar zu hohe Nebenkosten. Laut Mieterverein zu Hamburg ist jede zweite Abrechnung fehlerhaft. Die Organisation schätzt, dass in diesem Jahr die 720.000 Mieter-Haushalte zu Unrecht mit 20 Millionen Euro belastet werden.

Oft geht es nur um Kleinbeträge. Allerdings berichtete Mietervereins-Chef Siegmund Chychla gestern auch von Vermieter-Forderungen in Höhe von über 1000 Euro – diese hält der Verein für ungerechtfertigt. Bei einer Nebenkostenabrechnung für eine Immobilie in Steilshoop monierte der Mieterverein zum Beispiel 37 Einzelposten.

Nebenkosten: Nur wer sich wehrt, bekommt Geld zurück

Im Schnitt zahlen Hamburgs Mieter derzeit pro Quadratmeter rund 1,10 Euro Heizkosten sowie zwei Euro sogenannte „kalte“ Nebenkosten (etwa für Müllabfuhr, Straßenreinigung oder Hauswart). Wer mehr zahlt, sollte laut Chychla seine Abrechnung besonders genau prüfen.

„Nur Betroffene, die sich rechtzeitig wehren, erhalten das Geld zurück. Nach der geltenden Rechtsprechung verliert jeder Mieter seine Ansprüche, wenn er die Betriebskostenabrechnung nicht innerhalb von zwölf Monaten beanstandet“, sagt Chychla. Der Rechtsanwalt warnt davor, aus Abrechnungsguthaben falsche Schlüsse zu ziehen: „Diese werden oft durch zu hohe Vorauszahlungen verursacht und sind kein Beleg für eine fehlerfreie Nebenkostenabrechnung.“

Mieterverein fordert Entlastung für Mieter bei Grundsteuer

Der Mieterverein erneuerte seine Forderung, dass die Grundsteuer nicht mehr auf die Mieter umgelegt werden sollte. Die geplante Reform dieser Steuer, ausgelöst durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, könnte laut Mieterverein Mieterhaushalte mit 100 bis 300 Euro im Jahr zusätzlich belasten.

Der Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen, in dem vor allem Genossenschaften und SAGA organisiert sind, wies diese Forderung zurück. „Das ist teurer Populismus und schadet vor allem Wohnungsunternehmen, die bezahlbare Wohnungen anbieten“, sagte Verbandsdirektor Andreas Breitner.

Diese Unternehmen würden ihre Einnahmen so kalkulieren, dass sie eben nicht auf eine Maximalrendite setzten: „Müssen sie künftig für die Grundsteuer aufkommen, fehlen diesen Unternehmen allein in Hamburg Mittel für den Bau oder die Modernisierung von Wohnungen in Höhe von rund 60 Millionen Euro.“

Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen zu Nebenkosten:

Wie gliedern sich Betriebskosten überhaupt auf?

Neben den bekannten Faktoren Heizung und Warmwasser gibt es 14 sogenannte kalte Nebenkostenarten. Dazu zählen etwa Grundsteuer, Abwasser, Fahrstuhl, Straßenreinigung und Müll, aber auch die Kosten für den Hauswart.

Wann sollte man seine Abrechnung besonders sorgfältig kontrollieren?

Laut Mieterverein zahlt ein Mieter im Schnitt für kalte Betriebskosten zwei Euro pro Quadratmeter, für Warmwasser und Heizung 1,10 Euro. Wenn die Abrechnung höhere Kosten ausweist, empfiehlt der Mieterverein, diese besonders genau zu prüfen. Im ersten Schritt ist dies auch ohne Mitgliedschaft im Mieterverein online kostenlos möglich. Diese Check ersetzt allerdings keine Rechtsberatung.

Ist bei einer Gutschrift alles in Ordnung?

Der Mieterverein warnt davor, dann nicht mehr zu prüfen. Die Abrechnung könne trotzdem Fehler aufweisen, das Guthaben nur durch eine unangemessen hohe Vorauszahlung entstanden sein.

Gibt es besonders eklatante Fälle?

Bei einer Immobilie in Hummelsbüttel hatten sich die Betriebskosten massiv erhöht. So sollte die Grundsteuer doppelt so hoch sein wie im Vorjahr. Auch Positionen wie Hausreinigung, Versicherung und Winterdienst waren aus Sicht des Mietervereins überhöht. Der Mieterverein vertrat die Hälfte der fast 50 Haushalte und forderte bis zu 1200 Euro pro Haushalt zurück.

Auch für einen Immobilienkomplex in Steilshoop gab es aus Sicht des Mietervereins extreme Kostensteigerungen. So stieg die Sperrmüllumlage von 1765 auf 6813 Euro, die Sach- und Haftpflichtversicherung von 30.057 auf 42.444 Euro. Allein für ein Mitglied forderte der Mieterverein 630,65 Euro plus 147,56 Inkasso-Kosten zurück. Insgesamt wurden 37 Positionen in der Betriebskostenabrechnung beanstandet.

Wie ist die Situation bei vermieteten Eigentumswohnungen?

Hier sieht der Mieterverein oft Unkenntnis als Ursache für erhöhte Abrechnungen. Der Vermieter leitet einfach die Abrechnung der Eigentümergemeinschaft an die Mieter weiter, ohne zu wissen, dass etwa Instandhaltungskosten oder Rücklagen gar nicht umlagefähig sind.

Was passiert bei zu niedrig angesetzten Vorauszahlungen?

Wer eine Wohnung sucht, orientiert sich oft nur an der inserierten Warmmiete. Davor warnt der Mieterverein. Siegmund Chychla spricht von gezielten Lockvogelangeboten. Die Betriebskosten würden bewusst niedrig angesetzt, damit der Mieter unterschreibt. Nach einem Jahr komme dann das böse Erwachen.

Bei einem 2017 fertiggestellten Neubau in Bergedorf kalkulierte der Vermieter mit nur 2,40 Euro pro Quadratmeter, tatsächlich entstanden aber Kosten von 3,33 Euro pro Quadratmeter. Die Mieter mussten mehr als 1000 Euro nachzahlen, dies konnte auch der Mieterverein nicht verhindern. Denn dies ist legal; es hilft nur, vor Unterschrift die Nebenkosten einem Realitätscheck zu unterziehen.

Welche Fristen gelten für die Nebenkostenabrechnung?

Dies ist im BGB (556 Abs. 3) geregelt: „Die Abrechnung ist dem Mieter spätestens bis zum Ablauf des zwölften Monats nach Ende des Abrechnungszeitraums mitzuteilen.“ Nach dieser Frist kann der Vermieter Nebenkosten nicht mehr nachfordern. Für den Mieter ist entscheidend, die Abrechnung binnen zwölf Monaten zu prüfen und bei Bedarf zu reklamieren. „Nur Betroffene, die sich rechtzeitig wehren, erhalten das Geld zurück“, sagt Chychla.

Wie ist die Lage bei Wohnungen in Gewerbeobjekten?

Hier lohnt das genaue Hinschauen besonders. Bei einem Einkaufszentrum in Altona reklamierte der Mieterverein mehrere Positionen in den Abrechnungen. So seien Nebenkosten umgelegt worden, die das Gewerbe verursacht habe, etwa bei der Beleuchtung oder den Heizkosten. Dazu muss man wissen, dass Gewerbe in der Regel höhere Betriebskosten verursacht. Ein Friseursalon etwa hat einen höheren Wasserverbrauch.

Wie sieht es aus bei der Gartenpflege?

Die Kosten für die Gartenpflege sind umlegbar, auch für Mieter, die den Garten nicht nutzen. Ausgenommen sind davon aber Gärten, die nur dem Vermieter oder ausgewählten Mietern zur alleinigen Nutzung vorbehalten sind. In einem aktuellen Fall einer Wohnungsanlage in Stellingen reklamiert der Mieterverein die umgelegten Kosten der Gartenpflege von 257 Euro im Jahr, da der Mieter den Garten selbst pflege.

Was bedeutet die geplante Grundsteuer-Reform für Mieter?

Das neue Modell, im Oktober vom Bundestag verabschiedet, wird aus Sicht des Mietervereins die Betriebskosten für viele Mieter erhöhen, da die umlagefähige Grundsteuer gerade in Metropolen steigen werde. Chychla plädierte dafür, dass die Vermieter die Grundsteuer zahlen sollen: „Die Grundsteuer muss raus aus den Betriebskosten.“

Wie der Verband Norddeutscher Wohnungsunternehmen lehnt auch der Grundeigentümerverband Hamburg diese Forderung strickt ab. „Das ist ein alter Hut, und ich hoffe, dass der Bundesrat da nicht drauf einsteigt“, sagt Vorstand Torsten Flomm. „Die Kosten fallen nun einmal bei der Bewirtschaftung des Grundstücks an. Wie alle anderen Betriebskosten auch. Außerdem würde der Vermieter die Miete erhöhen, um das Grundstück wirtschaftlich zu halten.“

Das Bundesverfassungsgericht hatte von der Politik eine Neuregelung der Grundsteuer-Erhebung bis Jahresende verlangt, da die von den Finanzämtern berechneten Werte der Grundstücke auf Grundlage von veralteten Einheitswerten stammen.