Teil 5: Gondeln verbinden seit 2011 die Altstadt von Koblenz und die Festung Ehrenbreitstein. Bürger und Politik sind begeistert. Die Unesco hat den Weiterbetrieb bis 2026 erlaubt.

Hamburg/Koblenz. „Ein Geschenk“, „eine Bereicherung", „eine Touristenattraktion“ oder „ein Glücksgriff.“ All diese Lobeshymnen gelten der Seilbahn in Koblenz und stammen vom Oberbürgermeister, Touristikern, Einheimischen oder Fahrgästen.

Das Abendblatt hat die 110.000-Einwohner-Stadt am Rhein besucht. Denn dieses Verkehrsmittel ist auch in Hamburg momentan das Gesprächsthema. Am Sonntag endet der Bürgerentscheid zur Seilbahn von St. Pauli über die Elbe zu den Musicaltheatern auf Steinwerder. Dann wird sich zeigen, ob die Mehrheit der rund 200.000 Wahlberechtigten im Seilbahnfieber ist oder ob es das Aus für das spektakuläre Vorhaben bedeutet.

Aber zurück nach Koblenz, der drittgrößten Stadt in Rheinland-Pfalz. Die 18 Gondeln – der offizielle Betrieb wurde 2011 aufgenommen – schweben über dem Rhein, der hier am Deutschen Eck auf die Mosel trifft. Der Blick reicht weit über das Unesco-Welterbe Oberes Mittelrheintal. Die Stadt und das berühmte Kaiser-Wilhelm-Denkmal liegen dem Fahrgast zu Füßen. 112 Höhenmeter werden zurückgelegt. Die Seilbahn braucht für die 890 Meter lange Strecke vom Konrad-Adenauer-Ufer am Rande der Altstadt auf die Festung Ehrenbreitstein etwa vier Minuten.

Der Grundstein für die imposante Festung wurde 1817 gelegt, heute beherbergt das weitläufige Gebäudeensemble mehrere Museen und wird für Open-Air-Veranstaltungen genutzt.

1,2 Millionen Fahrgäste zählte der Betreiber Doppelmayr, der auch die Seilbahn in Hamburg bauen möchte, im vergangenen Jahr. Ein gutes Geschäft. Für die Koblenzer aber vor allem eine Herzensangelegenheit: „Es war fantastisch“, sagt Oberbürgermeister Joachim Hofmann-Göttig (SPD), wenn er sich an seine erste Fahrt mit der Seilbahn im Jahr 2010 erinnert.

Die fuhr damals noch im Probebetrieb, vor der offiziellen Eröffnung anlässlich der Bundesgartenschau (Buga) im Jahr 2011. Schon damals seien 100.000 Menschen im Testbetrieb auf die Festung Ehrenbreitstein gefahren: „Als die Seilbahn da war, hatten die Koblenzer sie sofort ins Herz geschlossen“, sagt Oberbürgermeister Hofmann-Göttig im Hamburger-Abendblatt-Gespräch.

Auch in Koblenz hatte es Vorbehalte gegeben

Das war nicht immer so. Auch in Koblenz hatte es Vorbehalte innerhalb der Bevölkerung und beim Umweltverband BUND gegen eine Seilbahn über den Rhein gegeben. Schon im Jahr 2004/2005 habe die Diskussion über den Bau einer Seilbahn zur Buga begonnen. Vor allem das Landesamt für Denkmalschutzpflege habe Einwände gehabt, so Hofmann-Göttig. Denn die Sichtachse auf die Basilika St. Kastor, der ältesten Kirche der Stadt, wird beeinträchtigt. Das liegt am Standort. Die Talstation der Seilbahn grenzt direkt an die Mauern des Kirchgartens.

Damals war Hofmann-Göttig noch Kultusstaatssekretär des Landes Rheinland-Pfalz und musste vermitteln – mit Erfolg: „Wir brauchten dieses Verkehrsmittel für die Buga. Denn die Fahrt mit dem Bus von der Altstadt über den Rhein bis zur Festung dauert eine halbe Stunde.“ Ein Argument von Hofmann-Göttig war, dass es nur eine temporäre Nutzung bis Oktober 2013 geben werde und anschließend der Rückbau erfolge. Schließlich stimmten die Denkmalschützer zu. Doch dann nach der erfolgreichen Buga mit 3,6 Millionen Besuchern – sechs Millionen Fahrten zählten die Seilbahnbetreiber – kam alles anders: „Uns wurde immer mehr bewusst, was für ein Geschenk diese Seilbahn für Koblenz ist. Die Menschen waren stolz, und außerdem zog es Touristen an“, so Hofmann-Göttig. Darüber seien sich auch alle Parteien im Stadtrat einig gewesen.

Die Seilbahn sollte bleiben. Der Stadtrat stimmte zwar einstimmig einer Änderung des Bebauungsplans zu, ermöglichte so einen Verbleib der Seilbahn. Aber das reichte nicht aus. Das mächtige Unesco-Welterbekomitee musste überzeugt werden. Denn da gab es ja das Versprechen an die Unesco, dass es 2014 einen Rückbau geben sollte, um den prestigeträchtigen Welterbestatus des Oberen Mittelrheintals nicht zu gefährden

Der Kampf für die Seilbahn begann. Zu den Hauptakteuren zählte Anna Maria Schuster, ehrenamtliche Geschäftsführerin und Vorstandsmitglied vom Verein „Freunde der Bundesgartenschau“ – der inzwischen fast 1000 Mitglieder hat. Mit ihren Mitstreitern sammelte die 60-Jährige rund 105.000 Unterschriften für einen Weiterbetrieb: „Es war ein großer Zusammenhalt in der Stadt zu spüren. Denn wir Koblenzer verfolgten alle nur ein Ziel, diese Bereicherung für die Stadt zu erhalten“, so Schuster. Wenn es um die Seilbahn geht, ist die ehemalige Telekom-Mitarbeiterin in ihrem Element: „Wir wussten, es wird schwierig, die Unesco zu überzeugen. Aber das war die Herausforderung.“

Festung Ehrenbreitstein profitiert von der Verbindung

Die Stadt selbst gab eine repräsentative Umfrage in Auftrag, und 90 Prozent der Koblenzer sprachen sich für einen Erhalt aus. Mitte Juni vergangenen Jahres stand die Entscheidung an. Das Unesco-Welterbekomitee tagte in Phnom Penh (Kambodscha). Wenige Tage vor der Sitzung demonstrierten rund 3500 Bürger an der Talstation in Koblenz für den Erhalt ihrer Seilbahn – mit dabei Oberbürgermeister Hofmann-Göttig und der rheinland-pfälzische Infrastrukturminister Roger Lewentz (SPD). Das Engagement der Koblenzer und der Politik beeindruckte die Entscheidungsträger in Phnom Penh: Die Unesco-Vertreter verständigten sich auf einen Betrieb der Seilbahn bis 2026. Dann endet die technische Betriebsdauer, und sie müsste sowieso abgebaut werden: „Diese Nachricht hat die Stadt in Euphorie versetzt“, sagt Hofmann-Göttig, der 2009 als „unabhängiger Kandidat mit 54,4 Prozent in sein Amt gewählt wurde.

Die Festung Ehrenbreitstein profitiert von der Verbindung: „Mit der Seilbahn sind die Altstadt und die Festung zusammengewachsen. Die Besucherzahlen entwickeln sich positiv“, sagt Brigitte Schmutzler, Direktorin des Landesmuseums Koblenz. Das gilt auch für die Übernachtungszahlen. Die sind in Koblenz 2013 um 3,6 Prozent auf 627.627 gestiegen: „Das ist natürlich auch der Seilbahn zu verdanken, die ein echter Glücksgriff für die Stadt ist“, sagt Jochen Benekenstein-Schultheiss, Sprecher der Koblenz-Touristik. Das weiß auch die Kioskverkäuferin gegenüber der Talstation. Hier gibt es Postkarten und Wandteller mit der Seilbahn zu kaufen: „Die Touristen sind nach der Fahrt immer ganz begeistert.“

Die Seilbahn scheint Kultstatus zu haben. Wo sind die Kritiker? Schwierig. Selbst BUND-Landesvorstandsmitglied Egbert Bialk scheint seinen Frieden gemacht zu haben: „Es ist ein ökologisches Verkehrsmittel und hat durchaus seine Berechtigung.“ Aber dann kommt noch Kritik von Bialk: Dass die Sichtachse vom Rhein aus auf die Basilika St. Kastor durch die Seilbahn dermaßen beeinträchtigt werde sei eine Katastrophe.

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