Harburg. Machtkampf in Harburger SPD schwelt seit Monaten. Welche Rolle der Landesverband spielt – und welche Gründe er für den Austritt nennt.
In der Harburger SPD hat es geknallt: Partei-Urgestein Torsten Fuß hat sein Mitgliedsbuch abgegeben und seinen Austritt aus der Partei erklärt. Hintergrund dieser Entscheidung: Der anhaltende Machtkampf in der Harburger SPD, in der große Teile – aber eben nicht die Mehrheit – der Genossen versucht, die Arbeit des neuen Kreisvorstandes um Oksan Karakus zu torpedieren.
In den entsprechenden SPD-Distrikten, so Fuß’ Vorwurf, würden reihenweise Mitgliedschaftsanträge abgelehnt, wenn die Mitgliederbeauftragten vermuteten, dass diese Neumitglieder eher zu Karakus neigen würden, als zu der alten, abgewählten Machtachse der SPD aus den Distrikten Marmstorf, Eißendorf, Heimfeld und Neugraben.
SPD-Eklat in Harburg: Machtgefüge der Bezirksversammlung könnte sich ändern
Sein Bezirksabgeordnetenmandat will Fuß behalten. Ob er als parteiloser Abgeordneter in der SPD-Fraktion bleibt, ist noch offen. Wenn nicht, hätte dies weit reichende Konsequenzen für das Machtgefüge in der Bezirksversammlung: Die Grünen wären stärkste Fraktion.
Pikant: Alle potenziellen Neumitglieder, um die es geht, haben Migrationshintergrund. In den Streit um die Neumitgliedschaften hat sich mittlerweile auch der SPD-Landesvorstand eingeschaltet.
Auffällig viele Ablehnungen von Neumitgliedern mit Migrationshintergrund
Die Entscheidung über die Aufnahme eines Mitglieds liegt in der SPD bei den Ortsvereinen, die in Hamburg Distrikte heißen. In Eißendorf, Heimfeld und Neugraben hatte es zuletzt auffällig viele Ablehnungen von Mitgliedschaftsaspiranten mit Migrationshintergrund gegeben. „Diese Ablehnungen waren teilweise absurd“, so Fuß. „Einmal ging es darum, dass eine alleinstehende Frau den Mitgliedsbeauftragten bei einem unangemeldeten Besuch spätabends nicht in ihre Wohnung gebeten hat, bei anderen wurde Oberstufenschülern des Friedrich-Ebert-Gymnasiums die geistige Reife für eine SPD-Mitgliedschaft abgesprochen.“
Fuß sieht darin eine Schikane. „Das Aufnahmegespräch mit den Mitgliederbeauftragten der Distrikte dient dazu, zu verhindern, dass verfassungsfeindliche Extremisten und Fanatiker in die SPD eintreten“, sagt er. „Die Distrikte, um die es hier geht, führen mit den entsprechenden Aspiranten aber regelrechte Bewerbungsgespräche, bei denen sie Wissensfragen zu Partei und Politik so lange beantworten müssen, bis sie einmal daneben liegen und abgelehnt werden können. Die Bundes-SPD hat eine Mitglieder-Werbekampagne gestartet und Eißendorf, Heimfeld und Neugraben konterkarieren das!“
Der Streit bezieht mittlerweile auch den Landesvorstand ein
Vom Distrikt abgelehnte Mitglieder können laut SPD-Satzung durch den Kreisvorstand trotzdem noch aufgenommen werden. Das ist im Fall der abgelehnten Kandidaten auch geschehen. Die Distrikte legten dagegen Widerspruch beim Hamburger Landesvorstand ein.
Ob das von der Satzung abgedeckt ist, ist eine Interpretationsfrage. Der Landesvorstand gab – ohne Anhörung der Aspiranten – den Distrikten in fast allen Fällen Recht. Fuß vermutet dahinter die Landes-Co-Vorsitzende Melanie Leonhard, die ihre Harburger Basis eher in den alt-etablierten Distrikten hat
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„Neben diesen Mitgliedschaftsmanövern torpedieren die bei der letzten Vorstandswahl Unterlegenen die Arbeit des Harburger Kreisvorstandes auch auf allen anderen Ebenen“ , sagt Fuß. „Die öffentlichen Vorstandssitzungen werden durch lange Formaldiskussionen und Redebeiträge von nicht stimmberechtigten Genossen so stark blockiert, dass an inhaltliches Arbeiten nicht mehr zu denken ist! Der Vorstandsbeschluss die nächsten Kreisvorstandssitzungen nicht öffentlich zu machen, wird jetzt wieder beim Landesvorstand moniert.“
Bezeichnend finde Fuß auch, dass der studierten Geowissenschaftlerin Benizar Gündogdu die Qualifikation abgesprochen werde, den Arbeitskreis Klima und Umwelt zu leiten. „Wahrscheinlich, weil sie nicht auf ihrer Seite steht und eventuell auch wegen ihres Migrationshintergrunds.“
SPD-Mitglied Fuß galt selbst lange als Querulant in den eigenen Reihen
Mit Querulanten kennt Fuß sich aus. Lange galt er in der SPD selbst als einer. Seine Freunde in der Partei wurden vom Harburger Parteiadel gerne als „Fuß-Truppen“ abgewertet. „Der Austritt fällt mir nicht leicht. Ich bin Sozialdemokrat mit Leib und Seele. Seit mein Ur-Urgroßvater 1870 in die Partei eintrat, bin ich der erste in der Familie, der austritt. Aber das, was gerade geschieht ist nicht mehr meine SPD. Wir sollen doch die Bevölkerung abbilden. Da kann man Leute nicht ablehnen, weil sie jung sind oder Migrationshintergrund haben. Ich bin es leid, mich aufzureiben!“