Juristen sehen bei den verlustreichen “Omega“-Geschäften erstmals Mitverantwortung des HSH-Chefs. Abfindung Nonnenmachers wackelt.
Hamburg. Ein Gutachten einer Anwaltskanzlei, das ein Gutachten einer anderen Kanzlei untersucht, das sich wiederum mit möglichen Pflichtverletzungen von Bankvorständen befasst, klingt nicht gerade nach einem Wirtschaftskrimi. Doch die Untersuchung der Anwaltssozietät CBH (Cornelius, Bartenbach, Haesemann & Partner), die dem Abendblatt vorliegt, hat zumindest einige Zutaten davon, vor allem mit Blick auf eine sehr emotional diskutierte Frage: Steht dem scheidenden Vorstandsvorsitzenden der HSH Nordbank, Dirk Jens Nonnenmacher, eine Abfindung zu oder nicht?
Um es vorweg zu nehmen: CBH tendiert, wie berichtet, als erste Kanzlei eher dazu, dass Nonnenmacher für die verlustreichen "Omega"-Geschäfte mitverantwortlich gemacht werden könnte. Sollten sich Justiz und/oder der Aufsichtsrat der Bank dieser Auffassung anschließen, müsste der HSH-Chef wohl ohne Abfindung gehen.
Seinen Posten zum 31. März räumen muss der 46-Jährige auf Druck der Hauptanteilseigner Hamburg und Schleswig-Holstein ohnehin - das "Vertrauensverhältnis" ist zerstört. Weil alle von der HSH in Auftrag gegebenen Gutachten, vor allem das 400-Seiten-Werk der Kanzlei Freshfields, Bruckhaus, Dehringer, zu dem Schluss kamen, dass Nonnenmacher keine Pflichtverletzungen nachzuweisen sind, kann er nach Abendblatt-Informationen mit etwa 2,1 Millionen Euro Abfindung rechnen.
Um das zu verhindern, hatte die GAL kurz vor dem Ausstieg aus der schwarz-grünen Koalition in Hamburg durchgesetzt, dass die Länder ein eigenes Gutachten in Auftrag geben, das das entlastende Freshfields-Werk unter die Lupe nehmen soll. Und obwohl CBH die Argumente der Kollegen als "grundsätzlich vertretbar" einstuft, ist die Kanzlei doch in zwei Punkten deutlich "anderer Auffassung".
Erstens: Zwar stimmt CBH zu, dass die Hauptverantwortung für die missglückten Omega-Deals Ende 2007/Anfang 2008 bei den Vorständen Jochen Friedrich, Peter Rieck - beide wurden entlassen - und Hartmut Strauß - schied krankheitsbedingt aus - lag. Dass die anderen Vorstände - Nonnenmacher, Bernhard Visker und der damalige Chef Hans Berger - "gerade noch" pflichtgemäß gehandelt haben, als sie "Omega 55" abzeichneten, stellt CBH aber infrage. In Anbetracht der Bedeutung des Geschäfts wird eine "Gesamtverantwortung" des Vorstands gesehen. Die hochkomplexen "Omega"-Deals hatten das Ziel, Risiken im Wert von 12,6 Milliarden Euro auszulagern. Da sie jedoch über Umwege bei der HSH verblieben und zudem falsch verbucht wurden, mussten gut 400 Millionen Euro abgeschrieben werden.
Insbesondere die Freshfields-Einschätzungen "zur Verantwortlichkeit des Finanzvorstands Prof. Dr. Nonnenmacher" sehe man "kritisch", schreibt CBH. Begründungen gibt es gleich mehrere: Als Bilanzexperte kannte sich Nonnenmacher mit solchen Produkten aus, es gab interne Warnungen speziell vor diesem Geschäft, außerdem habe der Vorstand im November 2007 beschlossen, diese Art der Risiko-Auslagerung zu beenden, "weil dies letztlich nur Bilanzkosmetik sei". Von einem Finanzvorstand sei daher "eine kritische Nachfrage zu erwarten gewesen", so die Gutachter. Die gab es jedoch nicht.
Zweitens deckt CBH einen glatten Widerspruch im Freshfields-Gutachten auf: Dort wird zu Nonnenmachers Entlastung angeführt, dass er im Herbst 2007 erst zehn Wochen im Amt und mit den HSH-Gegebenheiten noch nicht vertraut gewesen sei. An anderer Stelle weise Freshfields jedoch einem anderen Vorstand eine Verantwortung für eine Entscheidung zu, weil er "zum Zeitpunkt der Beschlussfassung bereits immerhin zehn Wochen im Amt war". Zudem werde zu Recht das Aktiengesetz zitiert: "Eingeschränktes Urteilsvermögen aufgrund kurzfristiger Organmitgliedschaft" sei keine Entschuldigung.
Hamburg und Schleswig-Holstein nähmen das CBH-Gutachten "ernst", sagt Finanzbehörden-Sprecher Daniel Stricker. Daher habe man es der Staatsanwaltschaft und dem HSH-Aufsichtsrat zugeleitet. Finanzsenatorin Herlind Gundelach (CDU) und HSH-Aufsichtsratschef Hilmar Kopper hätten bereits darüber gesprochen. Details nannten aber weder die Behörde noch die Bank.
Der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Thomas Böwer will daher mit einer Kleinen Anfrage den Stand klären. "Man muss dieses Gutachten sehr ernst nehmen", sagte er dem Abendblatt. "Ich sehe nach Lektüre keine Notwendigkeit, Herrn Nonnenmacher auch nur einen Cent Abfindung hinterherzuwerfen." Mehr noch: Er stimme dem Kieler FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki zu, der das Papier als Grundlage für eine Anklage wegen Untreue wertet.
Die GAL hat für die Doppelsitzung der Bürgerschaft heute und morgen eine Aktuelle Stunde angemeldet: "Causa Nonnenmacher: Fristlose Kündigung ohne Abfindung jetzt!"