Harburg. Nach mehr als 40 Jahren scheint die Geschichte der Gründergeneration zu enden. Eine Forderung steht noch aus – und die hat es in sich.
Damit schließt sich das letzte Kapitel in der Geschichte des „Rieckhof“: Der Verein „Freizeitzentrum Hamburg-Harburg e.V“, der das Harburger Kulturzentrum von seiner Eröffnung im Jahr 1984 bis zur Schließung im Jahr 2022 betrieb, hat Insolvenz angemeldet. In Auflösung befindet sich der Verein ohnehin.
Die Geschichte des Vereins begann nicht mit der Eröffnung des „Rieckhof“, sondern lange vorher. In den 1970er-Jahren hatten Harburger Jugendliche lautstark, vehement und mit Protestaktionen ein Jugendzentrum gefordert und gegen einige Widerstände auch erstritten.
Rieckhof in Harburg: Entwicklung vom Jugendzentrum zur Kulturstätte
Im ehemaligen Kinderheim „Margarethenhort“ an der Nöldekestraße entstand das „Freizeitzentrum Nöldekestraße“, selbstverwaltet, aber mit hauptamtlichen Pädagogen ausgestattet, die die Autonomie der jungen Besucher nach Belieben zu lenken versuchten.
Solche Zentren gab es seinerzeit zahlreich, aber der Harburger Verein war es, der sie bundesweit vernetzte und Begriffe wie „Stadtteilkultur“ und „Soziokulturelle Zentren“ prägte, die bis heute in der ganzen Republik benutzt werden.
Von heute auf morgen verkündete das Bezirksamt das geplante Aus
Als in Harburg als Trostpflaster für die zehn Jahre währende Großbaustelle der S-Bahn das große Stadtteilkulturzentrum an der Rieckhoffstraße geplant wurde, wurde der „Verein Freizeitzentrum“ als Träger bestimmt.
Fast 38 Jahre lang blieb der Verein Träger des „Rieckhof“, dann kam das Aus: Von heute auf morgen verkündete das Bezirksamt Harburg, die Trägerschaft des „Harburger Bürgerhauses“ neu ausschreiben zu wollen.
„Stiftung Kulturpalast“ aus Billstedt siegte bei der neuen Ausschreibung
„Ein ganz normaler Vorgang. Und der Verein Freizeitzentrum kann sich ja auch bewerben“, wie es aus dem Rathaus hieß. Eine Präzedenz oder eine Wiederholung dieser Normalität hat es in Hamburg aber nie gegeben, und der Tonfall des Angebots der Mitbewerbung ließ deren Chancenlosigkeit durchschimmern.
Zum Zug kam die Billstedter „Stiftung Kulturpalast“, die seitdem ihre Dependance „Kulturpalast Harburg“ im Bezirk hat. Wenn auch derzeit nicht an der Rieckhoffstraße, sondern am Hastedtplatz, weil der ehemalige Rieckhof saniert und umgebaut werden soll.
Verein „Freizeitzentrum Harburg“: Eine hohe Forderung steht noch aus
Der Verein „Freizeitzentrum Harburg“, in dem viele der ehemaligen Nöldekestraßen-Jugendlichen mittlerweile alt geworden waren, war damit ohne Daseinszweck. „Wir könnten dennoch theoretisch als Verein weiterexistieren“, sagt Vorstand Christoph Meyer-Bohl. „Denn wir haben bislang alle ausstehenden Zahlungen begleichen können.“
Eine externe Forderung steht allerdings noch aus, und die hat es in sich: Die „Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder“ (VBL) hat Ansprüche angemeldet. Die VBL zahlt die Betriebsrenten der ehemaligen Rieckhof-Mitarbeiter. Die Arbeitgeber-Beiträge sind auch dann noch fällig, wenn ein Betrieb längst seine Tätigkeit eingestellt hat.
Letzter Ausweg: Vorstand stellt Antrag auf Insolvenz beim Amtsgericht
In diesem Fall ist eine einmalige Abschlagzahlung fällig. Wie hoch die genau ist, steht noch nicht fest. Meyer-Bohl rechnet mit 700.000 Euro.
Was auf alle Fälle feststeht, ist, dass der Verein keine nennenswerten Summen mehr auf dem Konto hat. Deshalb hat Christoph Meyer-Bohl beim Amtsgericht Hamburg die Insolvenz beantragt.
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Im ehemaligen Rieckhof ruht derweil der Umbau. Nach der Sanierung der Fassade, die im vergangenen Herbst abgeschlossen war, sollte eigentlich schon im April die Generalüberholung des Saales und der Umbau der Gruppenräume beginnen.
Kulturzentrum in Harburg: Sanierungsarbeiten an der Rieckhoffstraße ruhen
Zu sehen ist nichts, außer einem kleinen Steinschlag- oder Einschussloch an der hinteren Glasfassade. Im Hinterhof treffen sich Jugendliche, die sich dort unbeobachtet fühlen, aber von Anwohnern und Ordnungshütern argwöhnisch beäugt werden.
Das Angebot für Jugendliche führt der Kulturpalast Harburg in der Zwischenzeit in der ehemaligen Feuerwache am Hastedtplatz fort, keine 150 Meter vom städtischen „Haus der Jugend“ entfernt. Auch Kulturprogramm mit Kindertheater und Mitsing-Konzerten soll dort ab September stattfinden.
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