Hamburg/Berlin. Verhandlungen im Tarifstreit um Erziehergehälter vorerst gescheitert, aber Einigung auf Schlichtung. Entgegenkommen der Elbkinder-Kitas.
Die Tarifverhandlungen für die kommunalen Kita-Erzieher und Sozialarbeiter sind gescheitert. Nach vier Wochen Streik gehen die Erzieherinnen und Erzieher ab Montag aber vorerst wieder normal zur Arbeit. Denn beide Seiten einigten sich am frühen Donnerstagmorgen nach stundenlangen, zähen Gesprächen auf eine Schlichtung, wie die Verhandlungsführer der Arbeitgeber und der Gewerkschaften, Thomas Böhle und Frank Bsirske, in Berlin sagten.
Verdi-Chef Bsirske warf den Arbeitgebern vor, nicht zur Aufwertung des ganzen Berufsfeldes mit seinen rund 240 000 Beschäftigten in den Kommunen bereit gewesen zu sein. Für alle Betroffenen hatten die Gewerkschaften mehr Geld herausholen wollen - auch etwa für Sozialpädagogen und Sozialarbeiter. „Es ist nicht gelungen, weil die Arbeitgeberseite an diesen Stellen mauert und gemauert hat“, sagte Bsirske.
Der Präsident des kommunalen Arbeitgeberverbands VKA, Böhle, entgegnete: „Die Arbeitgeber haben in allen Berufsfeldern Verbesserungen vorgeschlagen.“ Wo in einem Berufsfeld Handlungsbedarf bestehe, habe man sich Gedanken gemacht, doch die Forderungen der Gewerkschaften seien einfach zu hoch gewesen. „Zu pauschalen Erhöhungen waren wir nicht bereit.“
Demo in Hamburg kurzfristig abgesagt
Indes hat der Hamburger Landeselternausschuss LEA die für den heutigen Donnerstag geplante Demonstration am morgen kurzfristig abgesagt. Der Protestmarsch sollte um 16 Uhr vor dem Büro des Arbeitgeberverbands AVH beginnen.
"Hamburgs Eltern sind froh und erleichtert. Denn der Streik hat viele von ihnen an den Rand der Belastbarkeit gebracht", sagt LEA-Vorstandsmitglied Björn Staschen. Beide Seiten müssten nun alles daran setzen, die Schlichtung zu einem Erfolg zu führen. Eine Herausforderung sei nun die Rückkehr zum Kita-Alltag. "Vier Wochen lang wurden unsere Kinder aus ihrer gewohnten Kita-Umgebung gerissen. Vier Wochen lang änderte sich für einige fast täglich die Betreuung", sagt Vorstandsmitglied Tobias Joneit.
Hannover-OB als Schlichter
Für die Gewerkschaften versucht der ehemalige Oberbürgermeister von Hannover, Herbert Schmalstieg, zu schlichten. Der Schlichter der Arbeitgeber stehe noch nicht fest, werde aber zügig benannt, kündigte Böhle an. Er hat turnusgemäß den Vorsitz im Schlichterduo.
Der dbb-Verhandlungsführer Willi Russ sagte: „Die VKA hat leider nur auf Zeit gespielt.“ GEW-Vorstandsmitglied Andreas Gehrke sagte: „Mit der Schlichtung wollen Gewerkschaften und Arbeitgeber noch einmal alle Möglichkeiten prüfen und ausloten, um am Verhandlungstisch zu einem tragfähigen Ergebnis zu kommen.“
Dauer der Schlichtung ungewiss
Für Donnerstag hat Verdi 330 Streikdelegierte nach Frankfurt/Main eingeladen, um den Verhandlungsstand zu bewerten. Bsirske kündigte für dort eine Debatte darüber an, „wie wir die Schlichtung begleiten können“. Die gesellschaftliche Bewegung für die Arbeit am Menschen und mehr Anerkennung der Bildungsleistungen der Erzieher sei nicht zu Ende. Die Gewerkschaften verlangen für die kommunalen Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst im Schnitt zehn Prozent mehr Geld.
Wie lange die Schlichtung dauert, ist nicht festgelegt. Aber in Verhandlungskreisen wurde eine Dauer spürbar unter zwei Wochen für wahrscheinlich gehalten.
Am 21. April 2015 waren die Tarifverhandlungen abgebrochen worden, seit dem 8. Mai wurde gestreikt. Die Verhandlungen begannen am Montag erneut - bis zum letzten rund 16-stündigen Verhandlungsmarathon.
Entgegenkommen der Elbkinder-Kitas
In Hamburg schließt derweil die zwischen Ver.di und Elbkinder-Kitas getroffene Notdienstvereinbarung die selbst organisierte Betreuung durch Eltern in bestreikten Kindertagesstätten offenbar doch nicht aus. Zunächst berichteten unter anderem Eltern der Kita Rellinger Straße, sie müssten die von ihnen initiierte Notbetreuung der Kinder am Freitag einstellen, weil ihre Kita geschlossen werde.
Grund für die drohende Schließung ist die Vereinbarung zwischen Gewerkschaft und Geschäftsführung, dass nur die Hälfte der 180 Elbkinder-Kitas geöffnet bleiben darf. Daher werden jeweils zwei Kitas zu „Notdienst-Tandems“ zusammengeschlossen; ab Freitag soll dort flächendeckend die Betreuung von insgesamt mehr als 10.000 Kindern sichergestellt sein.
„Wir können es nicht jedem recht machen“, sagt Elbkinder-Geschäftsführerin Franziska Larrá. „Aber wir wollen auf keinen Fall die Elterninitiativen, die die Notbetreuung bislang so toll aufrechterhalten haben, zerstören.“ Sollte die Elternbetreuung in einer der großen Kitas stattgefunden haben, die jetzt als Notdienst-Einrichtung benötigt werde, biete man den Eltern für ihre selbst organisierte Betreuung dort Räume an, sofern die Möglichkeit dazu besteht. Sind in der Einrichtung nicht genug Räume vorhanden, überlasse man ihnen Räume in einer geschlossenen Nachbar-Kita.
Auf Erzieher, die nicht am Streik teilgenommen und sich an der Notbetreuung beteiligt haben, müssen die Eltern dann aber verzichten. Sie werden als Erste zum Notdienst verpflichtet. Zwar darf man bei einer Notdienst-Vereinbarung den benötigten streikenden Gewerkschaftsmitgliedern ihr Grundrecht auf Streik entziehen, will davon aber nur in möglichst wenigen Fällen Gebrauch machen.
Voraussetzung für die Fortführung der Elternbetreuung an den Kitas ist laut Ver.di, dass es sich um durch den Streik geschlossene Einrichtungen handelt und nicht um solche, in denen ein Notdienst vereinbart wurde. (dpa/fru)