Hamburg . Mal sind es 104 Euro mehr, mal 1219 Euro im Monat. Beispielrechnungen zeigen, wie teuer die Neuregelung der Grundsteuer werden kann.

Das Bundesverfassungsgericht tendiert offenbar dazu, die Grundsteuer in ihrer bisherigen Form zu kippen. Das deutete sich bei der mündlichen Verhandlung am Dienstag in Karlsruhe an. Mit dabei war auch Hamburgs Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD), der erneut eindringlich vor den Folgen einer geplanten Neuregelung für alle Mieter und Eigenheimbesitzer warnte.

Käme das vom Bundesrat favorisierte Alternativmodell zum Tragen, würde es die Grundsteuerbelastung in Hamburg im Schnitt verzehnfachen. In der Spitze sei sogar ein Anstieg auf das 40-Fache möglich, sagte Tschentscher und warnte: „Alteingesessene Bewohner werden verdrängt, und für viele wäre das Wohnen in einer Stadt wie Hamburg kaum noch bezahlbar.“

Seine Behörde unterlegte das mit Beispielen: Bei einer 44-Quadratmeter-Wohnung in Eimsbüttel, Baujahr 1955, würde die Grundsteuer von 126 auf 1375 Euro pro Jahr steigen, die Mieter müssten jeden Monat 104 Euro mehr zahlen. Für eine Wohnung in Harvestehude – 123 Quadratmeter, Baujahr 1962 – könnte die Grundsteuer gar von 631 auf 15.256 Euro im Jahr steigen. Die Nebenkosten würden sich um 1219 Euro erhöhen – pro Monat. Und für ein 1972 erbautes Einfamilienhaus in Volksdorf (92 Quadratmeter Wohnfläche) wären statt 436 künftig 3984 Euro fällig. Wäre das Haus vermietet, stiegen die Nebenkosten um 295 Euro pro Monat. Außer Hamburg lehnt auch Bayern dieses Modell ab, daher hat der Bundestag es bislang nicht forciert.

Das Grundsteueraufkommen der Kommunen liegt bei 14 Milliarden Euro im Jahr, in Hamburg sind es gut 450 Millionen Euro. Rechnerisch entfallen rund 450 Euro auf jeden Haushalt. Vermieter legen die Grundsteuer in der Regel auf die Mieter um.

Die Kritik am aktuellen Modell entzündet sich an den Einheitswerten für Grundstücke, Häuser und Wohnungen, die als Bemessungsgrundlage für die Steuer dienen und im Westen seit 1964 nicht angepasst wurden. Die Entscheidung des Verfassungsgericht wird im Laufe des Jahres erwartet.

Wie drastisch die Wohnkosten in den einzelnen Stadtteilen steigen würden, zeigen die Beispielrechnungen der Finanzbehörde:

Altona

Ein Mehrfamilienhaus aus dem Jahr 1887 in Altona, 470 Quadratmeter. Nach heutiger Gesetzeslage sind 372 Euro jährlich für das gesamte Gebäude zu zahlen. Nach dem Bundesratsmodell wären jedoch jedes Jahr 14.899 Euro fällig. Davon müsste der Mieter der 80-Quadratmeter-Wohnung 2473 Euro zahlen. Die Mehrbelastung beliefe sich auf 206 Euro pro Monat.

Eimsbüttel

Eine Wohnung von 1955 in Eimsbüttel, 44 Quadratmeter. Nach geltender Rechtslage sind 126 Euro pro Jahr zu zahlen. Nach dem Bundesratsmodell stiege dieser Betrag um 1249 Euro auf 1375 Euro. Die jährliche Mehrbelastung pro Quadratmeter beliefe sich auf 28,22 Euro. Ein Mieter hätte mit einem Anstieg der Nebenkosten um 104 Euro pro Monat zu rechnen.

Volksdorf

Ein Einfamilienhaus aus dem Jahr 1972 in Volksdorf, 92 Quadratmeter. Nach aktueller Gesetzeslage sind jährlich 436 Euro Grundsteuer zu zahlen. Nach dem Bundesratsmodell wären es hingegen 3984 Euro. Die jährliche Mehrbelastung pro Quadratmeter betrüge 38,56 Euro. Im Vermietungsfall würden die Nebenkosten um 295 Euro pro Monat steigen.

Allermöhe

Einfamilienhaus, 1900 erbaut, in Allermöhe, 97 Quadratmeter. Bislang sind 65 Euro pro Jahr zu zahlen. Nach dem Bundesratsmodell wären 1510 Euro zu zahlen, 1445 Euro mehr als bisher. Die jährliche Mehrbelastung pro Quadratmeter betrüge 14,91 Euro. Wäre das Objekt vermietet, würden sich die Nebenkosten um 120 Euro pro Monat erhöhen.

Barmbek

Wohnung aus dem Jahr 2002 in Barmbek, 131 Quadratmeter. Nach der bisherigen Gesetzeslage sind 651 Euro jährlich zu zahlen. Nach dem Bundesratsmodell wären es 4341 Euro. Die jährliche Grundsteuerbelastung pro Quadratmeter würde sich um 28,14 Euro erhöhen. Bei einer Vermietung würden die Nebenkosten um 308 Euro pro Monat steigen.

Harvestehude

Wohnung aus dem Jahr 1962 in Harvestehude, 123 Quadratmeter. Nach geltender Rechtslage sind 631 Euro pro Jahr zu zahlen. Nach dem Bundesratsmodell stiege die Grundsteuer um 14.625 Euro. Die jährliche Mehrbelastung pro Quadratmeter beliefe sich auf 119,10 Euro. Sofern das Objekt vermietet wäre, würden sich die Nebenkosten um 1219 Euro pro Monat erhöhen.

Deutsche Mieterbund fordert, Grundsteuer als Bodensteuer zu erheben

Vertreter von Bund und Ländern warnten davor, dass eine Verfassungswidrigkeit der Einheitswerte zum totalen Ausfall der Grundsteuer führen könnte. Das wäre für Städte und Gemeinden nicht tragbar, weil sie mehr als zehn Prozent ihrer Steuereinnahmen ausmache.

Der Deutsche Mieterbund fordert, die Grundsteuer künftig als Bodensteuer zu erheben. Das würde der Spekulation entgegenwirken. Die kommunalen Spitzenverbände unterstützen die Reformpläne der Bundesländer. Ein Reformvorschlag des Bundesrats war im vergangenen Jahr im Bundestag hängen geblieben. Alle Beteiligten streben an, das Gesamtsteueraufkommen nicht wesentlich zu verändern.

Der Vorsitzende des Zweiten Senats, Ferdinand Kirchhof, wies zu Beginn der Verhandlung, darauf hin, dass das Gericht, sollte es einen Verstoß gegen das Grundgesetz feststellen, entscheiden müsse, wie mit der Zeit bis zu einer Neuregelung und bereits erlassenen Steuerbescheiden umgegangen werden soll. Gesetzgebungsverfahren und Neubewertung der Grundstücke und Immobilien würde mehrere Jahre dauern.