Hamburg. Die Sozialbehörde beantragt einen Nachtragshaushalt. Das umgebaute Schiff „Sea Watch“ wurde für die Flüchtlingshilfe im Mittelmeer getauft.

Hamburg reagiert auf die steigenden Flüchtlingszahlen und legt einen Nachtragshaushalt zur Finanzierung der Unterkünfte und Betreuung auf. „Bei anhaltend hohem Zuzug ist absehbar, dass die 2015 zur Verfügung stehende Geld nicht ausreichen wird und wir die Bürgerschaft deshalb voraussichtlich um zusätzliche Mittel bitten müssen“, sagte Marcel Schweitzer, Sprecher der Sozialbehörde. Im vergangenen Jahr betrugen die Ausgaben dafür rund 300 Millionen Euro.

Wie hoch die zusätzlichen Kosten genau sein werden, lässt sich noch nicht abschätzen. Das hat auch damit zu tun, dass die Prognosen, wie viele Flüchtlinge nach Deutschland kommen und anschließend auf die 16 Bundesländer verteilt werden, nicht zutreffen. Derzeit geht das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) davon aus, dass in diesem Jahr 300.000 Menschen in Deutschland Asyl beantragen werden. Der Krieg in Nahost halte an, die Konflikte und Armut in Afrika auch. In Hamburgs Innenbehörde geht man von 400.000 bis 450.000 Asylsuchenden aus. In Schleswig-Holstein sogar von bis zu 550.000 Asylanträgen.

Nun planen die Behörden Unterbringung und Betreuung auf Basis der höheren Prognosen. Das wirkt sich auch auf die Zahl der bereitzustellenden Sozialarbeiter aus oder auf die Planung neuer Vorbereitungs- und Alphabetisierungsklassen.

Der Grund für die unterschiedlichen Prognosen von Bund und Ländern liegt an der Art der Erfassung. Das BAMF rechnet die ihm gemeldeten Asylantragszahlen für die Vorhersage hoch. Das Problem: Die tatsächlichen Neuzugänge in den Ländern sind dabei noch nicht berücksichtigt, weil die BAMF-Außenstellen diese Zahlen erst mit zum Teil großer Zeitverzögerung an die Zentrale in Nürnberg übermitteln. In Hamburg, wo es nur eine Außenstelle gibt, dauert dieser Prozess etwa sechs bis acht Wochen. In Baden-Württemberg mit mehreren Außenstellen dauert es dagegen Monate.

Hamburg rechnet mit mehr Asylanträgen als der Bund

Weil die BAMF-Zahlen bei der Berechnung des tatsächlichen Bedarfs an Unterbringungen nicht verlässlich sind, erstellt Hamburg seit Beginn des Jahres laut Innenbehörden-Sprecher Frank Reschreiter selbst Prognosen. Nach der Hamburger Rechnung wurden für Februar 1080 Asylanträge erwartet. Nach Zahlen des BAMF waren es dagegen nur 745.

Andere Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen, Hessen, Schleswig-Holstein und Brandenburg hatten dagegen das Bundesamt aufgefordert, die Prognose nach oben zu korrigieren. Die Flüchtlingsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), sprach sich nun dagegen aus. „Wir müssen uns darauf einstellen, dass 2015 noch mehr Menschen kommen werden als 2014”, sagte Özoguz. Sie halte aber nichts davon, die Zahlen von Januar und Februar einfach hochzurechnen.

Auch ohne Hochrechnung hat Hamburg Schwierigkeiten, den Bedarf an Unterbringungen zu decken. Rund 1200 Menschen warten in der sogenannten Massen-Erstunterbringung auf einen Platz in einer ihnen eigentlich zustehenden etwas großzügigeren Folgeunterbringung. Aber es fehlt an Standorten, und der Aufbau nimmt viel Zeit in Anspruch. „In diesem Jahr werden wir zusätzlich an 31 Standorten rund 5600 Unterkunftsplätze zur Verfügung stellen können“, so Behördensprecher Schweitzer. Dann wird es rund 100 Standorte für etwa 20.000 Flüchtlinge in Hamburg geben.

Viele von ihnen kommen über das Mittelmeer nach Europa. Genau dorthin macht sich nun das 98 Jahre alte Schiff „Sea Watch“ auf. Am Freitag taufte die Crew den umgebauten Fischkutter in Finkenwerder. Seeleute, Ärzte und Anwälte haben sich ehrenamtlich zusammengeschlossen, „um dem massenhaften Sterben im Mittelmeer und der restriktiven Flüchtlingspolitik eine Antwort entgegenzusetzen“.

Mit ihrem Schiff „Sea Watch“ wollen sie Menschen retten, die zwischen Libyen und Malta in Not geraten. Der Kutter ist aber auch ein Zeichen gegen die EU-Grenzpolitik. Zuletzt hatten die EU-Staaten die italienische Rettungsmission „Mare Nostrum“ nicht mehr verlängert. Die neue EU-Mission sucht nun nicht mehr nach Flüchtlingen, sondern stärkt den italienischen Grenzschutz. „Wir wollen nicht länger tatenlos zusehen, wie Menschen im Mittelmeer sterben“, sagte Initiator Harald Höppner. Um den Flüchtlingen helfen zu können, soll das Schiff als „schwimmende Telefonzelle“ im Notfall Boote der Küstenwache und private Schiffe per Funk um Hilfe rufen. Um selbst Hilfe leisten zu können, befinden sich Hunderte Schwimmwesten und Rettungsinseln an Bord.