Harburg. Stadt plant neues Containerquartier in Harburg. Bis zu 60 junge Menschen, auch Kinder, sollen hier wohnen und betreut werden.
Erst vor zwei Wochen hatte sich Sozialstaatsrätin Petra Lotzkat (SPD) mit einem Brief an die Bezirksversammlungen gewandt: Die Zahl der in Hamburg ankommenden Geflüchteten übersteigt die vorhandenen Unterbringungskapazitäten, man müsse nun als Unterkunft nehmen, was man bekommen könne. Konkrete Pläne nannte sie in dem Schreiben nicht, aber sie werden auch Harburg betreffen. Für eine besonders schutzbedürftige Teilgruppe der Geflüchteten gibt es schon Pläne im Bezirk: An der Jutestraße soll eine „Clearingstelle“ für minderjährige unbegleitete Ausländer entstehen. Die Kinder und Jugendlichen werden dort wohnen und pädagogisch betreut.
Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge werden von der Freien und Hansestadt Hamburg in Obhut genommen, so wie Kinder deren Eltern die Erziehung nicht gewährleisten können auch. Der Staat ist hier in einer besonderen Fürsorgepflicht und muss diesen Schützlingen das Elternhaus so gut er kann ersetzen.
Auf der anderen Seite der Straße hat die Stadt bereits ein Wohnprojekt für Jungerwachsene untergebracht
In einer „Clearingstelle“ werden die KInder und Jugendlichen nicht einfach nur untergebracht und betreut, es wird vor allem festgestellt, welche schulischen, pädagogischen, psycologischen oder therapeutischen Bedarfe sie haben. Das ist oft ein längerer Prozess. Bis zu 60 Schützlinge sollen an der Jutestraße unterkommen können.
Die Jutestraße ist eine kleine Stichstraße, die früher von der Nöldekestraße zur Winsener Straße führte, mittlerweile aber vor der Schnellstraßenrampe endet. Auf der einen Seite der Straße befindet sich die ehemalige Polizeiwache, in der die Stadt bereits ein Wohnprojekt für Jungerwachsene untergebracht hat. Gegenüber befindet sich der ehemalige Polizei-Parkplatz. Derzeit wird er von einem Gebrauchtwagenhändler genutzt.
Doppelstöckige Containerreihen sollen die Heimat für schutzbedürftige Heranwachsende werden
Hier soll die Clearingstelle für zunächst fünf Jahre als doppelstöckige Containerreihenbebauung aufgestellt werden. Die Jugendlichen werden in Einzel- und Doppelzimmern, die in vier „Betreuungseinheiten“ aufgeteilt sind, untergebracht. Jede Betreuungseinheit verfügt über eine eigene Wohnküche und die entsprechende Anzahl an Duschen und WCs. Zusätzlich entstehen Büroräume für die Betreuerinnen/Betreuer und die Leitung, Konferenz-, Gruppen-, Therapie- und Schulungsräume sowie ein Nachtbereitschaftszimmer und Lagerräume.
Die Betreuung erfolgt rund um die Uhr. Als Standard ist der Einsatz von einer pädagogischen Fachkraft pro drei Schützlinge gesetzt. Dazu kommen noch Sprach- und Kulturmittler sowie hauswirtschaftliche Fachkräfte. Zusätzlich wird eine Nachtaufsicht für den Sicherheitsdienst eingerichtet werden.
Geleistet wird weit mehr, als nur die Unterbringung
Neben der materiellen Versorgung mit einem Schlafplatz, Verpflegung und bei Bedarf Kleidung oder gegebenenfalls einer Krankenbehandlung hat das große Team einer solchen Einrichtung vielfältige weitere Aufgaben. Dazu gehören die Organisation des Alltags der Minderjährigen mit Sprachkurs, Schulbesuch, gegebenenfalls Kontakten zu Bezugspersonen und der Wahrnehmung von Terminen ebenso wie die Steuerung und Anregung von Freizeitaktivitäten. Hier setzt die Sozialbehörde auf die umliegenden Sportvereine, obwohl sie noch nicht alle kennt, sowie Institutionen, wie das Haus der Jugend Steinikestraße.
Rechtliche Dinge müssen für die Jugendlichen ebenso geklärt werden, wie psychologische Bedarfe, denn viele müssen die Situation im Herkunftsland oder Erlebnisse auf der Flucht erst noch verarbeiten. Dazu gibt es Einzelgespräche mit den Minderjährigen, bei denen der Hilfebedarf ermittelt wird und später persönliche Wünsche und Ziele für die Zukunft herausgefunden werden. Gruppengespräche bei gemeinsamen Mahlzeiten oder fest terminierten Hausrunden runden das ab. All dies erfordert zunächst den intensiven Einsatz von Sprachmittlern.
Vor einiger Zeit war die Fläche in Harburg noch als Urlauberquartier im Gespräch
Bereits im Sommer soll die Einrichtung an den Start gehen. Bis Ende April haben die Fraktionen der Bezirksversammlung Gelegenheit, zu den Plänen eine Stellungnahme abzugeben. Die meisten denken noch darüber nach. Einige haben bereits eine Meinung: „Diese Jugendlichen sind hier und sie müssen untergebracht und vernünftig betreut werden“, sagt der Wilstorfer Bezirksabgeordnete Jörn Lohmann (Linke). „Ob der Standort neben der lauten Hochstraße aber so geeignet ist, weiß ich nicht.“
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Ähnlich sieht es Bianca Blomenkamp, Fraktionsvorsitzende der Grünen: „Wohncontainer auf einem Parkplatz sind bestimmt nicht der Idealfall“, sagt sie, „aber wir haben wenig Auswahl. Und wir haben keine Wahl: Diese Kinder und Jugendlichen sind schutzbedürftig. Wir müssen siue so gut und so menschlich versorgen, wie wir können. Leider geht es anscheinend nicht besser.“
Ganz so schlimm scheint der Standort auch nicht bei allen Bezirkspolitikern angesehen zu sein: Vor fünf Jahren schlug die CDU noch vor, hier einen Stellplatz für Wohnmobil-Touristen einzurichten.