Hamburg. Die Polizei erwartet zum Besuch des US-Präsidenten beim G20-Gipfel am 7. und 8. Juli mindestens 100.000 Gegendemonstranten.

Die Amtsführung von US-Präsident Donald Trump, insbesondere der Einreisestopp für Menschen muslimischen Glaubens aus sieben Ländern, hat in den Vereinigten Staaten bereits mehrere Großdemonstrationen ausgelöst: Rund ein halbes Jahr vor dem G20-Gipfeltreffen am 7. und 8. Juli formiert sich nun in Hamburg eine breite Phalanx auch bürgerlicher Kräfte gegen den umstrittenen US-Präsidenten.

Eine der deutlichsten Stimmen gegen den mächtigsten Mann der Welt ist die der Holocaust-Überlebenden Esther Bejarano. „Dieser Rassist ist in Hamburg nicht willkommen“, teilte die 92-Jährige mit. Breiten Zuspruch findet zudem eine auf der Change.org eingestellte Petition des Hamburgers Martin Nieswandt: Solange Trump an seinem Einreiseverbot festhält, möge die Bundesregierung und der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg Donald Trump ausladen. Aktuell hat die Petition rund 34.000 Befürworter.

Innensenator äußert Verständnis für die Proteste

„Was gerade in den USA passiert, lässt uns alle nicht kalt“, sagte Innensenator Andy Grote (SPD) in einem Interview mit der „Welt am Sonntag“. „Ich glaube, es gibt gute Gründe, sich gegen diese Politik zu stellen. Ich habe jedes Verständnis dafür“, so Grote.

Demonstration vor dem US-Konsulat in Hamburg:

Demonstration vor dem US-Konsulat in Hamburg

Vor dem US-Konsulat am Alsterufer haben sich mehr als 1000 Menschen versammelt
Vor dem US-Konsulat am Alsterufer haben sich mehr als 1000 Menschen versammelt © Michael Arning | Michael Arning
Die Demonstranten protestieren gegen die radikale Politik des neuen US-Präsidenten
Die Demonstranten protestieren gegen die radikale Politik des neuen US-Präsidenten © Michael Arning | Michael Arning
Donald Trump hatte zuletzt ein Einreisedekret für sieben mehrheitlich muslimische Staaten erlassen
Donald Trump hatte zuletzt ein Einreisedekret für sieben mehrheitlich muslimische Staaten erlassen © Michael Arning | Michael Arning
Überall auf der Welt gingen die Menschen auf die Straßen
Überall auf der Welt gingen die Menschen auf die Straßen © Michael Arning | Michael Arning
Auch in Hamburg ist es nicht die erste Demonstration gegen den Republikaner
Auch in Hamburg ist es nicht die erste Demonstration gegen den Republikaner © Michael Arning | Michael Arning
Der privat organisierte Protest stand unter dem Motto:
Der privat organisierte Protest stand unter dem Motto: "Brücken bauen, Mauern einreißen. Gegen Trump, für Freiheit" © dpa | Axel Heimken
1/6

Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) teilt die Meinung des Innensenators, drückt es aber vorsichtiger aus. „Es ist gut, dass sich die Staats- und Regierungschefs der führenden Industrienationen und Schwellenländer in Hamburg treffen. Gerade in diesen Zeiten ist es wichtig, dass man miteinander ins Gespräch kommt. Das gilt für die Teilnehmer des Gipfels und natürlich auch für die Bürger, die ihre Ansichten vorbringen“, sagte Scholz dem Abendblatt.

Schon jetzt zeichnet sich ab, dass es unterschiedliche Ausrichtungen der Proteste gegen den Gipfel geben wird. Fraglos erhöhen Vorgehen und Äußerungen des US-Präsidenten die Mobilisierung. Die ursprünglich von einem breiten Bündnis getragene Großdemonstration am 8. Juli wird von den eher gemäßigten Kräften offenbar nicht mehr unterstützt.

Sternmarsch, Menschenkette und Marsch der Frauen

Organisationen wie Greenpeace, Campact und NaturFreunde rufen stattdessen bereits im Vorfeld des Gipfels am 2. Juli zu einem Sternmarsch oder einer Menschenkette auf. „Wie genau die Aktion aussehen wird und wer daran teilnimmt, ist noch offen. Das entwickelt sich jetzt alles erst“, sagt ein Insider. Auch beim SPD-Koalitionspartner Grüne wächst die Neigung, den G20-Gipfel zum Protest gegen den US-Präsidenten zu nutzen. „Wir sollten überlegen, ob wir Trump mit einem Marsch der Frauen begegnen“, sagte die Grünen-Landeschefin Anna Gallina.

Eher linke Gruppierungen bereiten die vom Linken-Bundestagsabgeordneten Jan van Aken angemeldete Großdemonstration während des Gipfels am 8. Juli vor. Unter den Organisatoren sind auch bekannte autonome Gruppierungen und Mitglieder des „Schwarzen Blocks“.

Alle Partner hätten sich jedoch darauf festgelegt, dass die Demonstration ohne Scharmützel mit den Sicherheitsbehörden stattfinden soll und als „politische Demonstration mit Kind und Kegel“ angelegt ist. Derzeit rechne man mit mehr als 60.000 Teilnehmern als „unterster Grenze“, doch auch 100.000 seien möglich, sagte Andreas Grünwald vom Hamburger Forum für Völkerverständigung und weltweite Abrüstung dem Abendblatt. „Da werden die Straßen blockiert sein.“

Vor Beginn des G20-Treffens soll am 5. und 6. Juli ein Alternativgipfel auf Kampnagel stattfinden. Die Details dieses Treffens, auch „Gipfel der Solidarität“ genannt, stehen noch nicht fest. Der zweite Tag soll unter dem Motto „Tag des zivilen Ungehorsams“ stehen.

Polizei rechnet mit 100.000 Gegendemonstranten

Die zu erwartenden extremen Sicherheitsmaßnahmen könnten für die gesamte Woche vor dem Gipfel gelten. Polizeipräsident Ralf Martin Meyer hatte zuletzt gesagt, es sei mit 100.000 Gegendemonstranten zu rechnen. Durch die polarisierende Politik von US-Präsident Trump, das Vorgehen von Russlands Präsident Wladimir Putin in der Ukraine und die Politik des türkischen Staatsoberhauptes Recep Tayyip Erdogan könnte sich die Zahl absehbar noch deutlich erhöhen.

Die Nordkirche ruft ihre Mitglieder nicht zur Teilnahme an der Großdemonstration auf. „Die christlichen Kirchen in Hamburg bereiten zum G20-Gipfel gemeinsam ein umfangreiches Programm aus Bildungsveranstaltungen, Gottesdiensten und Podiumsdiskussionen vor“, sagte Sprecher Frank Zabel. Es gehe um Themen wie Armutsbekämpfung, Klimawandel und Migration.

Im Zentrum wird ein Ökumenischer Gottesdienst am 8. Juli in St. Katharinen stehen. „Gastredner werden unter anderem Bischöfin Kerstin Fehrs und Erzbischof Stefan Heße sein“, sagte Claudia Ebeling vom Zentrum für Mission und Ökumene der Nordkirche.

Sicherheitsplanung orientiert sich an OSZE-Treffen

Nach Abendblatt-Informationen werden im Rahmen der Vorbereitung auf den Gipfel auch bereits die Sicherheit von Brücken und anderen Bauwerken vor möglichen terroristischen Anschlägen überprüft. Nach Angaben eines Polizeisprechers wird bei den Demons­trationen jedoch von einem friedlichen Verlauf ausgegangen. Die Sicherheitsplanung der Polizei orientiert sich wesentlich an den Sicherheitszonen und der Ausstattung, die bereits für das OSZE-Treffen im Dezember 2016 gewählt wurden.

„Wir sind gut aufgestellt“, heißt es aus dem Präsidium. Eine verlässliche Prognose gibt es nicht. „Das wäre viel zu früh“, sagt Polizeisprecher Timo Zill. „Zum jetzigen Zeitpunkt wäre es unseriös und für uns nicht hilfreich.“ Insider gehen von verlässlichen Prognosen frühestens drei Wochen vor dem G20-Gipfel aus. „Bis dahin können noch viele Ereignisse eintreten, die Protest mobilisieren.“ Mehrere gemäßigte und linksextreme Gruppen haben bereits mit konkreten Übungen für Aktionen während des Gipfels begonnen.

Am kommenden Sonnabend findet an der Universität Hamburg eine weitere „Aktionskonferenz“ statt, bei der etwa die Errichtung von Blockaden trainiert werden soll. Als Anmelder fungiert eine eingetragene Studierendengruppe. Motto der Veranstaltung: „G20 entern – Kapitalismus versenken!“ Weiteres Potenzial für Mobilisierung sieht man bei der Polizei eher im bürgerlichen Lager. „Die militante Szene macht ohnehin im In- und Ausland mobil. Was kommen kann, wird kommen“, sagt ein Beamter.