Bei der Neuregelung dürfen Bürger nicht noch mehr belastet werden. Beispiele aus Hamburg zeigen: Die Grundsteuer geht alle an.

Die gute Nachricht zuerst: Das Bundesverfassungsgericht hat die Grundsteuer in ihrer bisherigen Form gekippt. Endlich. Denn eine Steuer, die auf Basis von „Einheitswerten“ aus den Jahren 1964 (West) und 1935 (Ost) ermittelt wird, die dann zur Ermittlung einer „Steuermesszahl“ dienen, die wiederum mit einem je nach Kommune individuellen „Hebesatz“ multipliziert wird, ist schlicht eine Zumutung. Ist das verständlich? Für die Bürger nachvollziehbar? Gerecht? Nein, nein und nochmals nein.

Nur zwei Beispiele aus Hamburg, errechnet von der Finanzbehörde: Ein Einfamilienhaus in Allermöhe, Baujahr 1900 und 97 Quadratmeter Wohnfläche, kostet derzeit 65 Euro Grundsteuer pro Jahr, ein gleich großes Einfamilienhaus in Volksdorf (Baujahr 1972) aber 436 Euro.

So unterscheidet sich die Grundsteuer in Hamburg

Für eine 44-Quadratmeter-Wohnung im schwer nachgefragten Eimsbüttel (Baujahr 1955) sind bislang 126 Euro Grundsteuer pro Jahr zu zahlen, für eine dreimal so große Wohnung im nicht ganz so angesagten Barmbek aus dem Jahr 2002 dagegen mehr als das Fünffache: 651 Euro.

Die Liste ließe sich endlos fortsetzen, und man käme immer wieder zu dem Schluss, dass dieses System ausgedient hat. Daher ist der Richterspruch aus Karlsruhe nicht nur zu befürworten, er ist auch eine Klatsche für die Politik der letzten Jahrzehnte, die es mehr als 50 Jahre lang versäumt hat, die damals festgelegten Einheitswerte regelmäßig zu aktualisieren, wie es eigentlich vorgesehen war.

Horrorszenario Neuberechnung

Doch nun die schlechte Nachricht: Das Verfassungsgericht hat die alte Grundsteuer, mit der sich die meisten Bürger trotz aller Schwächen doch arrangiert hatten, gekippt, ohne dass eine bessere Regelung auf dem Tisch läge. Denn die einzige beschlussreife Alternative, die im Prinzip eine Neuberechnung der Einheitswerte vorsieht, ist für Millionen Menschen ein Horrorszenario, und zwar vor allem in Großstädten wie Hamburg. Denn hier sind die Grundstücks- und Immobilienwerte in den vergangenen Jahren geradezu explodiert, sodass eine Neubewertung die Steuer exorbitant ansteigen ließe.

Im Durchschnitt das Zehnfache müsste ein Hamburger Haushalt künftig zahlen, hatte der damalige Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) schon vor Monaten gewarnt. 4500 statt 450 Euro im Jahr, 10.000 statt 1000 Euro – solche Kostensprünge würden das Wohnen in Hamburg für Zehntausende Menschen auf einen Schlag unbezahlbar machen, würden vor allem Gering- und Normalverdiener aus ihren Wohnungen oder ganz aus der Stadt drängen. Das gilt es unter allen Umständen zu verhindern.

Alternative: Billstedt wie Harvestehude?

Als Bürgermeister hat Tschen­tscher nun die Chance, im Kreise der Ministerpräsidenten für sein Modell zu werben, das sich an Grundstücks- und Gebäudeflächen orientieren soll. Vorteil: Diese Werte unterliegen keinen Schwankungen und sind leicht zu ermitteln – was angesichts der kurzen Übergangsfrist, die Karlsruhe gesetzt hat, die Chancen dieses Vorschlags erhöht. Nachteil: Für 1000 Quadratmeter in Billstedt wäre die gleiche Grundsteuer fällig wie für 1000 Quadratmeter in Harvestehude – das ist in Sachen Gerechtigkeit auch noch nicht der Weisheit letzter Schluss.

Zwar wird jede Neuregelung dazu führen, dass einige Bürger etwas mehr und andere etwas weniger zahlen müssen. Aber eines sollte angesichts gewaltiger Haushaltsüberschüsse tabu sein: dass die Bürger insgesamt stärker belastet werden.