Hamburg. Hamburgs höchste Richter müssen klären, ob ein Volksentscheid überhaupt möglich ist. Die Reaktionen und was dahintersteckt.
Der Hamburger Senat zieht gegen die Volksinitiative "Gegen Pflegenotstand im Krankenhaus" vor das Hamburgische Verfassungsgericht. Wie ein Senatssprecher dem Abendblatt sagte, könne schon die Prüfung der Verfassungsrichter das Aus für die Initiative bedeuten. Eine formale Klage à la Bundesverfassungsgericht gibt es hier nicht. Allerdings wäre es möglich, dass auch nur Teile des Gesetzesvorhabens der Initiative für rechtens erklärt werden.
Die Initiative will einen Volksentscheid herbeiführen, der die Bürger darüber abstimmen lässt, dass sich per Gesetz die Pflegesituation in den Hamburger Krankenhäusern bessert. Das war bislang parallel zur Bürgerschaftswahl 2020 geplant.
Wie der Senat am Dienstag mitteilte, verstoße der Gesetzentwurf der Initiative gegen "höherrangiges Recht". Denn Hamburg alleine könne die geforderten Gesetze zur Verbesserung der Pflege gar nicht beschließen. "Diese Kompetenz hat nur der Bund." Der Senat sei deshalb verpflichtet, die Verfassungsrichter anzurufen.
Der Sprecher der Initiative, Christoph Kranich, sagte dem Abendblatt, man sei sicher, dass Hamburg die gesetzlichen Voraussetzungen schaffen könne. Er sehe dem Verdikt des Verfassungsgerichtes optimistisch entgegen.
Pflegeinitiative will mehr Personal in Krankenhäusern
Die Pflegeinitiative hatte Ende März über 27.000 Unterschriften abgegeben und das Verfahren in Gang gebracht. Sie fordert feste Personalvorgaben für die Stationen und eine verbesserte Hygiene. Die Initiatoren beklagen, dass Hamburg zu wenig getan habe, um dem Personalnotstand in den Kliniken zu begegnen.
Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks hatte im Abendblatt angekündigt, das Verfassungsgericht anrufen zu wollen, sollten die Gespräche mit der Initiative keine Fortschritte bringen. Die Situation ist auch deshalb so verfahren, weil ein Mitarbeiter ihrer Behörde in der Initiative engagiert ist. Sein Computer wurde ausgespäht, vor dem Arbeitsgericht bekam er zuletzt in Teilen Recht.
Volksabstimmungen: Wo der Senat verloren hat
Der Senat legt Wert darauf zu betonen, dass man nicht nur die Volksentscheide umsetze, sondern auch das Ziel teile, mehr Pflegekräfte in die Krankenhäuser zu bringen. Beim Streit um den Rückkauf der Netze war zu erkennen, dass mit verschiedenen Gutachten das Dilemma gelöst werden sollte, die Verpflichtung zum Rückkauf wirtschaftlich zu rechtfertigen.
Die Linke in der Bürgerschaft reagierte verärgert. Gesundheitsexperte Deniz Celik sagte: Der Volksentscheid werde verzögert, ebenso ein Ende des Pflegenotstands. „Das ist ein Offenbarungseid gegenüber den Pflegekräften", so Celik. Das Vorgehen des Senats sei ein "durchsichtiges Manöver, um einer politischen Auseinandersetzung aus dem Weg zu gehen". Die Linken fordern dazu auf, die abgebrochenen Gespräche zwischen Senat und Pflege-Initiative wiederaufzunehmen.
FDP-Gesundheitspolitikerin Jennyfer Dutschke sagte, ihre Fraktion begrüße den Gang vor das Verfassungsgericht. Die Initiative leiste mit ihren Forderungen "keinen Beitrag zur Lösung des Fachkräftemangels". Dennoch müsse die Gesundheitssenatorin die Pflegesituation ernst nehmen.
Zentrale Volksabstimmungen sind bislang zu Ungunsten des Senats ausgegangen: Verkauf des Landesbetriebs Krankenhäuser (war für den damaligen Senat nicht bindend), Energienetze-Rückkauf und die Olympia-Bewerbung für 2024. In anderen Fragen hat man sich oft mit den Initiativen verständigt. Das war bei der Pflege bislang nicht möglich.