Mindestens 70 Interviewer für den Zensus 2011 sind noch nicht entlohnt worden. Dorothee Schröder musste sogar ihren Urlaub stornieren.
Hamburg. Sie sind wochenlang als Zensus-Beauftragte des Statistikamts Nord durch die Straßen gelaufen, wurden teilweise abgewiesen, beschimpft und bedroht - und haben immer noch keinen Cent für ihre Arbeit erhalten. Zehn bis 15 Prozent der rund 700 Interviewer, die im Mai und Juni für die Volkszählung in Hamburg unterwegs waren, warten immer noch auf ihre Aufwandsentschädigung. Das teilte gestern das Statistikamt dem Abendblatt auf Nachfrage mit.
Für Dorothee Schröder, Angestellte der Finanzbehörde, war die versprochene Aufwandsentschädigung der entscheidende Grund gewesen, die Aufgabe zu übernehmen. "Ich hatte das Geld fest für meinen Urlaub eingeplant", sagt die 60-Jährige.
In der Zeit von Mitte Mai bis Ende Juni war sie an vielen Tagen nach Feierabend durch Harburg gelaufen. Ihre Aufgabe: Sie sollte bestimmte Adressen aufsuchen und die Bewohner interviewen. Für die Existenzfeststellung (die Befragten gaben nur Namen und Familienstand an und bestätigten den Wohnort) erhielt sie 2,50 Euro. Ein vollständig ausgefüllter Fragebogen (in dem es um Bildung, Wohnraum und Erwerbssituation ging) brachte 7,50 Euro.
Insgesamt rechnete Frau Schröder mit einer Aufwandsentschädigung von 1200 bis 1400 Euro - genug, um davon die für Ende Juli gebuchte Wanderreise nach Schottland zu zahlen und die Teilnahme an der Hochzeit ihres Sohnes, die in zwei Wochen in England gefeiert wird. Weil die erwartete Zahlung ausblieb, musste die Harburgerin den Trip nach Großbritannien stornieren - gegen eine hohe Gebühr, weil die Absage so kurzfristig war. "Für die Teilnahme an der Hochzeit besteht ja noch Hoffnung", sagt sie sarkastisch.
Mit Frau Schröder warten mindestens 70 weitere Hamburger Zensus-Mitarbeiter auf ihre Aufwandentschädigung. Schuld daran sei größtenteils das komplett neue EDV-Programm, heißt es aus der Erhebungsstelle des Statistikamts. Gerade im Mai und Juni habe es Probleme bei der Erfassung der Erhebungsunterlagen gegeben. "Es hat sehr früh einen sehr hohen Rücklauf gegeben, den wir nicht schnell genug abarbeiten konnten", sagte eine Mitarbeiterin. Schwierig sei anfangs auch die Zuordnung der Fragebögen zu den jeweiligen Interviewern gewesen. Zudem hätten einige Erhebungs-Beauftragte qualitativ schlechte Fragebögen abgegeben - deren Nachbearbeitung habe die Auswertung auch verzögert.
Über die ausbleibende Aufwandsentschädigung hätten sich jedoch "weniger als zehn Personen" beschwert, heißt es aus der Erhebungsstelle. Und: Wer darauf hingewiesen habe, dass er besonders dringend auf das Geld angewiesen sei, sei vorgezogen worden. "Das war aber nur bei zwei Personen der Fall", betont die Dame.
Bei Dorothee Schröder nicht - obwohl sie den Leiter der Erhebungsstelle per E-Mail am 6. Juli über den bereits gebuchten Urlaub informiert und um eine Sonderzahlung gebeten hatte. Als Antwort wurde ihr nur lapidar mitgeteilt: "Der nächste Rechnungslauf erfolgt erst Ende Juli, eine Extrazahlung ist daher nicht möglich."
Doch auch Ende Juli ging Dorothee Schröder leer aus. "Als ich wieder keinen Zahlungseingang feststellen konnte, habe ich mich am 2. August erneut an das Statistikamt gewendet", berichtet die Harburgerin. Vom Leiter der Erhebungsstelle kam postwendend per E-Mail eine Abwesenheitsnotiz, am nächsten Tag schrieb seine Vertreterin. "Sie teilte mir mit, dass ich bedauerlicherweise noch keine Aufwandsentschädigung erhalten hätte und hat mir für mein Verständnis gedankt", sagt Dorothee Schröder und fügt empört hinzu: "Ich habe für diese Verzögerung aber keinen Funken Verständnis." Das schrieb sie auch zurück - und wandte sich ans Abendblatt.
Konfrontiert mit der Angelegenheit, zeigte man sich im Statistikamt zerknirscht. "Es tut uns wirklich leid, dass die Erhebungsbeauftragte ihren Urlaub absagen musste", heißt es. "Wir verstehen nicht, wieso auf ihren Hinweis nicht eingegangen wurde." Das sei umso bedauerlicher, als man den Fragestellern für ihre Arbeit grundsätzlich sehr dankbar sei. Frau Schröder bekam am späten gestrigen Nachmittag einen Anruf aus der Erhebungsstelle - mit einer Entschuldigung und der Zusage, das Geld werde heute überwiesen. Spätestens Anfang September sind die Abschlussrechnungen geplant. Dann sollen alle leer ausgegangenen Zensus-Mitarbeiter ihr Geld bekommen haben.