Hamburg. Die Kreisvorstandswahlen gerieten zum Debakel. Es begann mit der formalen Entscheidung zur Doppelspitze. Man hatte sich geirrt.
Ein politisches Erdbeben erschütterte am Sonnabend die Harburger SPD. Die Kreisvorstandswahlen gerieten zum Debakel für das Partei-Establishment. Neue Vorsitzende der Harburger SPD ist die 48-jährige Juristin Oksan Karakus aus dem SPD-Distrikt Harburg Mitte. Das war vom bisherigen Vorstand nicht so geplant.
Morgens um 10 im Landhaus Jägerhof schien die Welt noch in Ordnung: Die Tagesordnung der Kreisdelegiertenversammlung hatte ein straffes Programm, auf dem eigentlich nur die Vorstandswahlen standen, inklusive einem vorangehenden Beschluss, der formal eine Doppelspitze ermöglichen sollte, wie sie den SPD-Kreis schon die vergangenen zwei Jahre de facto angeführt hatte. Danach sollte eben diese Doppelspitze aus Ronja Schmager und Sören Schumacher, beide aus dem Parteidistrikt Harburg Süd (Früher „Marmstorf“) neu und nun formal richtig gewählt werden.
SPD Harburg: Debakel begann mit formaler Entscheidung
Auch die Kandidaturen für die Stellvertreterämter, Beisitzersitze und andere Vorstandsämter standen fest. Bis zum Mittagessen wollte man fertig sein. Es kam anders. Am Ende war die ehemalige Machtachse der Sozialdemokraten im Hamburger Süden, bestehend aus den Distrikten Harburg Süd, Harburg Nord (Heimfeld) und Neugraben-Fischbek Geschichte: Ihre Kandidaten waren abgewählt oder traten gar nicht erst an.
Das Debakel begann mit der formalen Entscheidung zur Doppelspitze. Die sah der etablierte Vorstand als Selbstgänger – und hatte sich geirrt. Dass die Mehrheit der Delegierten es ablehnte, das überall populär gewordene ehrenamtliche Jobsharing auch im SPD-Kreis Harburg zu ermöglichen, brachte die Planungen durcheinander. Die Ablehnung kann auch als Votum der Delegierten gegen Sören Schumacher gelesen werden, dessen Aufstieg vom stellvertretenden zum Co-Vorsitzenden damit eingeleitet werden sollte. De facto hatte er bereits als Co-Vorsitzender gehandelt. Die zweite Stellvertreterin, Oksan Karakus, wurde in die Spitzenentscheidungen nicht eingebunden, wie sie in den vergangenen Jahren beklagte.
SPD: 45 der 70 Delegierten stimmten für Karakus
Das Durchfallen der Doppelspitze bewirkte eine Sitzungspause. Am Ende stand fest: Ronja Schmager kandidiert allein – und Oksan Karakus kandidiert gegen sie. Das Ergebnis war deutlich: 45 der 70 Delegierten stimmten für Karakus, 25 für Ronja Schmager. Dem unterlegenen Lager fehlten einige Delegierte, die nicht hatten kommen können, aber auch die hätten nicht gereicht. Ronja Schmager gratulierte und verließ das Lokal.
In der Folge zogen Beate Pohlmann und Natalia Sahling (Neugraben-Fischbek); Birgit Rajski (Harburg Süd); Claudia Loss, Holger Lange und Volker Muras (Harburg Nord) ihre Kandidaturen für weitere Vorstandsämter zurück. Zu Karakus‘ Stellvertretern wurden Benizar Gündogdu, Arne Thomsen und Frank Wiesner gewählt. Sie kommen alle aus dem Distrikt Harburg Ost, der in den vergangenen Jahren im Machtgefüge der Partei wenig zu sagen hatte – ebenso, übrigens wie Karakus‘ Distrikt Harburg Mitte oder der Distrikt Hausbruch.
SPD: Abwahl offenbar von langer Hand vorbereitet
Die Studentin Benizar Gündogdu kandidierte allerdings nicht für ihren Distrikt, sondern als Juso-Repräsentantin und der Grafiker Thomsen als Vertreter der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA). Frank Wiesner hatte eigentlich nur als Beisitzer kandidieren wollen und ließ sich nach Pohlmanns Kandidaturverzicht in die Pflicht nehmen.
Beisitzer wurden Nicole Hartmann, Aziz Aygün, Bärbel Bartels, Hakan Can, Sven Hey, Katharina Müller, Barbara Weiß, Hadi Shabaan, Mehmet Kizil, Ella Roor, Arend Wiese und Axel Rudolph. Offiziell sind sie noch nicht gewählt, da die Auszählung der Stimmen aus Zeitgründen verschoben wurde, da die Beisitzerkandidaten aber en bloc antraten, kann die Wahl als sicher gelten. „Männer, Frauen, Jüngere, Ältere, Einwanderer und Deutschstämmige – in diesem Vorstand spiegelt sich die Harburger Bevölkerung", freut sich Karakus.
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Dass die Abwahl der Altvorderen offensichtlich von langer Hand in den bislang verpönten Distrikten vorbereitet wurde, Karakus aber erst in der Stunde vor der Wahl ihre Kandidatur erklärte, sorgte selbst unter ihren Unterstützern für einigen Unmut – erst recht jedoch bei den Unterlegenen, die ihr undemokratisches Verhalten vorwarfen. „Wir werden als geschäftsführender Vorstand einige Wogen zu glätten und einige Risse zu kitten haben“, sagt Karakus. „Das ist zunächst unsere größte Aufgabe und wir werden deshalb auf alle Distrikte zugehen.“
Den Vorwurf des undemokratischen Verhaltens will sie sich nicht gefallen lassen: „Man hat schon in der einstündigen Unterbrechung gesehen, wie einzelne Delegierte massiv bedrängt und unter Druck gesetzt wurden. Das war bislang leider oft üblicher Stil in der Partei. Wenn das über Wochen erfolgt wäre, wäre das auch keine gute demokratische Gepflogenheit. Viele derer, die jetzt gegen den alten Vorstand gestimmt haben, hatten sich von ihm nicht mehr mitgenommen, vertreten oder auch nur gehört gefühlt, sei es in Sache Rieckhof oder Tafel und Abrigado oder in vielen anderen Fragen. Da wurde immer von oben nach unten entschieden.“