Die EU-Kommission hat keine Bedenken gegen die Elbvertiefung, doch das Land Niedersachsen zögert noch mit seiner Zustimmung.
Hamburg. Ein gutes Jahr haben die Planer gewartet, mussten sich dann Nachfragen aus Brüssel zu ihren eingereichten Unterlagen gefallen lassen - und jetzt liegt sie offiziell vor: Gestern ist in Hamburg eine positive Stellungnahme der EU-Kommission zur umstrittenen Elbvertiefung eingetroffen. Das bestätigte die Wirtschaftsbehörde, die nun nach eigener Darstellung davon ausgeht, dass im Frühjahr 2012 auch der Planfeststellungsbeschluss vorliegen kann. Zuvor müsse aber noch mit Niedersachsen und Schleswig-Holstein über das Einvernehmen verhandelt werden, hieß es. Und zumindest die Position Niedersachsens ist offensichtlich weiter sehr skeptisch: Immer noch gelte "Sorgfalt vor Eile", sagte Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU) gestern. Anfang des Jahres wolle er die Unterlagen in Ruhe prüfen.
Wie in einem internen Behördenpapier aus Brüssel (das dem Abendblatt vorliegt) schon vorab formuliert wurde, orientiert sich die Einschätzung aus Brüssel offenbar eng an der Planbegründung durch Hamburg und den Bund, die beide Träger des Vorhabens sind, das künftig Schiffen einen größeren Tiefgang auf der Elbe ermöglichen soll. Bisher haben vor allem auslaufende Frachter nur ein sehr enges Zeitfenster in Hamburg, um die höhere Flut ausnutzen zu können. Ladungsströme könnten daher zu anderen europäischen Häfen abfließen, befürchtet die Hafenwirtschaft.
+++ EU-Umweltkommission sieht kein Salzproblem bei Elbvertiefung +++
+++ Mögliche Versalzung der Elbe: Obstbau in Gefahr? +++
Zu Elbvertiefung und Verbreiterung der Fahrrinne gebe es keine Alternative, sie sei aus zwingenden Gründen im "überwiegend öffentlichen Interesse", und Eingriffe in die Natur würden in Menge und Qualität mehr als ausgeglichen, so lautet jetzt sinngemäß die Einschätzung der Kommission. Ihre Stellungnahme war nötig geworden, weil mit der Vertiefung EU-Naturschutzrechte betroffen sind. So galt es vor allem zu prüfen, ob der Bestand des Schierlings-Wasserfenchel gefährdet wird, der weltweit nur noch an der Unterelbe zu finden ist. Die Position aus Brüssel ist zwar nicht Voraussetzung für eine spätere Genehmigung, sie gilt aber als wichtiges Argument bei den zu erwartenden Gerichtsverhandlungen.
Die Reaktionen darauf fielen gestern - wie stets bei den Etappen des seit fast zehn Jahren geplanten Projekts - sehr unterschiedlich aus: Die Feststellung der EU-Kommission, dass es zu diesem Vorhaben keine Alternativen gebe, bestätige, wie wichtig das Vorhaben für die Region sei, heißt es in der Hafenwirtschaft. Der Präsident des Unternehmensverbands Hafen Hamburg und frühere Wirtschaftsstaatsrat Gunther Bonz hält die Stellungnahme daher für einen "wichtigen Meilenstein", wie er sagte. Bonz: "Die Umweltverbände sollten angesichts dieser Stellungnahme ihren Widerstand aufgeben, damit dieses Projekt im Interesse der Region zügig realisiert werden kann und auch die Natur mehr erhält, als an Beeinträchtigungen mit dem Vorhaben verbunden sind."
Das sehen die Umweltverbände Nabu, BUND und WWF aber eben völlig anders. Für sie ist die Stellungnahme kein "Freifahrtschein für die Elbvertiefung", wie es in einer gemeinsamen Stellungnahme formuliert ist. Die EU sei schlicht auf politischen Druck der "Wirtschaftslobby" gefolgt und habe sich allein auf die Aussagen der Planer gestützt, heißt es darin weiter.
Unterschiedlich fallen auch die Reaktionen der politischen Parteien in Hamburg aus: Der SPD-Fraktionschef in der Bürgerschaft, Andreas Dressel, begrüßte die EU-Position: "Die intensive Vorarbeit von Senat und Wirtschaftsbehörde hat sich gelohnt. Und es ist gut, dass hier Hamburg und der BUND Seite an Seite gegangen sind. Die nationale Bedeutung des Hamburger Hafens wird endlich auch in Berlin anerkannt."
Auch die FDP und CDU äußerten sich positiv. Die CDU-Politikerin Karin Prien forderte, dass der Senat nun zügig auf die Nachbarländer Niedersachsen und Schleswig-Holstein zugehen müsse, um deren Einvernehmen zu erhalten.
Der GAL-Wirtschaftsexperte Anjes Tjarks und Gegner der Vertiefung warnte indes vor allzu viel Jubel: "Es war nicht zu erwarten, dass die EU-Kommission die Elbvertiefung stoppen würde. Deswegen hat die Elbvertiefung heute auch nicht die entscheidende Hürde genommen. Spannend wird es erst im nächsten Frühjahr, wenn das Bundesverwaltungsgericht über die angekündigten Klagen der Naturschutzverbände entscheidet." Zudem erinnerte der Grünen-Politiker an die Auflagen, die die EU-Kommission auch einfordert. Etwa, dass die Ausgleichsmaßnahmen zeitnah umzusetzen und zu finanzieren seien. Eine Forderung, die nicht von ungefähr kommt: Ausgleichsmaßnahmen zur letzten Elbvertiefung von 1999 wurden zum Teil erst mit jahrelangem Verzug angegangen.