Hamburg. Sie kommen ohne Verwandte, sind traumatisiert: 60 Geflüchtete sollen in neuer Unterkunft betreut werden. Doch die Lage ist problematisch.

Obendrüber führt die Stadtautobahn, gegenüber befinden sich die Continental-Werke, 100 Meter entfernt beginnt das berüchtigte Phoenix-Viertel in Harburg mit den Gaststätten in der Wilstorfer Straße, in denen es immer wieder Razzien unter anderem wegen illegalem Glücksspiels gibt. Ausgerechnet hier sollen in Kürze unbegleitete minderjährige Flüchtlinge untergebracht werden.

Wer in den Tagen dieser Woche an der Kreuzung Winsener Straße/Hohe Straße vorbeikommt, sieht bereits die Wohncontainer: An der Jutestraße im Stadtteil Wilstorf wird eine „Clearingstelle“ für minderjährige unbegleitete Ausländer errichtet. Die Kinder und Jugendlichen werden dort wohnen und pädagogisch betreut.

Gezielte therapeutische Betreuung in Harburger Unterkunft. Doch was geschieht noch?

Kinder, die ohne Eltern sind oder deren Eltern nicht in der Lage sind, sie zu versorgen und aufzuziehen, werden vom Staat in Obhut genommen. Bei Kindern, die bereits ihren Wohnsitz in Hamburg hatten, geht das über die Jugendämter der Bezirke, die dann Pflegefamilien oder Betreuungs-Wohngruppen für die Kinder suchen.

Auch unbegleiteten minderjährige Flüchtlingen gegenüber ist die Freie und Hansestadt Hamburg in so einer besonderen Fürsorgepflicht und muss diesen Schützlingen das Elternhaus so gut sie kann ersetzen. Allerdings ist das bei den jungen Geflüchteten ein wenig komplizierter.

Jugendliche haben in der Vergangenheit schlimme Erfahrungen gemacht

Jeder dieser jungen Menschen ist aus Verhältnissen geflohen, in denen Gefahr für Leib und Leben bestand und auch die Flucht selbst war für die meisten nicht ungefährlich. Das macht etwas mit jungen Menschen. Außer Rat, Regeln und Geborgenheit brauchen diese Jugendlichen oft auch gezielte therapeutische Betreuung.

Kindercontainer an der Jutestraße
An der Jutestraße werden junge Geflüchtete einziehen. Inzwischen stehen hier bereits Container (Archivbild). © Lenthe Medien | Andre Lenthe Fotografie

Eine Clearingstelle ist die erste Station für junge Flüchtlinge in Hamburg. Hier sollen sie zunächst zur Ruhe kommen und dann mit dem Ankommen beginnen. Fachleute ermitteln eventuelle Traumata und psychotherapeutische Bedarfe; es gibt Deutschkurse, Freizeitangebote, strukturierte Tagesabläufe und natürlich die persönliche Betreuung, die andere in Obhut genommene Jugendliche in Wohngruppen und Pflegefamilien erfahren.

CDU Harburg hatte einst vorgeschlagen, einen Wohnmobilstellplatz einzurichten

In den Monaten in der Clearingstelle lernen nicht nur die jungen Leute ihre neue Umgebung kennen, sondern auch das Hilfesystem seine Klienten. Welche Talente bringt der Jugendliche mit, wo braucht er Unterstützung und wie kann es für ihn weitergehen? Die Sozialbehörde schätzt, dass der gesamte Prozess im Schnitt zirka acht Monate braucht. Ganz unerfahren ist die Stadt da auch nicht, denn anderswo gab und gibt es bereits Clearingstellen.

Noch sind die Container nicht bezogen, die Einrichtung ist derzeit Baustelle. Mitte November soll sie an den Landesbetrieb Erziehung und Bildung (LEB) übergeben werden. Ab Dezember will der LEB hier die ersten von bis zu 60 Jugendlichen empfangen.

Schon 14-Jährige ganz allein ohne Verwandte

Die Jugendlichen sind 14 bis 17 Jahre alt und kommen aus vielen Ländern. Der größte Teil flieht aus Afghanistan, Syrien und der Ukraine. 24 Fachkräfte betreuen sie. Das geschieht größtenteils tagsüber und abends, aber mindestens ein pädagogischer Ansprechpartner ist immer vor Ort. Ein Sicherheitsdienst komplettiert das Team.

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Bis in die 1980er-Jahre hatte sich auf der Containerfläche ein Wohnhaus befunden, das aber im Zuge des Schnellstraßenbaus abgerissen wurde. Solange die Polizei noch die Wache an der Nöldekestraße als Revier 71 nutzte, waren hier Einsatz- und Privatfahrzeuge der Beamten geparkt. Später zog ein Autoexporteur ein. Zwischenzeitlich hatte die Harburger CDU einmal vorgeschlagen, hier einen Wohnmobilstellplatz einzurichten.

Unterkunft in Harburg: „Nicht ideal“ um zur Ruhe zu kommen

Die Nähe zur Schnellstraße macht dauerhaftes Wohnen an dieser Stelle nicht genehmigungsfähig. Vorübergehende Unterbringung ist auf der Fläche allerdings erlaubt. Dennoch kritisierten Politiker mehrerer Parteien den Standort am Rande des Phoenix-Viertels auch als „nicht ideal“ für Jugendliche, die zur Ruhe kommen sollen. Eine andere Möglichkeit sahen aber auch sie nicht.