Wilstorf. Penny-Markt in Wilstorf ist ab Sonnabend dicht. Anwohner mutmaßen: Jetzt beginnt der geplante Wohnungsbau. Doch sie irren sich.
Das hat viele Anwohner der Hohen Straße überrascht: Seit dem vergangenen Wochenende wissen sie, dass „ihr“ Supermarkt schließt – und zwar schon am kommenden Wochenende. Das, so folgern viele, bedeutet dann ja wohl, dass das Neubauprojekt das auf dem ehemaligen Fabrikgelände, auf dem sich auch der Penny-Markt befindet, bald umgesetzt wird und sie ab sofort jahrelang auf ihre Einkaufsmöglichkeit verzichten müssen.. Sie irren.
Ein möglicher Baubeginn für das Großprojekt ist noch weit entfernt
Ein möglicher Baubeginn für das Großprojekt ist noch weit entfernt. So weit, dass Penny noch einmal Geld in den alten Markt steckt und ihn modernisiert. So umfangreich, dass man sich in der Norddeutschland-Zentrale der zur REWE-Gruppe gehörenden Discounterkette in Norderstedt noch nicht auf ein konkretes Datum für die Wiedereröffnung festlegen möchte. Solch eine Investition spricht dafür, dass man zumindest bei Penny davon ausgeht, dass die Gebäude auf dem Areal noch einige Zeit stehen bleiben.
Als der damalige Harburger Baudezernent Jörg Heinrich Penner und Projektentwickler André Schmidt das Projekt, in dem immerhin 220 Wohnungen entstehen sollen, im Herbst 2019 vorstellten, hatte das noch anders geklungen: Baubeginn war für 2021 geplant. Ab Januar 2020 wurde aber „eigentlich“ das bestimmende Wort für die meisten Großprojekte in Deutschland. Pandemie, Putin und Preissteigerungen brachten Pläne und Prozesse durcheinander.
Bebauungsplan ist zwar seit 2019 in Arbeit, aber bislang ungefähr in der Mitte stecken geblieben
„Ich sehe keinen Baubeginn am Horizont“, sagt der Vorsitzende des Harburger Stadtentwicklungsausschusses, Frank Richter (SPD), „denn es gibt ja noch nicht mal einen beschlussreifen Bebauungsplan.“
Der Bebauungsplan ist zwar seit 2019 im Entstehen, aber bislang ungefähr in der Mitte stecken geblieben. Die frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung, das ist der vierte von sieben Schritten bei der Erstellung eines Bebauungsplans, wurde 2020 mit einer Anwohnerversammlung abgehakt. Seitdem ist er in der verwaltungsinternen Abstimmung zwischen Bezirk, Fachbehörden und Versorgungsunternehmen.
Dieser fünfte Schritt ist allerdings fast getan, sagt Sandra Stolle, Pressesprecherin des Bezirksamts: „Das Bebauungsplanverfahren steht kurz vor der öffentlichen Auslegung des Planentwurfs.“
Die öffentliche Auslegung des Planentwurfs für vier Wochen muss allerdings erst noch von der Bezirkspolitik beschlossen werden, und da wird die Zeit knapp: Im Juni wird die Bezirksversammlung neu gewählt. Schon im Mai finden keine regulären Sitzungen statt und noch ist der Plan nicht auslegungsreif. Auf die Wahl folgt die parlamentarische Sommerpause bis Ende August und ob sich an deren Ende sofort eine neue Bezirksversammlung konstituiert, hängt davon ab, wer mit wem Koalitionsverhandlungen führt und wie lange das dauert. Die Erfahrung macht da wenig Hoffnung auf schnellen Fortschritt.
Harburg-Huus: Ultimaten wurden in der Vergangenheit schon mehrfach verlängert
In die Karten spielen könnte dieses Zeitproblem dem Harburg-Huus: Die Obdachloseneinrichtung des Roten Kreuz‘ am Außenmühlenweg ist auch von den Neubauplänen betroffen. Allerdings hat die Bezirksversammlung die Zustimmung zum Bebauungsplan an die Bedingung geknüpft, dass die Einrichtung im neuen Komplex erhalten bleibt.
Nun gibt es aber erstens ab Sommer eine neue Bezirksversammlung und die könnte anders beschließen und zweitens verhandelt das Harburg-Huus schon seit 2019 mit dem neuen Grundstückseigentümer der Urban Space GmbH über eine annehmbare Lösung, bislang ohne wirklichen Erfolg: „Jetziger Stand ist, dass unser Vertrag Ende 2024 ausläuft“, sagt Harburg-Huus-Leiterin Rosa Borgmann.
Solche Ultimaten wurden in der Vergangenheit aber schon mehrfach verlängert, je weiter sich der Baubeginn hinauszögerte. Das könnte auch noch einmal der Fall sein. Sprecher der Urban Space GmbH waren für das Abendblatt nicht zu erreichen.
Das Gelände der ehemaligen Dampf- und Elektromaschinenfabrik ist für Stadtplaner ein Glücksfall
Das Gelände der ehemaligen Dampf- und Elektromaschinenfabrik Christiansen & Meyer im Dreieck zwischen Außenmühlenweg und Hohe Straße ist für Stadtplaner ein Glücksfall: 10.000 Quadratmeter Fläche in Innenstadtnähe und mit guter Anbindung an Straßennetz und öffentlichen Nahverkehr. Fast der gesamte Boden ist bereits versiegelt, deshalb fallen keine Natur-Ausgleichsmaßnahmen an. Im Gegenteil: Um das Areal wohnlich zu machen, wird man hier wahrscheinlich mehr Grün schaffen, als an den spärlichen Supermarkt-Parkplatzböschungen wegfällt.
Das Gelände ist „untergenutzt“, wie es in der Begründung für den Bebauungsplan heißt. Ein Getränkemarkt, der Supermarkt und eine Schießspiel-Halle nutzen, bzw. nutzten ihre Gebäude jeweils nur eingeschossig. Einige kleine Gebäude auf dem Grundstück sind nicht so hoch, wie man heute bauen könnte.
220 Wohnungen plant der Investor am Außenmühlenweg: Laut Bebauungskonzept soll eine Kombination aus fünf- und sechsgeschossigen Gebäuden geschaffen werden, deren Sockelgeschoss jeweils gewerblich genutzt ist. Auf den Sockelgeschossen sollen begrünte Innenhöfe den Bewohnern als Spiel- und Erholungsflächen dienen. Mieter und Kunden sollen ihre Autos in Tiefgaragen parken, um diesen Erholungswert nicht zunichtezumachen.
Erst, wenn der Bebauungsplan gültig ist, können Bauanträge gestellt werden
Das ehemalige Kontorgebäude der Fabrik am Ostrand des Geländes bleibt erhalten. So nah an der Umgehungsstraße ist Wohnungsbau nicht zulässig. Das Harburg-Huus allerdings hat schon wieder genügend Abstand zur Hochstraße. Bereits einmal wurde der Obdachloseneinrichtung angeboten, in den Kontorbau zu ziehen. Die Verhandlungen darüber scheiterten allerdings.
Was den Penny-Markt, der für das östliche Phoenixviertel und das südwestliche Wilstorf mit zusammen etwa 10.000 Einwohnern die nächstgelegene Einkaufsmöglichkeit ist, angeht, soll der auch im Neubau einen Platz finden – und will das auch, verspricht man in der Regionalzentrale in Norderstedt. Bis zum Neubau vergeht allerdings noch Zeit: Nach der vierwöchigen Auslegung müssen noch Anregungen und Bedenken abgewartet, ausgewertet und im Plan bedacht werden, bevor dieser beschlossen werden kann.
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Erst, wenn der Bebauungsplan rechtskräftig ist, können auf seiner Grundlage Bauanträge gestellt werden. Und auch die müssen erst einmal bearbeitet und genehmigt werden. In der Zwischenzeit soll der Supermarkt wieder öffnen und lediglich innen erneuert sein. So lange geschlossen ist, bittet die Kette ihre Kunden, auf die nächstgelegenen Filialen auszuweichen.