Karlsruhe/Hamburg. Bürgermeister Tschentscher schlägt neues Modell vor. Grundsteuer-Urteil hat Auswirkungen auf Eigentümer und Mieter.
Dieses Urteil hat Auswirkungen auf Hauseigentümer und alle Mieter in Hamburg: Das Bundesverfassungsgericht hat die Berechnungsgrundlage für die Grundsteuer in Westdeutschland für verfassungswidrig erklärt und dem Gesetzgeber eine kurze Frist zur Neuregelung gesetzt. Die Steuer darf nur noch bis Ende 2019 auf Grundlage des alten Gesetzes erhoben werden, entschied der Erste Senat am Dienstag in Karlsruhe.
Die aktuellen Regelungen zur Einheitsbewertung verstoßen demnach gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes. Wegen des hohen Aufwands für eine Neufestsetzung können die alten Werte nach einer Neuregelung noch bis zu fünf Jahre weiter genutzt werden, längstens bis Ende 2024. (1 BvL 11/14, 1 BvL 12/14, 1 BvL 1/15, 1 BvR 639/11, 1 BvR 889/12).
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"Grundsteuer darf nicht von spekulativen Preisen abhängen"
Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher sagte: "Das Wohnen in einer Stadt wie Hamburg muss für alle bezahlbar bleiben, auch für Menschen mit geringem Einkommen. Die Grundsteuer wird zu einem großen Teil von den Mieterinnen und Mietern bezahlt und darf nicht von hohen und mitunter spekulativen Marktpreisen für Immobilien abhängen, die in vielen attraktiven Städten und Regionen Deutschlands zu beobachten sind." Er schlägt vor, dass sich die Grundsteuer in Zukunft an der Größe der Grundstücks- und Gebäudefläche bemessen. "Mit einem solchen Modell kann die Grundsteuer auch in Metropolen wie Hamburg, München oder Frankfurt auf dem heutigen Niveau gehalten werden."
„Ich begrüße das Urteil und fordere den Gesetzgeber auf, zügig tätig zu werden“, sagte Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW). „Die Landesregierungen von Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern müssen jetzt im Bundesrat den Vorschlag Hamburgs unterstützen, ein flächenorientiertes und weitgehend aufkommensneutrales Modell zu verabschieden.“
"Alle Bemühungen der vergangenen Jahre für bezahlbares Wohnen stehen jetzt auf dem Spiel“, sagte Breitner weiter. „Es geht um die Frage, ob viele Stadtviertel in größeren Städten und Kommunen für Normalverdiener bezahlbar bleiben. Mit anderen Worten: jetzt entscheiden die Politiker, ob Tausende Menschen in den nächsten Jahren ihr angestammtes Zuhause verlieren, weil sie die Miete nicht mehr bezahlen können.“
Die Grundsteuer, die für ein Mietshaus anfällt, wird anteilsmäßig über die Betriebskosten abgerechnet. Ein Anstieg der Grundsteuer wäre gleichbedeutend mit einer deutlichen Erhöhung der Wohnkosten.
FDP: Reform muss unbürokratisch und sicher sein
Die stellvertretende Vorsitzende und haushaltspolitische Sprecherin der FDP-Bürgerschaftsfraktion, Jennyfer Dutschke, sagte: „Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts verschafft endlich Klarheit. Wir Freie Demokraten erwarten, dass die Reform ein unbürokratisches und rechtssicheres Besteuerungsverfahren ergibt. Dabei sollte den Ländern und Kommunen mehr Steuerautonomie gewährt und je nach Reformmodell auch geprüft werden, die Grundsteuer aus dem Länderfinanzausgleich herauszulösen. Insbesondere Stadtstaaten wie Hamburg könnten sonst für die Wertsteigerungen der Immobilien auf ihrem Gebiet über den Länderfinanzausgleich zur Kasse gebeten werden."
Das entspricht der Haltung der CDU-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft: Der haushalts- und finanzpolitischer Sprecher Thilo Kleibauer sagte: „Mit einer klaren Fristsetzung hat das Bundesverfassungsgericht den Handlungsbedarf bei der Grundsteuer sehr deutlich gemacht. Ganz wichtig ist dabei für uns: Durch die Neuregelung darf es nicht zu Mehrbelastungen für Mieter und Eigentümer in Großstädten wie Hamburg kommen. Jetzt müssen sich Bürgermeister Tschentscher und Finanzsenator Dressel auf Bundesebene dafür einsetzen, dass ein vernünftiges Modell zustande kommt, in dem unterschiedliche regionale Faktoren rechtssicher und praktikabel berücksichtigt werden können.“
Neue Bundesländer ausgeklammert
Das Bundesverfassungsgericht entschied über drei Vorlagen des Bundesfinanzhofs und zwei Verfassungsbeschwerden, die sich alle gegen die Besteuerung von Grundstücken auf der Basis der Jahrzehnte alten Einheitswerte im Westen richteten. Nicht geprüft hat das Gericht die Bewertung von land- und forstwirtschaftlichem Vermögen und die Bewertung in den neuen Bundesländern. Dort gelten besondere Regeln, die verfassungsrechtlich gesondert überprüft werden müssten. Es sei aber nicht ausgeschlossen, die Maßstäbe der Entscheidung zu übertragen, entschied das Gericht.
Verfassungsrichter halten Einheitswert für verfassungswidrig
Die gesetzte Frist erscheine dem Senat angemessen, „weil die verfassungsrechtliche Problematik der grundsteuerlichen Einheitswerte seit Langem bekannt ist ... und schon ausformulierte Novellierungsentwürfe zum Gesetz vorliegen“, sagte der Vorsitzende des Ersten Senats, Ferdinand Kirchhof. Die Verfassungsrichter halten die Einheitswerte - also die Werte für jedes Grundstück (für jede Einheit) - spätestens seit dem Jahr 2002 für verfassungswidrig, weil die Ungleichgewichte seit 1964 ständig zugenommen haben. „Grundstücke in Citylagen oder in bevorzugten Wohnlagen besitzen heute angesichts rasant steigender Immobilienpreise viel höhere Verkehrswerte als Grundstücke in Randlagen“, sagte Kirchhof.
Das Bewertungsgesetz sieht vor, dass alle Grundstücke im Abstand von sechs Jahren neu bewertet werden sollen. Das ist aber seit der letzten Hauptfeststellung von 1964 nie mehr geschehen. Der Gesetzgeber hatte das mit dem großen Aufwand begründet.
Neuregelung der Grundsteuer seit Langem geplant
Insgesamt wird in Deutschland für mehr als 35 Millionen Grundstücke Grundsteuer erhoben. Sie steht den Kommunen zu und bringt aktuell etwa 14 Milliarden Euro im Jahr ein.
Eine Neuregelung der Grundsteuer ist seit Langem geplant, blieb vor der letzten Bundestagswahl jedoch liegen. Die große Koalition hat eine Reform vereinbart. Es gibt mehrere Modelle mit unterschiedlich großem Aufwand bei der Neufestsetzung. Eine Reform könnte je nach Art von Grundstück und Immobilie zu deutlichen Veränderungen der Steuerlast führen. Insgesamt soll das Aufkommen den Plänen zufolge aber ähnlich bleiben.