Hamburg. Niederlage für Hamburger Bündnis vorm Verfassungsgericht. Gerichtspräsident nannte drei wesentliche Punkte.

Das Verfassungsgericht hat das von einem Hamburger Bündnis geforderte "Volksbegehren gegen den Pflegenotstand" für unzulässig erklärt – das hat heute das Hamburgische Verfassungsgericht entschieden. Die Entscheidung erging einstimmig.

Das Volksbegehren dürfe nicht abgehalten werden, sagte Gerichtspräsident Friedrich-Joachim Mehmel am Dienstag. Als Grund nannte er drei wesentliche Punkte: die mehrfache Überarbeitung des Antrags, der die Grenzen der Zulässigkeit nicht wahre, einen Verstoß gegen das Kopplungsverbot sowie die fehlende Gesetzgebungskompetenz der Länder.

Die Ärztekammer Hamburg (ÄKHH) warnte ausdrücklich davor, das Wesentliche der Debatte aus dem Blick zu verlieren. ÄKHH-Präsident Dr. Pedram Emami sagte: „Und das ist für mich die Tatsache, dass die Mitarbeiterschaft ebenso wie Bürgerinnen und Bürger mit der personellen Situation in den Kliniken offenbar absolut unzufrieden sind“, sagte er. Denn unabhängig davon, ob man den Weg der Initiative über ein Volksbegehren für den richtigen halte, müsse man zur Kenntnis nehmen, dass innerhalb von drei Wochen über 27.000 Hamburger die Forderungen nach mehr Personal in Krankenhäusern unterschrieben haben.

"Personelle Probleme Ausdruck institutionellen Versagens"

„Die personellen Probleme, die wir aktuell haben, sind Ausdruck eines institutionellen Versagens der vergangenen Jahre“, so Emami. Viele der Pfleger wollten nicht einfach nur mehr Geld, im Vordergrund stünden auch Fragen der Arbeitsbedingungen und Zukunftsperspektiven. „Diese Forderungen betreffen viele Bereiche im Gesundheitswesen“, sagte Emami. „Auch wenn der Fokus derzeit auf den Pflegeberufen liegt, so ist das Problem des Personalengpasses im ärztlichen Bereich ebenso ein relevantes Thema wie in zahlreichen anderen Bereichen der Krankenversorgung.“

CDU: Urteil stärkt das Parlament

Die CDU-Bürgerschaftsfraktion hingegen begrüßte das Urteil. „Dies ist eine gute Nachricht, denn durch dieses Grundsatzurteil wird die parlamentarische Demokratie gestärkt und der Volksgesetzgebung klare Grenzen aufgezeigt", sagte der CDU-Fraktionschef André Trepoll. Auch wenn man vielleicht Sympathien für manche Absichten dieser Initiative hat, ist der föderale Aufbau unseres Staates wichtig für das Funktionieren unseres Gemeinwesens."

Auch die FDP-Bürgerschaftsfraktion zeigte sich erfreut über das Gerichtsurteil. "Die Entscheidung zeigt auch, dass unsere bisherigen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Volksbegehrens sehr begründet waren", sagte Jennyfer Dutschke, gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion. Die Hamburgische Bürgerschaft sei im vorliegenden Fall nur bedingt entscheidungsbefugt. "Personaluntergrenzen kann die Bürgerschaft als Landesparlament nur in sehr engen Grenzen festlegen", so Dutschke. Zuständig sei grundsätzlich der Bund.

Grüne: Initiative war nicht vergebens

Dass die Prüfung durch das Gericht richtig und notwendig war, diese Ansicht teilt die Grünen-Gesundheitsexpertin Christiane Blömeke ebenfalls. "Denn egal wie wichtig ein Anliegen ist, am Ende darf ein Volksentscheid nur zur Abstimmung kommen, wenn alle Verfahrensregeln eingehalten wurden und die Vorlage mit der Verfassung vereinbar ist", sagte Blömeke.

Gleichzeitig betonte die Grünen-Politikerin, dass die Initiative trotz des Urteils "nicht vergebens" war. "Sie hat uns deutlich gezeigt, wie wichtig den Menschen in Hamburg das Thema Pflege im Krankenhaus ist. Die vielen Unterschriften sind ein klarer Beleg dafür", so Blömeke. Ihre Fraktion werde in Hamburg und im Bund nicht nachlassen, für mehr und bessere Pflege am Krankenbett, aber auch für die dauerhaft Pflegebedürftigen zu streiten.

Links-Fraktion: Urteil kein Erfolg für den Senat

Die Linken-Bürgerschaftsfraktion hob hervor, dass das Problem des Pflegenotstands sich nicht "einfach wegklagen" lasse. "Deshalb ist das Urteil auch kein Erfolg für den Senat“, sagte Deniz Celik, gesundheitspolitische Sprecher der Links-Fraktion. „Vielmehr steht der Senat jetzt in der Verantwortung, eine politische Lösung zu finden und umgehend mit allen Hamburger Krankenhäusern eine bedarfsgerechte Personalausstattung auf vertraglicher Ebene anzustreben."

Die jüngst vorgestellte Allianz für Pflege sei dafür kein Ersatz, so Celik. "Die in nur drei Wochen gesammelten knapp 30.000 Unterschriften haben gezeigt, welch großen Rückhalt die Forderung nach besserer Personalausstattung und besserer Patientenversorgung in der Hamburger Bevölkerung hat.“

Die Initiative hatte ein „Volksbegehren gegen den Pflegenotstand“ gestartet und Ende März 2018 über 27.000 Unterschriften abgegeben und das Verfahren in Gang gebracht. Sie fordert feste Personalvorgaben für die Stationen der Hamburger Krankenhäuser und eine verbesserte Hygiene. Die Initiatoren beklagen, dass Hamburg zu wenig getan habe, um dem Personalnotstand in den Kliniken zu begegnen.

Hamburger Volksentscheid zur Pflege war für 2020 geplant

Ziel der Initiative war ein Volksentscheid, der die Bürger darüber abstimmen lässt, dass sich per Gesetz die Pflegesituation in den Hamburger Krankenhäusern bessert. Das war parallel zur Bürgerschaftswahl 2020 geplant.

Der Senat argumentierte, dass der Gesetzentwurf der Initiative gegen "höherrangiges Recht" verstoße. Denn Hamburg alleine könne die geforderten Gesetze zur Verbesserung der Pflege gar nicht beschließen. "Diese Kompetenz hat nur der Bund." Der Senat sei deshalb verpflichtet gewesen, die Verfassungsrichter anzurufen.