Hamburg. Von Felix Magath über Otto Waalkes bis Jürgen Großmann: Hamburger Persönlichkeiten für Prof. Kuck. Versorgung von Patienten bedroht?
Nach den Ärzten und dem prominenten Patienten Udo Lindenberg (72) hat sich nun ein breites Spontan-Bündnis zusammengetan, um den Hamburger Herz-Spezialisten Prof. Karl-Heinz Kuck (Asklepios Klinik St. Georg) zu unterstützen. Die Gesundheitsbehörde von Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) hatte Kuck zwei Jahre nach einem Strafbefehl wegen Abrechnungsbetrugs vor einigen Wochen die Approbation entzogen. Auch wenn Kuck dagegen vor dem Verwaltungsgericht klagt, wollen seine Unterstützer auf die „Unverhältnismäßigkeit“ des drohenden Berufsverbots hinweisen und fordern Fairness im Umgang mit Kuck.
Zu den Unterzeichnern eines Briefes an die Senatorin sowie Bürgermeister Peter Tschentscher zählen unter anderem die früheren HSV-Stars Felix Magath und Bernd Wehmeyer, Unternehmer Jürgen Großmann, die Theaterleute Jürgen Flimm, Corny Littmann und Ulrich Waller sowie erneut Udo Lindenberg und sein langjähriger Mitmusiker Jean-Jacques Kravetz.
Felix Magath: "Prof. Kuck kann noch vielen helfen"
Magath sagte dem Abendblatt, er könne zwar die Sachlage zum Entzug der Approbation nicht beurteilen. „Aber Professor Kuck ist ein hervorragender Arzt. Er kann auch in Zukunft noch vielen Patienten helfen.“
Die Unterzeichner werfen Prüfer-Storcks vor, Kucks Verdienste nicht im Entferntesten gewürdigt zu haben. „Dass sie in dem von Ihrer Behörde durchgeführten Verfahren gänzlich unberücksichtigt bleiben, finden wir nicht fair“, heißt es in dem Brief. Auch den Strafbefehl aus dem Jahr 2016 (ein Jahr Gefängnis auf zwei Jahre Bewährung, 100.000 Euro Geldstrafe) kritisieren die Kuck-Freunde. Das Strafmaß des Amtsgerichts Hamburg St. Georg sei „auch in weiteren Kreisen der Öffentlichkeit und auch der Justiz auf erhebliches Unverständnis gestoßen“.
Prüfer-Storcks: Nur nach Recht und Gesetz geurteilt
Die Gesundheitsbehörde wies darauf hin, dass sie bei Kuck wie in ähnlichen Fällen „ausschließlich nach Recht und Gesetz“ geurteilt habe. Ein mit der rechtlichen Situation Vertrauter sagte dem Abendblatt jedoch: Die Ärztekammer Hamburg habe die Senatorin darauf aufmerksam gemacht, dass „in deutlich schlimmeren Fällen“ Ärzte noch immer praktizierten.
Prüfer-Storcks teilte dem Abendblatt über ihren Sprecher mit, dass man sich auch weiterhin nicht zu konkreten Verfahren äußere. Es gebe aber sicherlich „keine politische Intervention“.
Der Zulassungsausschuss der Kassenärztlichen Vereinigung (niedergelassene Ärzte und Krankenkassen) hatte Kuck auch die „persönliche Ermächtigung“ entzogen. Dadurch darf er im AK St. Georg nicht mehr Behandlungen durchführen, für die es in Hamburg nur wenige Praxen gibt, zum Beispiel Anpassungen bei Herzschrittmachern. Wie Ärzte dem Abendblatt berichten, habe der Fall Kuck dazu geführt, dass Schrittmacher-Patienten länger auf eine neue Einstellung warten müssen. Andererseits habe der Zulassungsausschuss keine andere Möglichkeit gehabt, als Kuck die Lizenz zur Behandlung von Kassenpatienten zu entziehen. „Ob ein Fall oder 6000 falsche Abrechnungen – das spielt da keine Rolle“, so ein Jurist.
Das Hamburger Abendblatt dokumentiert den Brief im Wortlaut:
Sehr geehrte Frau Senatorin,
bitte gestatten Sie, dass wir Sie in der Angelegenheit „Widerruf der Ärztlichen Approbation von Herrn Prof. Kuck“ persönlich ansprechen. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass wir Herrn Kuck seit Jahren kennen und er als Mensch und als integrer Arzt und Wissenschaftler unsere Achtung und unseren Respekt hat.
Es ist bei Herrn Kuck im Zusammenhang mit der Versorgung von KV-Patienten unbeabsichtigt zu Abrechnungs-Unregelmäßigkeiten gekommen. Die ärztliche Patientenversorgung im Verantwortungsbereich von Herrn Kuck war davon nie betroffen; kein Patient ist je geschädigt oder inadäquat versorgt worden. Des Weiteren ist für keinen von uns auch nur im Ansatz eine „kriminelle Energie“ im Sinne von Vorsätzlichkeit erkennbar.
Der entstandene Schaden wurde von Herrn Kuck wiedergutgemacht; darüber hinaus hat er Voraussetzungen geschaffen, damit sich derartige Fehler nicht wiederholen können. Und er hat wiederholt sein persönliches Bedauern über die Vorkommnisse zum Ausdruck gebracht.
Dennoch kam es im Mai 2016 zu dem Ihnen bekannten Strafbefehl des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg mit einem Strafmaß, das bei uns und, wie wir wissen, auch in weiteren Kreisen der Öffentlichkeit und auch der Justiz auf erhebliches Unverständnis gestoßen ist.
Dieses Strafverfahren, zumeist unter öffentlicher Beobachtung, zum Teil von Spott und Häme begleitet, war für Herrn Kuck eine existenzielle Belastung. Diese mit Anstand durchgestanden und seine Strafe ohne Einspruch büßend, angenommen zu haben, hat unsere Achtung. Und wir können Ihnen versichern, dass diese Achtung von vielen Patienten, Freunden und Kollegen geteilt wird.
Mit dieser Bestrafung hatte die Entwicklung leider kein Ende. Unmittelbar nach dem Strafbefehl legte Herr Kuck sein Amt als Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie nieder, obwohl ihm der Vorstand der Gesellschaft einstimmig sein Vertrauen ausgesprochen hatte, um „Schädigungen des Amtes“ vorzubeugen – was wir als hochanständig bewerten. Desgleichen zog er seine Nominierung für die Präsidentschaft der European Society of Cardiology zurück.
Weiterhin wurde er unter Berufung auf seine „rechtskräftige Verurteilung“ von verschiedenen Kongressen ausgegrenzt und persönlich verunglimpft. Das heißt: Herr Kuck wurde durch das Strafverfahren, die schließliche Strafe sowie einen weitreichenden Verlust seines Ansehens und seiner herausragenden ehrenamtlichen Ämter in der „Scientific Community“ bereits über die Maßen „gestraft“.
Der Entzug der Approbation zerstört Kucks Lebenssinn
Nun haben Sie ihm seine ärztliche Approbation aberkannt. Das bedeutet, wenn Ihr Beschluss rechtskräftig wird, ein lebenslanges Arzt-Sein-Verbot, eine Sanktionierung, die es unseres Wissens so in keinem anderen Beruf gibt! Für Herrn Kuck, wie wir ihn kennen, bedeutet das die Zerstörung seines Lebensentwurfs, seines Lebenssinns! Kuck lebt für diese Kardiologie und Hochleistungs-Medizin, seit 40 Jahren! Ein Entzug der Approbation und das damit verbundene Berufsverbot wäre für Herrn Kuck eine weitaus höhere Strafe als die, die das Amtsgericht Hamburg-St. Georg für angemessen hielt.
Sehr verehrte Frau Senatorin, bitte verstehen Sie unser Anliegen richtig: Wir wollen Herrn Kucks Verfehlungen überhaupt nicht als vernachlässigbares „Kavaliersdelikt“ bagatellisieren. Aber diese Verfehlungen sollten mit dem Strafbefehl und darüber hinaus dem weitgehenden Verlust von Ansehen und exponierten Ämtern in wissenschaftlichen Fachgesellschaften bewertet und abgegolten sein. Weitere Schritte, insbesondere ein lebenslanges Berufsverbot, sind eine unverhältnismäßige Zusatz-Sanktionierung, die aus unserer Sicht weder erforderlich noch geboten ist – zumal auch die Hamburger Ärztekammer keinen Bedarf sieht, „neben der vom Amtsgericht Hamburg-St. Georg angeordneten Rechtsfolge hinsichtlich eines etwaigen berufsrechtlichen Überhanges tätig zu werden“.
Nicht ganz am Rande sei uns noch dieser Hinweis gestattet: Die vielfachen und weit über das „Normale“ hinausgehenden Verdienste Herrn Kucks individuelle Patienten betreffend, aber auch seine klinisch höchst relevanten wissenschaftlichen Beiträge sollen die zurückliegenden Verfehlungen keineswegs aufwiegen, geschweige (denn) rechtfertigen – aber dass sie in dem von Ihrer Behörde durchgeführten Verfahren gänzlich unberücksichtigt bleiben, finden wir nicht fair, wird der Gesamtsache nicht gerecht und ist aus unserer Sicht nicht nachvollziehbar.
Mit freundlichen Grüßen
Katrin Aust, Ulrike Krages, Alexandra von Rehlingen, Alice von Skepsgardh, Maria von Welser, Manfred Baumann, Udo Bermbach, Bruno Bruni, Burghard von Cramm, Johannes Duwe, Jürgen Flimm, Justus Frantz, Jürgen Großmann, Hubertus Henrich, Jean Jacques Kravetz, Mike Krüger, Helo Lafrentz, Elmar Lampson, Udo Lindenberg, Corny Littmann, Felix Magath, Jan-Hendrik Rootering, Niklas Schmidt, Christoph Ploß, Heinz Dieter Schnabel, Fritz Vahrenholt, Norbert Vojta, Ulrich Waller, Wolf Siegfried Wagner, Bernd Wehmeyer, Michael Wollenberg.
Hamburg, den 16. Oktober 2018