Hamburg. Der Altonaer Bundestagsabgeordnete gilt als Favorit für die Spitzenkandidatur bei der nächsten Bürgerschaftswahl.

Die Partei wird zunehmend nervös, und manche Mitglieder sind auch schon genervt: Ziemlich genau ein Jahr vor der Bürgerschaftswahl am 23. Februar 2020 hat die CDU noch immer keinen Spitzenkandidaten. Die Elb-Union leidet unter den extrem schlechten Zustimmungswerten – in der Abendblatt-Umfrage Anfang Januar waren es 14 Prozent – und könnte ein Aufbruchssignal gut gebrauchen.

Landesvorsitzender Roland Heintze und Bürgerschaftsfraktionschef André Trepoll, die dem Landesvorstand einen Personalvorschlag unterbreiten sollen, wissen um die Stimmungslage der Mitglieder. Gleichzeitig wollen sich die beiden bei der schwierigen Suche nach dem Mann oder der Frau auf Listenplatz eins die nötige Zeit nehmen. Das haben Trepoll und Heintze schnell deutlich gemacht, nachdem im Herbst erst die frühere niedersächsische Sozialministerin Aygül Özkan und kurz darauf auch Ex-Staatsrat Nikolas Hill wegen schwerer Erkrankungen absagen mussten.

Schwierige Kandidatensuche

Nach Informationen des Abendblatts waren alle Versuche des Duos, einen externen Kandidaten zu gewinnen, jedenfalls bislang nicht von Erfolg gekrönt. Tatsächlich ist die Aussicht, einer 14-Prozent-Partei mit dem Anspruch, einen Bürgermeister-Kandidaten zu stellen, auf die Beine zu helfen, nicht sehr verlockend.

Andererseits muss jeder nicht-hamburgische Kandidat neben einem möglichst breit aufgestellten politischen Profil schnell in der Lage sein, sich auf die spezifischen Hamburger Gegebenheiten einzulassen und einzustellen. Denn viel Zeit zur Einarbeitung wird dem oder der Neuen an der Spitze nicht mehr bleiben. Chancen und Risiken können da schnell weit auseinanderklaffen.

Suche konzentriert sich auf Hamburger Personal

Das sind alles zusammen Gründe, warum sich die Suche nach der neuen Nummer eins zuletzt wieder verstärkt auf das personelle Reservoir der Hamburger CDU konzentriert hat. Nach Informationen des Abendblatts diskutiert die engere Führungsspitze der Union derzeit intensiv darüber, ob der Altonaer CDU-Bundestagsabgeordnete Marcus Weinberg der richtige Herausforderer von Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) ist. Weinberg will sich, so ist zu hören, ernsthaft Gedanken über eine Spitzenkandidatur bei der Hamburg-Wahl machen.

Das hatte anfangs anders ausgesehen. Nach Abendblatt-Informationen lehnten es zunächst alle vier Bundestagsabgeordneten ab, für die Landespartei in die Bresche zu springen. Für Christoph Ploß und Christoph de Vries, die beide erst seit 2017 im Bundestag sitzen, käme der Wechsel wohl auch zu früh. Finanzexperte Rüdiger Kruse hat sich als Fachpolitiker in Berlin einen Namen gemacht.

Das gilt ebenso auch für Weinberg, der seit 2014 familienpolitischer Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion ist. Doch dem umtriebigen und impulsiven Altonaer lag auch die Landespartei stets besonders am Herzen, deren Vorsitzender er von 2011 bis 2015 war. Weinberg gehört dem Bundestag seit 2005 an und ist der dienstälteste Hamburger CDU-Bundestagsabgeordnete.

Weinberg war überzeugter Anhänger von Schwarz-Grün

Für Weinberg als Spitzenkandidat bei der Bürgerschaftswahl spricht, dass er aufgrund seines politischen Profils als liberaler Großstadtpolitiker die so dringend benötigte Machtoption für die Union glaubhaft machen könnte. Die CDU wird Bündnispartner benötigen, wenn sie einen Regierungswechsel erreichen will. Nach Lage der Dinge kämen in erster Linie die Grünen in Betracht, möglicherweise auch in einer Jamaika-Koalition mit der FDP.

Der Lehrer für Politik und Sozialwissenschaften war überzeugter Anhänger des schwarz-grünen Rathaus-Bündnisses von 2008 bis 2010. Er hat die später gescheiterte und in der Union höchst umstrittene Primarschulreform der Grünen unterstützt. Weinberg hat den Kontakt zu den Grünen nicht abreißen lassen. Und der Mann aus Altona, dessen Familienpolitik pragmatisch und kompromissgeneigt ist, verfügt auch über gute Drähte zu den Sozialdemokraten. So saß er in den Verhandlungen über die Bildung einer Großen Koalition in der Arbeitsgruppe Familie und Jugend zusammen mit Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) an einem Tisch.

Weinberg hat mit seinen Hamburger Parteifreunden zwar durchaus eine Berg- und Talfahrt erlebt, aber er hat auch bewiesen, dass er über Rückhalt bei den Mitgliedern verfügt. Mit seinem Vorschlag, eine Frauenquote in der Elb-CDU einzuführen, scheiterte er 2012 nicht zuletzt an der Parteibasis. Andererseits holte Weinberg nach 71 Prozent bei seiner ersten Wahl zum Landesvorsitzenden 2011 bei seiner Wiederwahl 2014 mit rund 82 Prozent ein sehr respektables Ergebnis.

Weinberg lehnte es gegenüber dem Abendblatt ab, sich in eigener Sache zu äußern. Und auch Fraktionschef Trepoll nahm nicht direkt Stellung. „Es bleiben grundsätzlich alle Optionen auf dem Tisch. Über den Vorschlag, den wir dem Landesvorstand unterbreiten werden, ist endgültig noch nichts entschieden“, sagte Trepoll. Übrigens: Der Fraktionschef hat eigene Ambitionen auf die Spitzenkandidatur nach Abendblatt-Informationen auch noch nicht völlig ad acta gelegt.