Gericht beschlagnahmt das Künstlerhaus Brandshof des “Kultur-Investors“. Nachricht hat vor dem Rote-Flora-Hintergrund Kretschmers Brisanz.
Hamburg. Zehntausende Pendler fahren täglich an dem wuchtigen Backsteinbau vorbei, der zwischen den Elbbrücken eingeklemmt am Billhafen im Industriegelände liegt: der Brandshof - ein fast 100 Jahre altes Gebäude, das zum Symbol eines ganz neuen Künstler-Stadtteils werden sollte, der "OberhafenCity", eines fiktiven Quartiers zwischen HafenCity, Deichtorhallen und Amsinckstraße. Doch die Zukunft an diesem ungewöhnlichen Ort bestimmt seit einer Woche nicht mehr der Eigentümer des Brandshofs, sondern das Gericht.
Ein eingesetzter Zwangsverwalter ist jetzt Herr über das Künstlerhaus, nicht mehr Inhaber Klausmartin Kretschmer, auch Eigentümer der Roten Flora . Dass ein Zwangsverwalter eingesetzt wurde, geht aus der sogenannten Bestallungsurkunde hervor, die dem Abendblatt vorliegt und in der die Firma Vitruv Verwaltungs GmbH als Schuldnerin genannt ist. Die Firma gehört dem Immobilienkaufmann Kretschmer allein, der dort auch einziger Geschäftsführer ist. Über das Verfahren schweigen sich zwar alle Beteiligten aus, doch die Nachricht hat vor dem Rote-Flora-Hintergrund Kretschmers Brisanz.
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Der Zwangsverwalter und Rechtsanwalt Peter Kennedy MacKenzie äußert sich nicht, ebenso wie das Gericht und die Mieter. Gerichtssprecher Conrad-Friedrich Müller-Horn erklärte, dass im Gegensatz zu einer Insolvenz das Zwangsvollstreckungsverfahren nicht öffentlich ist. Klausmartin Kretschmer reagierte nicht auf Anfragen des Abendblatts.
In einem solchen Verfahren werden die Gläubiger erst mal mit "den Früchten" aus Vermietung oder Verpachtung einer Immobilie bedient, erklärte Müller-Horn. Die Gläubiger hätten zuvor ein Urteil, einen Titel oder einen Vergleich gegen jemanden erwirkt, der nicht zahle. Das ist in diesem Fall die Schuldnerin Vitruv, beziehungsweise der Alleininhaber der Firma. Durch die "Beschlagnahme" wird laut Urkunde Klausmartin Kretschmer "die Verwaltung und Benutzung des Grundbesitzes" entzogen.
Der 53-jährige Kretschmer ist hauptsächlich mit der Roten Flora und seinem Bestreben bekannt geworden, als selbst ernannter "Kultur-Investor" immer wieder neue Fiktionen für Hamburg zu präsentieren. Es sind Fiktionen geblieben. Mit dem Brandshof verbindet ihn nicht nur die Idee einer "Kulturmeile", sondern auch eine aufwendige Hochzeit , die der 53-Jährige im August im Brandshof mit der deutlich jüngeren Julia Wachsmann feierte. Die gelernte Sopranistin sagte damals: "Der Bandshof ist unser kleines gallisches Dorf; wir suchen uns talentierte Leute mit Spirit aus."
Im Jahr 2010 hatte Kretschmer mit der Stadt Hamburg gepokert - und verloren. Mit der Behauptung, er habe einen Käufer für die Rote Flora, wollte er die Stadt unter Druck setzen. Denn ein Verkauf der Immobilie an einen Privatinvestor hätte möglicherweise eine Räumung des autonomen Stadtteilzentrums zur Folge gehabt. Kenner äußern den Verdacht, dass Kretschmer nur vorhatte, Hamburg die Rote Flora für einen möglichst hohen Preis zu verkaufen. Aus Geldmangel? Doch die Stadt blieb hart.
Der Immobilienhändler hat eine bewegte Vergangenheit, wenn man seinen Erzählungen glaubt. Gern erzählte der Pastorensohn, wie er schon als Schüler mit Aktien handelte oder von einer Leistung, auf die er "besonders stolz" sei: "Ich habe als Offizier den Kriegsdienst verweigert", gab Kretschmer der "Welt" zu Protokoll. Kretschmer gehören neben dem Brandshof die Oberhafenkantine, ein leer geräumtes Krematorium auf dem Ohlsdorfer Friedhof, die Riverkasematten und angeblich weitere Immobilien.