Neuenfelde. Die letzten vier Kaikrane der ehemaligen Werft an der Este werden derzeit abgebaut. Nun schaltet sich der Denkmalschutz ein.
Rettung in letzter Sekunde? Nach dem Einschreiten der Hamburger Kulturbehörde könnten die Ortsbild prägenden letzten Krane der Sietas-Werft in Neuenfelde möglicherweise doch erhalten werden. In der vergangenen Woche war mit dem Abbau begonnen worden. Die Zeichen standen auf Abschied.
Nun die Wende? Nach einem Bericht des NDR hat die Kulturbehörde interveniert. Demnach ist geplant, die Kai-Krane und den Portalkran unter Denkmalschutz zu stellen.
Viele Menschen in Cranz und Neuenfelde haben für den Erhalt gekämpft
Über vier Jahrhunderte stand die Sietas-Werft an der Este stellvertretend für den Schiffbau an der Unterelbe. Und bei aller Tradition war es stets der Innovationsgeist, der die Werft am Leben hielt. Dennoch kam vor drei Jahren das endgültige Aus für die Werft an der Este-Mündung.
Viele Menschen in Cranz und Neuenfelde haben sich dafür eingesetzt, das Werftgelände als Industrieensemble mit möglichst viel Erinnerungswert an den Werftbetrieb zu erhalten. Sie sind im Wettlauf mit der Zeit: Die letzten vier Kaikrane werden gerade abgebaut. Jetzt fürchteten die Neuenfelder, dass auch der große Portalkran, der hier die Altländer Skyline prägt, demnächst verschwinden könnte..
Der von Jucho hergestellte Portalkran gehört zum Stadtteil
Der Vorsitzende des SPD-Distrikts Neuenfelde, Ermiya Ciger, ist zu jung, um noch auf der Werft gearbeitet zu haben. Aber der Jungpolitiker ist in der Schiffbauersiedlung ám Seehof aufgewachsen, in der die Werft den Alltag prägte. Deshalb liegt ihm der Erhalt von möglichst großen Teilen der Sietas-Werft am Herzen: „Diese Kräne prägen seit Jahrzehnten das Ortsbild und stehen für 400 lange Jahre Schiffbau in Neuenfelde. Schiffbau und Obstanbau haben diese Region geprägt“, sagt er. ,Jetzt die letzten Spuren des Schiffbaus verschwinden zu lassen, ist nicht der richtige Umgang mit der Geschichte eines Stadtteils, einer ganzen Region.“
Die Krane gehörten zu Neuenfelde und besonders den von der Dortmunder Stahlbaufirma Jucho hergestellte Portalkran könne man von weitem sehen, so Ciger: „Und dann weiß man: Das ist die Sietas-Werft, das ist Neuenfelde!“
Ähnlich sieht es Kristina Sassenscheidt, Geschäftsführerin des Hamburger Denkmalvereins: „Die Krane und insbesondere der Portalkran sind eine Landmarke am südlichen Elbufer und ein weithin sichtbares Dokument der Industrialisierung des sonst ländlich geprägten Stadtteils Neuenfelde“, sagt sie und spricht sich dafür aus, alle noch verbliebenen Hebezeuge der ehemaligen Werft dort zu erhalten, indem die Stadt sie kauft.
Zumindest, was die letzten vier „Dreh-Wipp-Krane“ aus der Werft-Insolvenzmasse angeht, kommen Anwohner und Denkmalschützer wohl zu spät: Sie sind verkauft. Sie wurden schon früh vom Abwrackbetrieb „ReBoat“ erworben, der auf einem Teil des Werftgeländes jetzt Schiffsrecycling betreibt. ReBoat hat die Krane nun weiterverkauft.
Bei den Kaikranen lägen jetzt teure Inspektionen und Wartungsarbeiten an
„Wir haben für diese Kräne keine wirkliche Verwendung“, sagt ReBoat-Chef Mark Walberg, „für das meiste, was wir zu heben haben, sind sie überdimensioniert, und gleichzeitig für die schwersten Lasten, die bei uns anfallen, wie etwa alte Schuten, zu schwach. Die heben wir bislang mit dem Jucho.“
Nun aber lägen teure Inspektionen und Wartungsarbeiten bei den Kaikranen an, die ReBoat angesichts ihres geringen praktischen Wertes nicht zahlen möchte und kann. Die vier 50-Tonnen-Krane der Marke Liebherr, die seit den 1960er-Jahren an der Este stehen, werden aber nicht verschrottet. Sie sollen in einem fernen Land mit anderen Vorschriften weiter drehen, wippen und heben.
Der Abbau hat bereits begonnen. Man sieht es daran, dass zumindest bei zwei Kranen, der Ausleger nicht mehr nach oben zeigt, sondern zum Boden. Für kleinere Lasten will sich ReBoat einen Mobilkran zulegen und mit diesem begnügen.
Davon betroffen ist ein weiterer Nutzer des Werftgeländes, die „Este Projekt Service“ (EPS). EPS wickelt im ehemaligen Werftbecken und an den Kais „Projektverladung“ ab, das ist der Umschlag von Objekten, die normale Dimensionen sprengen. Große Maschinenteile, etwa. Eine ganze Batteriefabrik aus China zum Beispiel ging in Neuenfelde an Land und wurde in zahlreichen Transporten von hier nach Thüringen gefahren. Andersherum gingen Turbinen für Gezeitenkraftwerke hier vom Land auf den Wasserweg. Dafür mietete EPS die Krane immer kurzfristig von ReBoat.
„Es ist im Interesse des gesamten Alten Landes, dass die Este weiter wirtschaftlich genutzt werden kann“
„Ohne die Kräne können wir solche Projekte nicht umsetzen“, sagt EPS-Geschäftsführer Habbo Stark. „Die Stadt müsste eigentlich ein Interesse daran haben, die Kräne zu erhalten, damit möglichst viel Schwergut möglichst weit auf dem Wasserweg transportiert werden kann.“
Denkmalschutzamt handelt jetzt ganz schnell
Dass eine Kommune einem Logistiker mehr Infrastruktur zur Verfügung stellt, als Grundstück und Straße, ist allerdings nicht üblich. Allerdings hatte die Kulturbehörde ein Auge auf die Hebezeuge geworfen. Das Denkmalschutzamt prüfte zunächst, die Krane unter Schutz zu stellen: „Die systematische Prüfung des gesamten Geländes durch das Denkmalschutzamt ist noch nicht abgeschlossen. Weil der Eigentümer kürzlich begonnen hat, den Kranbestand abzubauen, wollte das Denkmalschutzamt die Prüfung der Schutzwürdigkeit beschleunigen und voraussichtlich zeitnah abschließen“, schreibt Behördensprecherin Claudia Preiksch. Das scheint nun geschehen zu sein.
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Die Grünen-Bürgerschaftsabgeordnete Gudrun Schittek aus Cranz hat indes Sorge, dass mit dem Abbau der Kräne auch die Nutzung des Werftgeländes von der Wasserseite endet. „Es ist aber im Interesse des gesamten Alten Landes, dass die Este weiter wirtschaftlich genutzt werden kann“, sagt sie.
Heißt es Kräne oder Krane?
Die Furcht, dass der große Portalkran abgebaut würde, sei übrigens unbegründet, sagt zumindest ReBoat-Chef Walberg, auch wenn der 400-Tonnen-Riese ihm gar nicht gehört, sondern der „Nord Leasing GmbH“. „Es ist mir nicht bekannt, dass es da Verkaufsabsichten gibt oder gar Pläne, den Jucho zu verschrotten“, sagt Walberg, der schätzt, dass allein die Demontagekosten jeden Erlös aus einer Veräußerung des Krans übersteigen würden.
Ob man die Mehrzahl vom Kran übrigens mit oder ohne Umlaut bildet, ist von der Situation abhängig. Gesprochen ist der Plural meistens „Kräne“, geschrieben „Krane“.