Mediziner in der Hansestadt sind Verlierer der bundesweiten Honorarerhöhung. Privatpatienten sichern Überleben der Praxen.
Hamburg. Die Nachricht hörte sich zuerst so gut an: Die niedergelassenen Ärzte in Deutschland erhalten im kommenden Jahr ein neues Rekordhonorar. Mehr als 500 Millionen Euro mehr sollen nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung für die Mediziner zusätzlich ausgegeben werden. Die 4210 betroffenen Ärzte aus Hamburg gehen dabei aber leer aus. Jeder Arzt erhält nur so viel Geld aus dem Topf, wie für die Grundbehandlung des Patienten nötig ist. Gehen die Patienten mit dieser Erkrankung aber öfter zum Arzt, gibt's kein Geld zusätzlich. Davon sind vor allem die Hamburger Ärzte betroffen
"Von einer gerechten Verteilung kann man hier ganz gewiss nicht sprechen", sagt Allgemeinmediziner Dr. Andres Jahnke aus Altona. "Wir bekommen von dem großen Kuchen nichts ab." Von einem "Rekordhonorar" möchte Jahnke allerdings nicht sprechen. Seit Jahren stünde den Allgemeinmedizinern nicht genug Geld zur Verfügung. "In den letzten zwei Jahren lag die Unterfinanzierung bei rund 20 Prozent, davor hatten wir sogar einen Wert von 30 Prozent", so Jahnke.
Jetzt zeichnet sich wieder eine negative Tendenz ab. "Im Herbstquartal haben wir für die Grundbehandlung eines Patienten 38 Euro bekommen, in diesem Quartal werden es nur rund 33 Euro sein. Alles, was darüber an Regelleistungen hinausgeht, machen wir unbezahlt. Ausgeschlossen von den Regelleistungen sind präventive Leistungen wie Impfungen oder Check-ups."
Auch Wolfgang Rektor, Internist in Ottensen, ist unzufrieden. Er macht nach seiner Sprechstunde Hausbesuche - und kommt so oft auf eine 70-Stunden-Woche. "Mein Stundenlohn entspricht dem eines Facharbeiters." Die Vergünstigungen durch die Honorarreform, die ihm im vergangenen Jahr 20 Prozent mehr bei der Behandlung von Kassenpatienten einbrachten, wurden ab dem dritten Quartal dieses Jahres wieder gestrichen. "Damit falle ich auf das Niveau von 2008 zurück", sagt der Internist. Ein weiteres Problem der Hamburger Ärzte sei der sogenannte Fremdkassenausgleich, bei dem die pauschale Vergütung, die die Kassenärztliche Vereinigung für die Patienten aus dem Hamburger Umland erhält, deutlich herabgesenkt wurde. "Um diesen Verlust auszugleichen, wird uns Kassenärzten weniger Geld zugeteilt", sagt Wolfgang Rektor. "Ich arbeite jetzt wieder etwa ein Drittel meiner Arbeitszeit ohne wirkliche Vergütung."
Dass für die Hamburger Ärzte von der Milliarden-Ausschüttung nichts abfällt, empört ihn. "Ich kann das nicht nachvollziehen, sagt er. "Das ist ein einziges Geklüngel und Geschiebe nach dem Motto: Wer die meisten Lobbyisten hat und am lautesten schreit, bekommt den Zuschlag."
Sein Glück: Weil sich die Bevölkerungsstruktur von Ottensen in den vergangenen Jahren verändert hat, sind mehr als 15 Prozent seiner Patienten privat versichert. Während das Budget für Kassenpatienten begrenzt ist, kann er bei ihnen mehr abrechnen - sie kommen also in einer Art Querfinanzierung für diese auf. Wer nur Kassenpatienten betreue, müsse diese im Fünf-Minuten-Takt abfertigen, ergänzt Internist Wolfgang Weber aus Othmarschen.
Auch die Kassenärztliche Vereinigung Hamburg moniert die Verteilung des veranschlagten Budgets von 500 Millionen Euro. "Ohne angemessene Beteiligung der Hamburger Ärzte an der bundesweiten Honorarentwicklung wird es in der Stadt überproportionale Leistungseinschränkungen geben", befürchtet Dieter Bollmann, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung (KVHH) in Hamburg. Michael Späth, Vorsitzender der Vertreterversammlung der KVHH, spricht sogar von einer "Verteilung nach politischer Willkür". Ihm zufolge würden Hamburger Ärzte jährlich eine Honorarsteigerung von mindestens drei Prozent benötigen, um neben steigenden Praxis- und Lebenshaltungskosten auch noch den zunehmenden Versorgungsbedarf ausgleichen zu können.
Insgesamt soll das Honorar der 150 000 Kassenärzte in Deutschland nach dem Verhandlungsergebnis vom Dienstag auf etwa 33 Milliarden Euro steigen. Mit 500 Millionen Euro sollen Ärzte bessergestellt werden, die zuletzt einen geringeren Zuwachs bekämen. Neben Hamburg werden auch Berlin und Mecklenburg-Vorpommern nichts von den Honorarerhöhungen zu spüren bekommen. Die größten Gewinner sind Ärzte in Nordrhein-Westfahlen.