Hamburg. Die Séparées an der berüchtigten Wilstorfer Straße sind trotz hoher Preise fast ausgebucht. Wie entspannt ist der Aufenthalt? Ein Test.
Eins vorweg: Meinen Besuch bei My Wellness hatte ich mir eigentlich anders vorgestellt. Von einer Wellness-Suite ganz für mich allein hatte ich geträumt, mit Whirlpool und Sauna. Recherche zum Wohlfühlen. „Erlebe deinen ganz persönlichen Moment der Entspannung“, heißt es auf der Website des Dortmunder Franchise-Unternehmens, das seit September auch in Hamburg vertreten ist. Im Süden wurde die neue Wellness-Oase geschaffen, in einer ehemaligen Decathlon-Filiale in Harburg, unter Lidl, mit angrenzendem Parkhaus.
Ganz praktisch, möchte man meinen. Vielleicht ein kleines bisschen düster, weil unterirdisch. Die Buchung läuft über die Website, man wählt einen der elf Standorte aus, gibt das Wunschdatum an, die Anzahl der Personen (maximal vier können sich eine Suite teilen), und erhält dann eine Übersicht zu den noch verfügbaren Slots der jeweiligen Suiten. Drei Kategorien stehen zur Verfügung: Comfort, Deluxe und Superior. Auch barrierefreie Suiten werden angeboten.
My Wellness im Süden von Hamburg: Die Suiten sind trotz hoher Preise belegt
Ich entscheide mich für das mittlere Segment, ohne Massageliege, Sunshower oder Dampfbad, aber mit Abkühlbereich. Wobei ich kaum eine Wahl habe – Wellness läuft scheinbar gut in Harburg. Oder werden die Suiten tatsächlich für stundenweise Vergnügungen anderer Art genutzt, wie es die Gerüchteküche meint? Lediglich Slots am frühen Morgen oder um Mitternacht waren noch frei.
Gut, erste Erkenntnis: Man sollte also weit im Voraus buchen. Aber wie kommt es bei My Wellness an, wenn das Kind mit muss? Meine Tochter ist gerade zwei Jahre alt geworden, in den Kindergarten konnte sie an dem Morgen nicht, ich hätte sie aber auch nicht allein zu Hause lassen können. Ich warf also einen Blick in die FAQs – da hieß es, dass man sein Kind problemlos mitnehmen könne. Für Kinder unter vier Jahren ist der Besuch sogar kostenfrei. Ich atmete auf, stornierte nicht, und packte stattdessen eine Tasche mit Kinderbüchern.
Unser Beispiel: Für zwei Personen kosten zwei Stunden Aufenthalt 160,80 Euro
So ein Besuch hat es kostenmäßig auch für eine Person schon gut in sich: 48 Euro hatte ich für zwei Stunden im Voraus gezahlt, dazu hatte ich ein Basic-Paket für 30 Euro mit zwei Drinks, zwei Wellness-Textilien (Bademantel, Handtuch oder Saunatuch) und einem Wellness-Extra (Peeling zum Beispiel) gebucht. Außerdem hatte ich mir noch eine sogenannte „Verlängerte Stornierungsfrist“ einräumen lassen (10,40 Euro), um kurzfristig absagen zu können. Für zwei Personen kostet dieser zweistündige Aufenthalt alles in allem 160,80 Euro.
Bei unserer Ankunft: Meine Tochter ist voller Vorfreude, ich habe ein mulmiges Gefühl. Wir gehen also die Treppe zum Eingangsbereich hinunter, der tatsächlich einen hellen, freundlichen Eindruck macht – von der Decke baumeln Bambusleuchten, den Weg leiten hölzerne Raumtrenner. Auf den zweiten Blick sieht man aber auch, dass die Bananenstauden aus Plastik sind. Die unverkleidete Decke erinnert leider an die eines Discounters und die Verkaufstische mit diversen Produkten der Eigenmarke sind etwas zu grell beleuchtet, als dass sich schon hier kuschelige Atmosphäre einstellen könnte. Es riecht nach Hallenbad.
Vor der Entspannung ist viel Eigeninitiative gefragt
Noch stehen wir vor der Einlassschranke. Via SMS habe ich einen Link erhalten, der zu einem QR-Code führen soll, durch den wir die Schranke öffnen könnten. Leider hat mein Handy hier unten kein Netz. My Wellness lädt in das Gäste-Wlan ein, der Schlüssel ist bei der Schranke angegeben, aber auch dieses Netz funktioniert eine Weile lang nicht. Die drei Servicekräfte hinter dem Tresen können uns bedauerlicherweise nicht helfen. Ich bin genervt, meine Tochter findet es lustig.
Dann klappt es endlich, die Schranke geht auf, aber nur für mich. Ich sehe schon die blanke Panik in den Augen meiner Tochter. Dann darf ich glücklicherweise den QR-Code noch einmal mit langem Arm vor die Schranke halten und frage mich dabei, wozu die Servicekräfte eigentlich da sind. Von ihnen darf ich übrigens keine Fotos machen.
Die Suiten sind recht dunkel, wenig gemütlich
Ein paar Minuten später sind wir in unserer Suite angekommen. Auf dem Weg durch die langen Flure haben wir nur Reinigungskräfte gesehen. Wie die Gänge ist auch die Suite in Braun- und Beigetönen gehalten, zwei hängende Sessel mit Kissen gibt es hier, Whirlpool und Sauna. Letztere ist mit einer hinterleuchteten Salzkristallwand ausgestattet, die ein schönes Licht hergibt (aber auch echt unbequem ist, wenn man sich anlehnen möchte). Außerdem gibt es hier noch einen großen Fernseher und davor eine Art hängende Hollywoodschaukel, die ein bisschen zu schwarz ist und irgendwie bedrohlich aussieht.
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In einer Ecke kann man duschen, auch mit wärmendem Rotlicht, oder sich einen Eimer kaltes Wasser über den Kopf kippen. Handtücher, Fußmatten oder Gläser gibt es hier allerdings nicht. Insgesamt ist die Suite recht dunkel, wenig gemütlich und so gar nicht kinderfreundlich. Ich mache mir Sorgen, denn alle Sitzgelegenheiten schaukeln, der Boden ist gefliest.
Sechs Ambiente-Welten stehen zur Auswahl – wenn die Technik funktioniert
Später stellt sich heraus, dass dies kein Problem ist. Meine Tochter findet die hängenden Sessel super, auch die wunderbare Wärme im ganzen Raum, vor allem aber die mitgebrachten gefriergetrockneten Erdbeeren, von denen sie heute eine ganze Tüte verdrücken darf, und deretwegen sie brav sitzen bleibt. Und auch den Drink genießt sie, einen Durstlöscher, der ohne Spa-Paket fünf Euro kostet und ziemlich viel Sirup enthält, der an Kinderkaugummi erinnert. Ich hatte etwas erwartet, das zumindest gesund schmeckt.
Doch bis die Drinks kommen, dauert es eine ganze Weile. Hat man seine Suite betreten, soll man seine kommenden Wohlfühl-Stunden zunächst von einem Computer aus gestalten. Heißt: Man wählt eine von sechs Ambiente-Welten aus, und entscheidet sich Schritt um Schritt für die Bestandteile des Pakets, das man im Vorfeld gebucht hat.
Leider ist das Netz hier unten, wie wir ja bereits wissen, nicht das Allerbeste. Der Rechner hängt von Zeit zu Zeit. Uns gefällt rotes oder pinkes Licht, „Ferne Stammesgesänge“, die zu „Fire“ gehören sollen, hören wir aber zum Glück nicht, die „Indische Palastmelodie“, die zu „Holi“ gehört, stellt sich allerdings auch nicht ein. Es bleibt also ruhig bei uns.
Die Durchreiche erlaubt Diskretion, Handtücher sollte man trotzdem mitbringen
Ein Problem ist, dass auch die georderten Textilien auf sich warten lassen. Ich hatte damit gerechnet, dass zumindest Handtücher in der Suite bereit hängen (und meine Tochter möchte ihr mitgebrachtes Handtuch nicht mit mir teilen). Erst nach rund 20 Minuten finden wir unsere Spa-Utensilien in der Durchreiche. Letztere ist praktisch, man muss niemandem begegnen. Aber Vorsicht auf dem Weg dorthin, mit nassen Füßen. Da in der Suite keine Fußmatte existiert und die Dusche ebenerdig ist, steht bei uns das Wasser.
Fairerweise muss man sagen, dass in einer Erinnerungs-E-Mail, die kurz vor dem gebuchten Termin kommt, ganz unten der Hinweis steht, dass man ein Duschtuch benötigt, dies ausleihen kann oder von zu Hause mitbringen muss. Diese E-Mail habe ich leider nur überflogen. Und es wäre wahrscheinlich clever gewesen, Handtücher mitzubringen, denn die, die uns schließlich erreichen (natürlich ebenfalls braun), fühlen sich stark nach Polyester an.
Entspannung bei My Wellness: Das Fazit eines Ausflugs von Mutter und Kind
Fazit: Zwei Stunden gehen ziemlich schnell vorüber, wenn noch so viel zu organisieren ist. Man sollte sich also vorher Zeit nehmen, genau zu lesen. Insgesamt ist der Ausflug recht kostspielig – in Anbetracht der Tatsache, dass die Ausstattung nicht luxuriös ist. Wir hatten trotzdem Spaß und sind gut durchwärmt. Dem Alltag sind wir entflohen, wie es der Prospekt verspricht. Übrigens: Von anderen Gästen sieht und hört man von seiner Suite aus nichts. Diskret ist My Wellness also auf jeden Fall, hier hat man seine Ruhe.