Eißendorf. Klassen der Georg-Kerschensteiner-Grundschule säen, pflanzen und ernten in einem Modellprojekt ihre Nahrung. Und kommen ins Staunen.

Zehn Viertklässler bei der Arbeit: Mit Begeisterung wässern sie zwei Beete, ziehen eine Schnur und an ihr entlang möglichst gerade Saatreihen, bringen Saatgut aus, ernten Kartoffeln: An der Georg-Kerschensteiner-Grundschule in Eißendorf bauen die fleißigen Grundschüler viele Sorten Gemüse an, das sie später gemeinsam verarbeiten und essen. Die Schule beteiligt sich an dem Projekt GemüseAckerdemie des Vereins Acker e.V. Hier wächst nicht nur Gemüse. Sondern auch ganz viel Wissen.

Die „Kersche“ ist eine von 31 Hamburger Schulen, die im Rahmen der GemüseAckerdemie ihr eigenes Grünzeug heranziehen. „Ich hatte eine E-Mail bekommen mit der Einladung, an dem Projekt teilzunehmen“, sagt Schulleiterin Banu Graf. „Unsere Erzieherinnen waren sofort interessiert. Es ist wirklich ein tolles Projekt,“ sagt Graf im ersten kompletten Ackerjahr.

Hamburg: 155.000 Euro für Modellprojekt an acht Grundschulen

Die Schule gehört zu acht Hamburger Schulen, die Teil des Modellprojekts „Der Gemüseacker an Grundschulen“ sind. Es hat ein Investitionsvolumen von rund 155.000 Euro, ist auf vier Jahre angelegt und wird in Kooperation mit der Schulbehörde und der Stiftung Holistic Foundation durchgeführt. Rund 30 unterschiedliche Gemüsearten wachsen auf den Schuläckern heran.

Bevor geackert wird, erklärt Nicole Perters den Kindern, welche Arbeiten anliegen. Heute wird nachgesät.
Bevor geackert wird, erklärt Nicole Perters den Kindern, welche Arbeiten anliegen. Heute wird nachgesät. © HA | Angelika Hillmer

Auch die Beete der Harburger Schule sind bunt bestückt: Der Mangold steht üppig mit farbigen Stilen zum Ernten bereit. Auch der Mais sieht gut aus. Der Kürbis ist noch grünblättrig, die Kartoffeln bereits abgestorben, aber die Knollen liegen noch im Boden. Drei Klassen sind an insgesamt vier Nachmittagen an den Beeten aktiv, sogar während der Sommerferien: zwei dritte Klassen und die 4c. Angeleitet werden die Schülerinnen und Schüler von Nicole Peters von Acker e.V.

Kaum ein Kind weiß, wo die Nahrung herkommt, wie Gemüse heranwächst

Auch die Erzieherinnen Janina Dreßler, Sabrina Venturelli und Christine Schomers sind an diesem Nachmittag mit von der Partie. „Wir sind jetzt im ersten Karottenjahr, es heißt: volle Möhre 1“, sagt Dreßler. „Wir arbeiten hier unter großen Bäumen im Halbschatten, aber die Ernte ist trotzdem gut.“ Die Kinder haben in ihrem Alltag keine Berührungspunkte zum Gärtnern, wissen wenig darüber, wo ihre Nahrung herkommt, sagt sie. „Hier lernen sie den Weg von Aussaat, über Pflege bis zur Ernte. Sie erleben, was zu viel Regen anrichtet und wie emsig bei Trockenheit gegossen werden muss, damit die Pflanzen wachsen.“

Es sei faszinierend, was man alles in der Ackerdemie erfährt, sagt die Erzieherin. Und nennt als Beispiel gärtnerische Details wie die richtigen Pflanzabstände. Der Einstieg in den Gemüseanbau erfolgte an der Georg-Kerschensteiner-Grundschule mit einem Testlauf im Sommer 2022. „Wir hatten Kürbis und Zucchini geerntet, verarbeitet und daraus ein Gratin gekocht“, sagt Banu Graf. „Alle waren begeistert. In diesem Jahr trägt das Projekt in der Schulgemeinschaft Früchte. Auch Eltern beteiligen sich.“ An ihrer Schule werde täglich frisch gekocht, so Graf. Dazu passe das Projekt sehr gut.

Aussaat im September liefert Frischware im Spätherbst

Kaanboran (9) ist konzentriert beim Aussäen.
Kaanboran (9) ist konzentriert beim Aussäen. © HA | Angelika Hillmer

Obwohl gerade Erntezeit ist, bringen die vier Mädchen und sechs Jungen an diesem heißen Septembernachmittag Saatgut in zwei leeren Beete aus, die zuvor abgeerntet worden waren. Zunächst wird der staubtrockene Boden bewässert. Dann werden jeweils drei Saatreihen mit einer Maurerschnur markiert und mit einem Stiel Furchen gezogen. Diese werden mit Chinakohl, Radieschen und Mairüben bestückt. Beim nachträglichen Wässern gehen die Kinder nicht zum Wasserhahn, sie laufen. Allen ist der Spaß am Ackerbau anzumerken.

Danach beginnt Teil eins der Kartoffelernte. Gyuney, Kaanboran, Rayann und Gabriel kommen in Goldgräberstimmung. Sie buddeln mit den Händen, teils durch Handschuhe geschützt, die Erde zur Seite, bis die ersten Knollen in den Blick kommen – und staunen: Sie sind pink. Eine alte Sorte mit gelbem Fleisch. Aus der „Mädchenecke“ kommt ein Ausruf: „Frau Schomers, hier ist ein Babywurm.“ Die Erzieherin entgegnet: „Das ist gut so, die Regenwürmer lockern für uns den Boden auf.“

Überraschung bei der Kartoffelernte mit Ackercoachin Nicole Peters: Die Knollen sind rosa.
Überraschung bei der Kartoffelernte mit Ackercoachin Nicole Peters: Die Knollen sind rosa. © HA | Angelika Hillmer

Auf den schuleigenen Äckern erleben die Kinder, wie Lebensmittel natürlich wachsen – und wie gut frisches Gemüse schmeckt. Deshalb ist die Ackerakademie auch ein Beitrag zur gesunden Ernährung. Unterstützt werden die Erzieherinnen und Lehrerinnen sowie ihre männlichen Kollegen mit Lernmaterial, Fortbildungen, detaillierten Anleitungen und Hintergrundwissen auf der digitalen Lernplattform von Acker e.V.. Und durch die Fachleute des Vereins.

Gemeinsam mit seinen Partnerorganisationen in der Schweiz und in Österreich hat Acker e.V. im aktuellen Anbaujahr an mehr als 1000 Schulen GemüseAckerdemien initiiert, mit Freilandanbau oder notfalls auch im kleinen Stil im Klassenzimmer. 190 Festangestellte und rund 850 Honorarkräfte sind im Einsatz.

Landkreis Harburg: Auch in Tostedt und Salzhausen wird Gemüse angebaut

Auch im Landkreis Harburg sind die ersten Schulen dabei. Und das schon seit mehreren Jahren: Die Erich-Kästner-Realschule in Tostedt ist im vierten Jahr am Gärtnern. Sie hat einen Gemüseacker und einen schönen Schulgarten. Hier sind Jugendliche am Werk, im Rahmen eines Wahlpflichtkurses. Die Oberschule Salzhausen ackert im fünften Jahr mit der GemüseAckerdemie. Auch hier wird das Bildungsprogramm im Rahmen eines Wahlpflichtkurses umgesetzt.