Schützenhilfe aus Brüssel: Stellungnahme betont überragendes öffentliches Interesse am Projekt Elbvertiefung, nennt aber auch Bedingungen.
Hamburg. Anfang vergangener Woche schon dürfte mancher Gegner der umstrittenen Elbvertiefung geahnt haben, dass in dieser Sache kaum noch mit Schützenhilfe durch die EU zu rechnen ist. Die Post jedenfalls, die die beiden Elbgemeinden Lühe und Jork aus Brüssel bekommen hatten, war eindeutig. Probleme mit einer Verschiebung der salzhaltigen Brackwasserzone durch die Elbvertiefung, wie von beiden Gemeinden befürchtet, sehe man nicht, hieß es da. Und auch die offizielle Stellungnahme der EU-Kommission fällt wohl eindeutig zugunsten des Projekts aus. Das geht jedenfalls aus einem mehrseitigen Papier hervor, das derzeit innerhalb der Kommission noch abgestimmt wird und das dem Abendblatt vorliegt. Ursprünglich sollte der Text schon vergangenen Dienstag verabschiedet werden. Dann gab es noch eine fehlende Übersetzung, nun setzen die Hamburger Planer auf den kommenden Dienstag, an dem die endgültige Fassung beschlossen werden könnte.
In dem vorliegenden Schreiben ist die Marschrichtung deutlich: Die Kommission sehe in dem Projekt ein überragendes öffentliches Interesse ohne wirkliche Alternativen, heißt es dort sinngemäß. Die Vertiefung würde zwar Effekte auf die Natur und auch für die besonders schützenswerte Pflanze Wasserschierlingsfenchel bringen - doch nach Auffassung des in dieser Sache federführenden EU-Umweltkommissars Janez Potocnik werden die vorgesehenen Ausgleichsflächen nicht nur größer sein als die betroffenen Areale, sondern sie würden auch eine höhere ökologische Wertigkeit bekommen.
Einen Freibrief liefert das Papier aus Brüssel aber nicht. Es werden darin auch konkrete Bedingungen genannt: Die Kompensation und begleitende Messungen nach der Vertiefung müssen finanziert sein und zeitnah erfolgen. Zudem sollen deutsche Behörden detaillierte Reporte über mögliche Folgen des Projekts ins Internet stellen und halbjährlich aktualisieren.
Mit der Elbvertiefung werden einzelne Kuppen in der Fahrrinne so abgebaggert, dass große Schiffe künftig mit durchschnittlich einem Meter mehr Tiefgang tidenunabhängig auf der Elbe fahren und dann mehr Ladung transportieren können. Ohne Vertiefung würde Hamburg Ladungsströme an andere Häfen verlieren, argumentieren die Befürworter. Kritiker warnen vor ökologischen Folgen.
Das Papier der EU-Kommission ist notwendig, weil mit der Elbvertiefung europäische Naturschutzrechte berührt werden. Dabei geht es vor allem um den Wasserschierlingsfenchel, der weltweit nur nur noch an der Unterelbe zu finden ist. Die empfindliche Pflanze ist gefährdet, wenn sich die Brackwasserzone - also jene Zone, in der sich Salz und Süßwasser mischen - deutlich weiter stromaufwärts verlagern würde. Nach Berechnungen der Planer könnte sich die Zone um maximal einen Kilometer verschieben. Andere Studien, auf die sich die Elbgemeinden berufen, gehen von bis zu 13 Kilometern aus. Die EU-Kommission folgt in ihrer Stellungnahme nun wohl weitgehend den Schlussfolgerungen der Planer.
Die Einschätzung aus Brüssel gilt als ein wichtiger Meilenstein zur Realisierung des Projekts, das schon mehrfach verschoben werden musste. Eine positive Antwort ist zwar nicht Voraussetzung für einen Planfeststellungsbeschluss. Doch sie gilt als wichtiges Rüstzeug im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung - zu der es aller Wahrscheinlichkeit nach bald kommen wird, da Umweltverbände bereits Klagen angekündigt haben. Sollte die Stellungsnahme in der kommenden Woche vorliegen, will Hamburg nach Aussagen der Wirtschaftsbehörden sogleich in die sogenannten Einvernehmensverhandlungen mit Niedersachsen einsteigen.
Dabei dürfte es dann noch einmal um das Thema Salz gehen. Obstbauern im Alten Land befürchten eine Verschiebung der Salzgrenze - was Bewässerung und Frostschutz ihrer Plantagen erschweren würde. Abhilfe könnten neue Regenrückhaltebecken und ähnliche Anlagen bieten, über deren Finanzierung dann wohl verhandelt wird.
Bisheriger Zeitplan danach: Anfang 2012 könnte der Planfeststellungsbeschluss vorliegen - dann wird mit einem Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gerechnet. Das dürfte noch einmal spannend werden. Bei der Weservertiefung hatte das Gericht kürzlich einen Baustopp verhängt. Allerdings fehlte den Bremer Planern etwas, was die Hamburger nun bald in den Händen zu halten hoffen: eine positive Stellungnahme aus Brüssel.