Harburg. Bei wichtigen Abschnitten der großen Fahrradstrecken gibt es massive Probleme. Wo die größten Lücken klaffen und wie es weitergehen soll.
So weit, so vorhersehbar: Harburgs Radfahrerinnen und Radfahrer wünschen sich, bequem und sicher durch ihre Stadt zu kommen. Das war eine der Erkenntnisse beim Auftaktabend der Bürgerbeteiligung für das bezirkliche Radwegekonzept. Wer die Harburger Radwege kennt, weiß, dass diese Wünsche weit weg von der Wirklichkeit sind. Sie werden es auch erst einmal bleiben. Denn das bezirkliche Radwegenetz soll an das Veloroutennetz anknüpfen, und das hat in Harburg noch große Lücken. Auch die werden noch lange bleiben.
Dies Konzept für Harburg wäre das dritte innerhalb der letzten 15 Jahre
Schon zwei Tage, nachdem das Internetportal freigeschaltet war, auf dem die Harburger Verbesserungsvorschläge und Problemstellen eintragen konnten, fanden sich hier über 250 bunte Punkte auf der Karte. Keiner von ihnen bedeutet etwas Gutes, und auch eine intensive Stichprobe förderte keine unberechtigte Eintragung zu Tage. Die vom Bezirksamt beauftragten Büros „Argus“ und „Raum & Energie“ werden, wenn sie das Sammeln in vier Wochen beenden, eine Menge Meinungen berücksichtigen müssen.
Ende 2025 wollen die Stadt- und Verkehrsplaner das Konzept vorlegen. Es wäre das dritte innerhalb der letzten 15 Jahre. Die ersten beiden sind nie umgesetzt worden. Die offizielle Begründung: Man wartet noch auf die endgültige Streckenplanung der Velorouten. Diese Planung ist mittlerweile fertig. Ob sie so umgesetzt werden kann, ist aber fraglich: Zu viele Probleme tauchen ausgerechnet an den wichtigsten Stellen auf.
Beispiel 1: der Binnenhafen. Vom Veritaskai bis Blohmstraße führt ein autobahnähnlicher Radschnellweg, wie ihn sich viele Radaktivisten wünschen. Allerdings beginnt und endet er abrupt. Der Abschnitt von der Harburger Elbbrücke zum Veritaskai fehlt ebenso noch, wie die Weiterführung der Veloroute 10 ab der Blohmstraße
Anlieger im Hafen wollen keine Grundstücksteile verkaufen
Die Gründe sind vielfältig, erklärte Andreas Svensson, oberster Tiefbauer des Harburger Bezirksamts: „An der Nartenstraße haben wir schlicht zu wenig Platz“, sagt er. Das sei zwar schon bei der Planung bekannt gewesen, aber da hatte man noch gedacht, man könne den Anliegern Teile ihrer Grundstücke abkaufen, um die fehlende Fläche zu gewinnen. „Diese Bemühungen waren leider nicht erfolgreich.“
„Solange die „Kurve Harburg“ geplant und gebaut wird, ist nicht daran zu denken, dass die Bahn uns dort eine Querung genehmigt.“
Am Ende der Blohmstraße liegt die von vielen Lkw frequentierte Seehafenstraße. Statt dieser Straße zu folgen, sollte die Route 10 (Rathausmarkt-Neugraben) hier ein wenig genutztes Bahngleis queren und über den ruhigen Bostelbeker Hauptdeich verlaufen. In diesem Bereich plant die Bahn derzeit allerdings den Umbau der „Kurve Harburg“ von der Unterelbebahn zum Hauptgleis über die Elbbrücken. „Solange das geplant und gebaut wird, ist nicht daran zu denken, dass die Bahn uns dort eine Querung genehmigt“, sagte Svensson.
Für den Radweg: Nartenstraße zur einspurigen Einbahnstraße machen?
Auf der Nartenstraße müsse man mit einem Velorouten-Provisorium planen, oder aber die Nartenstraße zur einspurigen Einbahnstraße machen, um auf der anderen Spur die Veloroute zu führen. Erfahrungen aus der Zeit der Dauerbaustellen rund um die Nartenstraße hätten gezeigt, dass so eine Einbahnstraßenlösung praktikabel sei. Am Blohmstraßen-Ende suchen die Planer noch nach Ideen.
Die müssen sie auch finden, denn konkrete Bau- oder gar Zeitpläne für die „Kurve Harburg“ hat die Bahn noch nicht. Es gibt lediglich die Absicht, hier eine Mega-Baustelle einzurichten, die die Gleise von Cuxhaven nach Hamburg ab Bostelbek in einen Tunnel führen will, aus dem sie erst in Neuland wieder herauskommen. Bis das Projekt begonnen wird, können Jahre, bis zu seiner Fertigstellung Jahrzehnte vergehen. So lange wird die Bahn keine Querung der Gleise in diesem Bereich zulassen.
Nicht viel besser sieht es in einem anderen neuralgischen Bereich aus: der Harburger Innenstadt. Hier soll die Veloroute 11 (Hamburger City–Eißendorf) vom Doppelknoten am ZOB (im Bau) vorbei am Mega-Fahrradkeller (Planung liegt auf Eis) über Moorstraße, Wilstorfer Straße und Harburger Ring bis zum Finanzamtsknoten verlaufen und dahinter irgendwo in die Fahrradstraße Denickestraße (fast fertig) münden. Die fast acht Jahre alte Planung – Baubeginn sollte 2019 sein, sagte man 2017 – liegt allerdings wegen zahlreicher Einwände mittlerweile nahezu komplett im Papierkorb.
Vor dem Bezirksroutenkonzept muss feststehen, wo die Velorouten verlaufen
„Es waren hauptsächlich die Bäume am Straßenrand, die zum Veto von Bezirkspolitik und einzelnen Abteilungen im Rathaus geführt haben“, sagte Svensson. „Die sollen verschont bleiben!“
Wer sich an die Debatte erinnert, erinnert sich auch an den Eindruck, dass es vielen Einwendern aus der Politik damals weniger um die Bäume, als um die Parkplätze dazwischen ging. Lediglich 230 Meter der geplanten 1,4-Kilometer-Route durch die Stadt wurden bislang verwirklicht und feierlich eingeweiht. Der Rest muss neu geplant werden. Ähnliche, wenn auch kleinere, Problemstellen gibt es auch in Hausbruch und Neugraben.
Bevor ein Bezirksroutenkonzept finalisiert werden kann, muss jedoch feststehen, wo die Velorouten verlaufen, an die es anknüpft. Was das angeht, sind ausgerechnet der Weg zur Harburger Elbbrücke, weite Teile der Innenstadt und 1,25 Kilometer des Wegs aus dem Binnenhafen nach Westen noch mit zahlreichen Fragezeichen versehen.
Verkehr Harburg: Radwegekonzept muss mit Mobilitätskonzept abgeglichen werden
Auch müsste ein Radwegekonzept noch mit dem „Mobilitätskonzept Heimfeld/Eißendorf“ abgeglichen werden, das nach anfänglicher intensiver Öffentlichkeitsbeteiligung mittlerweile seit fast einem Jahr hinter verschlossenen Türen ausgearbeitet wird. Seine Vorstellung wurde schon mehrfach angekündigt, zuletzt für diesen Herbst. Bald ist Weihnachten.
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Täglich kommen neue Anregungen für die bezirklichen Radwege hinzu. Sie werden von den Planern geordnet und priorisiert. Dann werden sie als Grundlage für eine Bedarfsanalyse genommen, aus der die Netzanforderungen ersichtlich werden. Daraus werden ein Netzkonzept und ein Umsetzungskonzept erstellt – und das alles bis Ende 2025, hieß es bei der Bürgerversammlung.
Das verursachte zweifelnde Blicke: Viele Wünsche nach besseren Lösungen für bestehende Probleme sind aus vorherigen Debatten bereits bekannt. Umsetzungen gab es höchstens punktuell. Wie ein beteiligter Bürger in der anonymen Vorschlagskarte anmerkte: „Beteiligungen sind ja an sich eine feine Sache, in diesem Fall komme ich mir allerdings ein bisschen vor wie bei ,Täglich grüßt das Murmeltier‘.“