Neuenfelde/Oststeinbek. Jan-Philipp Oben könnte mit seinen Leistungen locker bei den Berufsreitern mithalten. Doch sein Herz schlägt für die Amateure. Warum?
- Jan-Philipp Oben war schon 10 Jahre alt, als er mit dem Reiten begann
- Die Großeltern und seine alleinerziehende Mutter förderten sein großes Talent
- Nun wurde der 28-jährige Hamburger mit dem Goldenen Reitabzeichen ausgezeichnet
Als sich Jan-Philipp Oben der Stalltür nähert, ertönt ein lautes Wiehern. Ein Pferdekopf schiebt sich langsam, aber sicher aus der Stallbox. Newton Pepping, Obens vierbeiniger Freund, hat ihn offenbar direkt erkannt. Kein Wunder, denn die beiden verbindet eine ganze Menge: nicht nur Sattel und Zaumzeug, sondern auch diverse Erfolgserlebnisse. Einen ihrer größten gemeinsamen Triumphe konnte das Neuenfelder Duo zuletzt im August 2024 mit dem Erhalt des Goldenen Reitabzeichens feiern. Der Weg zur Sensation war lang.
Senkrechtstarter Jan-Philipp Oben: Alleinerziehende Mutter unterstützte die Leidenschaft ihres Sohnes
„Es war der Reitvirus innerhalb meiner Familie, der mich als Kind an den Sport herangeführt hat“, beginnt der 28-Jährige zu erzählen und lächelt. Unterstützung habe er von den Großeltern sowie von seiner alleinerziehenden Mutter erhalten.
Gepaart mit seiner eigenen Begeisterung führt ihn das im Jahr 2006 dazu, dem Reit- und Fahrverein Neuenfelde beizutreten. Mit einem Alter von zehn Jahren zählt Oben allerdings nicht mehr zu den Frühstartern: „Ich habe verhältnismäßig spät mit dem Reiten begonnen. Kinder von Profireitern fangen in der Regel deutlich früher an.“
Von Casanova bis Norbert: Ein Reitpferd kommt selten allein
Dank Sportpony Berwyn dauert es aber nicht lange, bis Oben erste Erfolge bei nationalen Reitwettbewerben erzielt. Verschiedene Pferde unterstützen den Neuenfelder wenig später auch bei internationalen Turnieren: Nach Casanova 395 und Cosi Go, auf die Oben besonders gern zurückblickt, wird er seit 2019 von Newton Peppig alias Norbert begleitet – ein Holsteiner Wallach aus eigener Zucht. Er sei zwar „nicht ganz einfach“, aber dennoch „wie ein Lottogewinn“ und ein „absolutes Ausnahmepferd“, so Oben stolz.
Oben erhält Goldenes Reitabzeichen – trotz schwierigem Spagat
Schließlich ist ihm mit Newton Pepping im August 2024 genau das gelungen, wovon viele Amateurreiter in jungen Jahren nur träumen können: genügend Spitzenplatzierungen sammeln, um das Goldene Reitabzeichen zu erhalten. Ein Prozess, der sich über Monate und Jahre hinzieht. Denn im Gegensatz zu gewöhnlichen Reitabzeichen wird das Goldene Reitabzeichen nicht per bestandener Prüfung, sondern durch eine Vielzahl sportlicher Erfolge erworben. Hier ist Ausdauer gefragt – und nachhaltiges Können. Für den 28-Jährigen ist die Auszeichnung daher „etwas ganz Besonderes“, wie er selbst sagt.
Speziell vor dem Hintergrund, dass er im Gegensatz zu einigen Konkurrenten kein hauptberuflicher Reitsportler sei. Profis können einen Großteil der Zeit in ihr Pferd investieren, Oben hingegen nicht: Tagsüber arbeitet er als Anlageberater bei einer Bank in Harburg. Nur abends und am Wochenende schlüpft er in seine Reitstiefel und fährt nach Oststeinbek zum Reitstall Carstens, wo sich Norberts Pferdebox befindet. Aus Neuenfelde benötigt er je nach Verkehrslage etwa 45 Minuten pro Strecke.
Das wöchentliche Training reicht von Springen bis Dressur
Einen festen Trainingsplan hat Oben nicht. Mal steht Dressur, mal Springen – seine Lieblingsdisziplin – an der Tagesordnung. Trainiert werde zwar intensiv, aber mit den nötigen Pausen, erklärt Oben: „Es ist wichtig, flexibel zu sein. Man muss sich individuell auf das Pferd einstellen und darf es weder über- noch unterfordern.“ Ein gesunder Druck gehöre ebenso dazu wie ein gewöhnlicher Ausritt. Schließlich müsse Norbert drei- bis fünfmal täglich an die frische Luft.
Kostenfrage: Amateure zahlen Stallpflege und Tierarzt aus eigener Tasche
Ein Pensum, das Oben zumindest unter der Woche nicht stemmen kann. Angesichts seiner Arbeit fehle ihm schlichtweg die Zeit. Damit Norbert dennoch nicht vernachlässigt wird, kümmern sich die Stallmitarbeiter um ihn und übernehmen den Großteil der Stallreinigung. Für Oben als berufstätigen Amateur ist dieser Service unerlässlich – aber nicht umsonst. Hier sieht er eines der größten Probleme für Hobby-Reiter. Die gestiegenen Tierarztkosten würden dabei auch nicht weiterhelfen.
Jan-Philipp Oben: „Reiten ist ein Teamsport“
Allerdings überwiegt die Faszination für den Sport. So ist es die „Verbindung zwischen Pferd und Reiter“, die Oben immer wieder begeistert, aber auch vor Herausforderungen stellt. Er betont: „Beim Reiten treffen zwei Individuen aufeinander. Das Pferd ist kein Sportgerät, sondern Partner und Freund.“ Insofern hegt Oben keinen Zweifel: „Reiten ist ein Teamsport.“
Umso wichtiger sei es, miteinander Zeit zu verbringen und zu kommunizieren. Pferd und Reiter sollten sich im Beisein des anderen wohl und sicher fühlen; alles müsse passen. Mit Norbert sei ihm dieser Schritt gelungen. Das Goldene Reitabzeichen spricht jedenfalls klar dafür.
Teilnahme an Amateurmeisterschaften steht bevor
„Zeit, Arbeit und Geduld“ – so lautet sein Erfolgsgeheimnis, an dem Oben auch nach weniger erfolgreichen Turnieren festhält. Denn gerade als Amateur gelte das olympische Motto: „Dabeisein ist alles.“
Doch bei aller Bescheidenheit ist der Ehrgeiz in den Worten des 28-Jährigen kaum zu überhören. Und vielleicht auch eine kleine Portion Aufregung. Das mag an den kommenden Deutschen Amateurmeisterschaften (DAM) liegen, an denen Oben aufgrund seiner Leistungen nun bereits zum dritten Mal teilnehmen darf. „Das ist jedes Mal eine ganze Nummer größer“, sagt Oben mit Blick auf seinen regulären Turnieralltag.
Deutsche Amateurmeisterschaften 2024: Für Amateure, gegen Profis
Wie seit 2020 üblich, findet auch die diesjährige Auflage im Westfälischen Pferdezentrum in Münster-Handorf statt. Dort messen sich die Amateure vom 27. bis 29. September 2024 in den Disziplinen Springen und Dressur. Selbsterklärtes Ziel des bundesweiten Wettbewerbs ist es, der zunehmenden Professionalisierung des Reitsports entgegenzuwirken und den Amateuren eine eigene Plattform zu bieten. Ermittelt werden die „Besten unter Gleichen“, heißt es im Turnierheft.
Auch deswegen tritt der 28-Jährige die Reise nach Nordrhein-Westfalen nicht an, um Letzter zu werden. Ganz im Gegenteil: Er möchte seine Chance nutzen, um sich zu steigern und eine gute Platzierung im Springreiten einzufahren. „Ich hoffe, dass ich in den Top Ten, vielleicht sogar in den Top Five landen kann“, so Oben.
Wie im Fußball: Videoanalyse soll Vorbereitung erleichtern
Daher hat sich der Neuenfelder in den nächsten Tagen viel vorgenommen: Videoaufnahmen vergangener Turniere durchgehen, Schwächen ausfindig machen und sie bestenfalls – gemeinsam mit Norbert – optimieren. Sollte das nicht funktionieren, will er weder sich noch seinem Pferd einen Vorwurf machen. Wichtiger sei ihm ohnehin, als Mensch zu überzeugen, ein Vorbild für den Nachwuchs zu sein.
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Reiten in Hamburg: Amateur Jan-Philipp Oben wird Amateuren treu bleiben
So oder so handelt Oben nur im Rahmen seiner begrenzten Zeit. Daran könnte wohl auch eine sehr gute Platzierung bei den DAM nichts ändern, da ihm seine Rolle als Amateur zu sehr gefällt: „Der Reitsport ist und bleibt ein großer Teil meines Lebens, aber immer nur als Hobby. Hauptberuflich könnte ich mir das nicht vorstellen.“
Auf die Frage, wie viele Jahre er dem Reitsport noch erhalten bleibe, antwortet er entschlossen: „So lange, wie ich mir diesen Luxus leisten kann.“ Mit einer Familie, die sich Oben früher oder später wünscht, wäre das aber nicht nur eine Frage des Geldes, sondern vor allem eine Frage der Zeit.