Teil 4: Drei Unterstützer und drei Gegner des Projekts kommen im Hamburger Abendblatt zu Wort. Am Sonntag stimmen die Bewohner von Hamburg-Mitte über das umstrittene Projekt ab.
St. Pauli. Noch bis zum Sonntag können rund 200.000 Wahlberechtigte im Bezirk Hamburg-Mitte in einem Bürgerentscheid darüber abstimmen, ob sie eine Seilbahn über die Elbe haben möchten oder nicht. Sie würde von der Glacischaussee auf St. Pauli in rund 80 Meter Höhe zu den Musicaltheatern auf der südlichen Elbseite führen. Wer sind die Initiatoren? Wer sind die Gegner? Das Abendblatt stellt sie vor.
Der Seilbahnbauer: Michael Doppelmayr
Die Seilbahnen von Doppelmayr stehen in aller Welt. Nicht nur in den Alpen, sondern auch in Metropolen wie London und Venedig. Derzeit baut das Unternehmen das größte urbane Seilbahnnetz der Welt im bolivianischen La Paz. Aber Hamburg ist noch ein weißer Fleck auf der Landkarte von Michael Doppelmayr. Für den österreichischen Unternehmer ist es eine Herausforderung, die Hanseaten von seinem Plan zu überzeugen. Zum einen wäre eine Seilbahn durch den berühmten Hamburger Hafen gut für das Image des Herstellers, außerdem dürfte es ein lukratives Geschäft sein. Auch wenn Doppelmayr gemeinsam mit Stage Entertainment die Kosten von rund 35 Millionen Euro übernehmen würde, gibt er zu , dass der Bau einer Seilbahn keine soziale Tat, sondern eine wirtschaftliche Entscheidung sei, die sich auch rentieren müsse.
Michael Doppelmayr ist kein Mensch, der die Öffentlichkeit sucht. Aber er beobachtet an seinem Firmensitz bei Bregenz sehr aufmerksam das Geschehen und die Stimmungslage in der heißen Phase des Seilbahn-Wahlkampfs. Damit die Befürworter ihre aufwendige Kampagne „Ja zur Seilbahn“ umsetzen können, werden sie finanziell großzügig von Doppelmayr unterstützt. Wenn der Bürgerentscheid nicht positiv ausfällt, wäre das auch eine persönliche Niederlage für den erfolgsverwöhnten Unternehmer.
Die Frau hinter der Gegen-Initiative: Sabrina Hirche
„Keine Seilbahn von St. Pauli über die Elbe.“ So lautet das Motto der Initiative, die Sabrina Hirche mit ins Leben gerufen hat. Als die St. Paulianerin 2011 zum ersten Mal erfuhr, dass es Pläne für eine Seilbahn über die Elbe gibt, war sie „entsetzt. Ich hatte sofort ein Bild von riesigen Stahlpfeilern im Kopf, die ein Seil über unsere geliebte Elbe spannen und das wunderbare Hafenpanorama zerstören würden.“ Die 32-Jährige, die ihre Kindheit zwischen Michel und Elbe verbrachte, hat sich intensiv mit der Seilbahn befasst und wurde zur engagierten Gegnerin. Sie warnt vor einem Verkehrsinfarkt für den schon von Veranstaltungen stark strapazierten Kiez.
Außerdem befürchtet die Angestellte im öffentlichen Dienst, dass der Alte Elbpark, der für sie die historische Stadtgrenze und Naherholungsgebiet des Viertels darstellt, stark in Mitleidenschaft gezogen werden würde. Viel Geld hat Sabrina Hirche für ihre Kampagne nicht zur Verfügung, es gibt keinen großzügigen Sponsor wie bei den Befürwortern. Aber trotzdem hat sie Flyer drucken lassen, macht auf Facebook gegen die Seilbahn mobil und versucht auf Wochenmärkten die Bürger von ihrer Meinung zu überzeugen. Immer mit dem Ziel, dass sich die Menschen dagegen entscheiden.
Die Unterstützerin: Herlind Gundelach
Ausgelatschte Pfade gehen kann ja jeder. Herlind Gundelach reizen eher die unbeschrittenen Wege. Als die gebürtige Aalenerin 2004 als Staatsrätin der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt nach Hamburg kam, zog sie nicht etwa in einen Altbau in Winterhude oder eine Villa in Blankenese, sondern in ein Passivhaus in Wilhelmsburg. Das war ein Statement: Seht her, ich glaube an neue Techniken und an einen aufstrebenden Stadtteil! Später, als Wissenschaftssenatorin, überraschte sie mit der Idee, die Universität im Hafen neu zu bauen. Sie sieht es bis heute als verpasste Chance an, dass sie gegen die Bedenkenträger im Univiertel und im Hafen nicht ankam. Nun also die Seilbahn. Wieder etwas Neues, etwas Nicht-Hamburgisches. Und wieder war Herlind Gundelach, mittlerweile Vorsitzende der CDU Hamburg-Mitte und Bundestagsabgeordnete, an vorderster Front dabei, sammelte Unterschriften und gab der Bürgerinitiative „Hamburger Seilbahn – Ich bin dafür!“ ein prominentes Gesicht.
Warum? „Eine Seilbahn kann viele Menschen transportieren, ist leise, stinkt nicht, schnell aufzubauen und würde die Stadt nicht mal etwas kosten. Und wenn sie einem nicht gefällt, wird sie halt nach zehn Jahren wieder abgebaut. Warum soll man das nicht ausprobieren? Nur weil es das in Hamburg noch nie gab? Wegen zweier Pfosten im Stadtbild? Weil es noch mehr Touristen anlockt?“ Solche Bedenken hält sie für vorgeschoben. Ihr zweites Motiv entspringt ihrem Wohnort: „Mich motiviert, die Seilbahn nach Süden weiterzuführen.“ Nach Wilhelmsburg, „ihren“ Stadtteil, der dringend eine bessere Anbindung braucht. Die Bedenken der Hafenwirtschaft hält sie für überwindbar und kämpft daher für einen Anfang. „Wenn erst der kleine Teil da ist, wird irgendwann der größere kommen.“
Der Grüne Gegner: Michael Osterburg
Die Grünen und eine Seilbahn durch den Hafen – das passt nicht. Das sieht auch Michael Osterburg so. Der Grünen-Fraktionschef im Bezirk Mitte ist ein überzeugter Gegner des Projekts. Das gilt auch für seine neun Fraktionsmitglieder. Mit der Ablehnung des Bürgerbegehrens, haben die Grünen den Weg für den Bürgerentscheid frei gemacht. Das findet Osterburg konsequent: „So sieht moderne Demokratie aus, nun haben die Menschen in Mitte das Sagen.“ Die Bedenken des Politikers sind vielfältig: ein „Monstrum, hässlich“, und der kalkulierte Ticketpreis von 6Euro pro Fahrt sei viel zu teuer. Das sind nur einige seiner Argumente. Für den Politiker steht fest: „Die Seilbahn ist kein Verkehrsmittel, sondern nur ein Musicalzubringer.“
Die Musicalmacherin: Uschi Neuss
Stage Entertainment eröffnet im November das zweite Musicaltheater auf Steinwerder. Das Unternehmen wäre also der Hauptnutznießer der Seilbahn. Jeden Abend müssen dann rund 1850 Besucher zum neuen Musical das „Wunder von Bern" und 2030 Gäste zu dem Klassiker der „König der Löwen" gebracht werden. Die Seilbahn könnte eine attraktive Alternative zu den Barkassen sein. Das weiß auch Stage-Entertainment-Chefin Uschi Neuss. Die gebürtige Brühlerin ist seit September 2013 an der Spitze des Unternehmens. Die 48-Jährige folgte auf Johannes Mock O'Hara, der das Projekt vorangetrieben hatte, sich aber mit Stage-Entertainment-Inhaber Joop van den Ende überworfen hatte und gehen musste.
Anders als ihr Vorgänger hält sich Uschi Neuss mit öffentlichen Lobeshymnen auf die Seilbahn zurück. Besser gesagt, es gibt überhaupt keine Äußerung von ihr zu dem Vorhaben. Das ist Taktik. Denn so hat Uschi Neuss alles im Griff: Geht der Bürgerentscheid schief, so erwartet keiner große Statements der Stage-Chefin. Geben die Menschen in Mitte grünes Licht, kann die Theaterwissenschaftlerin immer noch aus der Deckung kommen und den Erfolg entsprechend kommentieren.
Gegner und Bezirksamtsleiter: Andy Grote
Bezirksamtsleiter sind Verwaltungschefs, keine Politiker. De facto haben „Bezirksbürgermeister“ aber eine politische Funktion, und das gilt in Hamburg-Mitte – mit Hauptbahnhof, Rathaus, Hafen und Kiez – mehr als anderswo. Und so hat Andy Grote, seit April 2012 Chef im Bezirksamt, sich von Anfang an klar positioniert. „Die Seilbahn hat praktisch keine Verkehrsfunktion und stellt eine reine Touristenattraktion dar, die ein Riesenrad viel besser erfüllen kann“, sagte der 46-jährige Sozialdemokrat schon früh.
Auch später, als der Senat sich entschieden hatte, über das Thema nicht zu entscheiden, sondern es dem Bezirk zu überlassen, änderte Grote seine Meinung nicht. Mochte man es sich im Rathaus weder mit der einen noch mit der anderen Seite verscherzen, stand Grote vor allem an der Seite der St. Paulianer, zu denen er selbst gehört. „Die bereits jetzt durch Tourismus und Vergnügungssuchende aller Art stark belasteten Stadtteile Neustadt und St. Pauli sind keine Freizeitparks, sondern zuallererst Heimat für ihre Bewohner“, schrieb Grote in einem Beitrag für das Abendblatt. Von der Überbauung des Eingangs zu Planten un Blomen über den Einfluss aufs Stadtbild (Grote: „Eine Schneise durch den historischen Stadtgrundriss“) bis hin zur der aus seiner Sicht zweifelhaften Verkehrsfunktion führt Grote diverse Gründe an, warum er gegen die Seilbahn ist. Sein Vorteil: Selbst wenn die Bürger doch dafür votieren, kann er bei seiner Meinung bleiben. Denn die Baugenehmigung müsste nicht sein Bezirksamt erteilen, sondern die Wirtschaftsbehörde.
Lesen Sie morgen Teil 5: Wie Koblenz mit der Seilbahn lebt