Angesichts des neuen Wahlrechts haben schon jetzt mehr Hamburger vom Briefwahlrecht Gebrauch gemacht als je zuvor bei einer Bürgerschaftswahl.

Hamburg. Wenige Tage vor der Bürgerschaftswahl in Hamburg zeichnet sich angesichts des neuen Wahlrechts eine außergewöhnlich hohe Briefwahlbeteiligung ab. Bis einschließlich Montag hätten bereits 231.121 Bürger die entsprechenden Unterlagen beantragt, sagte Landeswahlleiter Willi Beiß. Das seien 17,4 Prozent der knapp 1,3 Millionen Wahlberechtigten. Damit hätten schon jetzt mehr Hamburger von ihrem Briefwahlrecht Gebrauch gemacht als jemals zuvor bei einer Bürgerschaftswahl (1987 und 2008: knapp 216.000). Lediglich bei der Bundestagswahl 2009 hätten mit 273.000 noch mehr Bürger per Post abstimmen wollen.

Beiß forderte die Bürger auf, zahlreich von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. „Gehen Sie am Sonntag wählen und verschenken Sie keine Stimme.“ Umfragen zufolge gilt bei der ersten von sieben Landtagswahlen in diesem Jahr ein Regierungswechsel in der Hansestadt als sicher. Der SPD unter ihrem Spitzenkandidat Olaf Scholz werden bis zu 46 Prozent vorhergesagt. Selbst eine absolute Mehrheit scheint möglich. Der in Hamburg seit knapp zehn Jahren regierenden CDU droht seit dem Austritt der Grünen aus Deutschlands erster schwarz-grünen Koalition auf Landesebene dagegen ein Absturz von 42,6 Prozent bei der Wahl 2008 auf derzeit 23 Prozent. Das wäre für die Partei von Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU) das schlechteste Ergebnis seit Gründung der Bundesrepublik. „Wir hoffen alle auf eine hohe Wahlbeteiligung am nächsten Sonntag, trotz oder gerade wegen des neuen Wahlrechts“, sagte Beiß.

2008 lag die Wahlbeteiligung bei 63,5 Prozent. Bei der diesmal vorgezogenen Wahl für die Bürgerschaft und die Bezirksversammlungen können die Hamburger erstmals 20 Stimmen vergeben. Sie können ihre Kreuzchen dabei entweder verteilen oder aber gehäuft nur einer Partei oder einem Kandidaten zuweisen. „Wer sich nicht zwischen zwei Parteien entscheiden kann, verteilt seine Stimmen eben an beide“, sagte Beiß. Entscheidend ist nur, dass keines der insgesamt vier Abstimmungshefte mit mehr als fünf Stimmen versehen ist. Sonst ist die Wahl ungültig.

Die Parteien gehen unterdessen in den Wahlkampfendspurt. An diesem Mittwoch treffen sich Scholz und Ahlhaus zum letzten Fernsehduell (21 Uhr im NDR). An diesem Donnerstag begehen CDU, SPD, Grüne und FDP ihre letzten Großveranstaltungen. Erwartet werden dabei unter anderem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), SPD-Bundeschef Sigmar Gabriel, der Grünen-Bundestagsfraktionsvorsitzende Jürgen Trittin sowie FDP-Chef und Außenminister Guido Westerwelle. Für Freitag haben die Linken unter anderem die Parteivorsitzende Gesine Lötzsch und den Bundestagsfraktionschef Gregor Gysi eingeladen.

Für die Zusammensetzung des Landesparlaments - der Bürgerschaft - ausschlaggebend ist die Zweitstimme. Wegen des relativ komplizierten Auszählungsverfahrens werden am Wahlsonntag auch nur sie bis voraussichtlich Mitternacht ausgewertet. „Damit steht dann am Wahlabend fest - vorläufig -, welche Partei die stärkste Fraktion hat und voraussichtlich den Bürgermeister stellt.“ Wer die insgesamt 71 Wahlkreismandate gewonnen hat, werde erst am Montag nach der Wahl ermittelt. Das vorläufige Endergebnis der Bürgerschaftswahl einschließlich der Verteilung aller 121 Sitze im Rathaus werde dann am Dienstag veröffentlicht, sagte Beiß. Danach folgten bis Mittwoch die Ergebnisse für die sieben Bezirksversammlungen.

Die vorgezogene Bürgerschaftswahl – regulär wäre erst 2012 gewählt worden – kostet nach Angaben des Landeswahlleiters voraussichtlich 15,5 Millionen Euro. Für die Stimmzettel allein seien rund 71 Millionen Blatt Papier und etwa 5,5 Tonnen Druckfarbe verbraucht worden. Außerdem seien für die knapp 1300 Wahllokale und Auszählstationen rund 17.000 Wahlhelfer nötig.