Voscherau empfiehlt seiner Partei Gespräche mit den Liberalen und geht damit auf Konfrontationskurs zu Scholz, der die GAL präferiert.

Hamburg. Zwei Wochen vor der Bürgerschaftswahl hat Altbürgermeister Henning Voscherau (SPD) die Debatte um ein sozialliberales Bündnis in der Hansestadt neu entfacht. Im "Focus" empfahl er seiner Partei in Hamburg eine Koalition mit der FDP und eine Abkehr von einem möglichen rot-grünen Bündnis. Damit geht er auf Konfrontationskurs zu SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz. Dieser hat sich auf die GAL als "Wunschpartner" in einer Koalitionsregierung festgelegt.

Voscherau sagte dem Nachrichtenmagazin: "Die unideologischen Salon-Grünen haben es aufgrund von Fehlleistungen und Verfilzung am meisten verdient, nach der Wahl in der Opposition zu landen." Voscherau selbst hatte 1993 als Bürgermeister Koalitionsverhandlungen mit den Grünen abgebrochen, war ein Bündnis mit der STATT Partei eingegangen. Als vier Jahre später alles auf ein SPD/GAL-Bündnis zulief, trat Voscherau am Wahlabend zurück.

Zustimmung bekommt der frühere Bürgermeister von den Hamburger Jusos. Deren Chef, Nicholas Gildemeister, sagte dem Abendblatt: "Es darf keinen Automatismus geben, dass die SPD der GAL alles zusagt, ohne andere Optionen zu prüfen." Zumal es nach der jüngsten Meinungsumfrage so aussieht, als ob es die Liberalen in die Bürgerschaft schaffen könnten. "Man muss sich gegebenenfalls mit beiden möglichen Partnern hinsetzen und schauen, mit wem mehr SPD möglich ist", sagte Gildemeister.

Andere führende Sozialdemokraten in Hamburg dagegen warnen vor einem Koalitionspartner FDP. Innenexperte Andreas Dressel sagte dem Abendblatt: "Hinter Spitzenkandidatin Katja Suding tun sich ziemliche Abgründe auf. Ich habe nicht den Eindruck, dass die Hamburger Liberalen koalitionsfähig sind." Auch auf Bundesebene sei die Partei "eher eine Trümmertruppe". Der SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs sieht Voscheraus Vorstoß ebenfalls kritisch. "Das ist eine extreme Einzelmeinung." Er sei grundsätzlich der Meinung, "dass sich Ehemalige im Wahlkampf ein bisschen zurückhalten sollten", sagte Kahrs dem Abendblatt. Es gebe die Ansage, dass die SPD am ehesten mit der GAL koaliere. "Und daran halten wir uns."

Scholz selbst ging am Wochenende erneut auf Distanz zu den Liberalen. "Angesichts des Zustands der FDP im Bund wie auch in Hamburg ist es nicht nur unwahrscheinlich, dass die die Bürgerschaft erreichen, sondern man kann auch mit gutem Ernst sagen: Die Hamburger SPD ist die Alleinerbin der sozialliberalen Tradition der Stadt", sagte er der "Welt am Sonntag".

Obwohl Scholz sich auf die GAL als Wunschpartner in einer Koalition festgelegt hat, wird er aus der Spitze der Bundes-Grünen gerügt: Jürgen Trittin, Fraktionschef im Bundestag, kritisierte im Abendblatt-Interview Scholz' wirtschaftsfreundliche Politik. In der Frage der Zukunft der Strom- und Gasnetze fahre dieser einen "unklaren Kurs". Dabei komme eine "Neigung der SPD zu großen Konzernen sehr unverhohlen zum Ausdruck". Auch die von der SPD befürwortete Elbvertiefung lehnte Trittin ab. Für seine Partei komme eine Koalition mit der SPD nur "unter starker grüner Beteiligung" infrage. "Das wird auch nicht einfach", sagte Trittin.

FDP-Spitzenkandidatin Katja Suding zeigte sich "offen für Gespräche mit der SPD, aber nicht um jeden Preis. Mit uns wird es keine Koalition geben, in der neue Schulden gemacht werden", sagte sie dem Abendblatt.