Ulrich Karpen ist überzeugt: Der Volksentscheid ist juristisch chancenlos. Bei den Kita-Gebühren handele es sich um öffentliche Abgaben.
Hamburg. Der Startschuss für die Volksinitiative Kita-HH ist gefallen - ob dieser juristisch durchsetzbar ist, bleibt aber umstritten. Seine Zweifel hat Verfassungsrechtler Prof. Ulrich Karpen. Seiner Ansicht nach handelt es sich bei den Kita-Gebühren um öffentliche Abgaben. Und die können nach Artikel 50 der Verfassung nicht per Volksinitiative angegriffen werden. Dasselbe gilt für Haushaltsangelegenheiten, und auch die sieht der Experte mit der Initiative des Landeselternausschusses Kindertagesbetreuung (LEA) berührt.
"Wenn die Eltern weniger zahlen, muss der Senat für die Lücken aufkommen", sagt Karpen. "Diese müssen aus dem Haushalt gedeckt werden." Die Begründung des LEA, es handele sich nicht um Abgaben, weil die Gebühren nicht an die Stadt, sondern an Kita-Träger gezahlt werden, zweifelt Karpen ebenso an. Kitas würden eine staatliche Aufgabe wahrnehmen, egal, ob in Kooperation mit privaten Trägern.
Der erste Schritt auf dem Weg zum Volksentscheid könne rechtlich jedoch nicht belangt werden, die Initiative läuft auf Kosten des LEA. Sobald es aber darum geht, das Volksbegehren zu beantragen, könne das Verfassungsgericht zu einer Prüfung veranlasst werden.
+++ Das müssen Eltern in Hamburg künftig bezahlen +++
So weit sind die Initiatoren noch nicht, gestern um kurz nach 9 Uhr zeigten LEA-Sprecherin Claudia Wackendorff und ihre Mitstreiter im Rathaus zunächst die Volksinitiative an, wie es im Amtsdeutsch heißt. Eine Mitarbeiterin der Senatskanzlei gab daraufhin das Ok, ab sofort mit dem Sammeln der Unterschriften zu beginnen. Einen Rechtsanspruch auf eine kostenfreie sechsstündige Betreuung für Kinder vom vollendeten zweiten Lebensjahr bis zum Schuleintritt fordert der LEA. Erst für Betreuung, die darüber hinausgeht, sollen Eltern künftig zahlen. Zudem wehrt sich der LEA generell gegen Pauschalbeiträge wie das Essensgeld. "Was wir hier starten, könnte ein Meilenstein werden", sagte Wackendorff. Sie geht davon aus, dass die 10 000 benötigten Unterschriften vor der Frist von einem halben Jahr zusammenkommen.
Die Fraktionen der schwarz-grünen Koalition machten deutlich, dass die mit den Forderungen verbundenen Mehrausgaben von 200 Millionen Euro derzeit nicht zu bezahlen seien. Die CDU nannte die Forderungen geradezu "rücksichtslos", sie würden zulasten kommender Generationen gehen. "So werden Ausbau und Verbesserungen in der Qualität der Kitas unmöglich", sagt der familienpolitische Sprecher Stephan Müller. Der GAL-Fraktionsvorsitzende Jens Kerstan, der zumindest den Wunsch nach Gratisbetreuung grundsätzlich nachvollziehbar findet, warnte davor, eine gesetzlich unerlaubte Abstimmung über Gebühren durch "juristische Kniffe" durchzusetzen. In Kalifornien ginge das - der Bundesstaat sei pleite und politisch lahmgelegt.
Die Opposition unterstützt die Initiative. Laut der Linken profitiere die ganze Gesellschaft, also sollten auch alle dafür zahlen. SPD-Kita-Expertin Carola Veit forderte den Senat auf, die Verhandlungen mit einem besseren Angebot wieder aufzunehmen, sobald die Initiative erfolgreich war. Veit: "Wir können jetzt nicht eineinhalb Jahre nur über Geld reden."